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Brandenburg: Linke schaut nach einem fürs Recht Nach dem Rücktritt von Volkmar Schöneburg soll heute ein neuer Justizminister präsentiert werden – es wird wohl Parteichef Stefan Ludwig

Potsdam - Kein Zeitverzug: Nach dem Rücktritt von Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) wegen der Gefängnisaffäre soll voraussichtlich schon an diesem Montag ein Nachfolger präsentiert werden. Wie aus Führungskreisen der Linken verlautete, wird es wohl Parteichef Stefan Ludwig.

Potsdam - Kein Zeitverzug: Nach dem Rücktritt von Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) wegen der Gefängnisaffäre soll voraussichtlich schon an diesem Montag ein Nachfolger präsentiert werden. Wie aus Führungskreisen der Linken verlautete, wird es wohl Parteichef Stefan Ludwig. Der 46-jährige Landtagsabgeordnete ist Jurist und hat als Ex-Bürgermeister von Königs Wusterhausen zumindest Erfahrung damit, einen Apparat zu führen. Allerdings war am Sonntag die Entscheidung noch nicht gefallen. Bis in den Abend hinein liefen noch Gespräche.

Vor dem Rücktritt hatten am Samstag erst die Linke-Spitze und danach der rot-rote Koalitionsausschuss getagt. Dort waren sich Woidke und Schöneburg dem Vernehmen nach einig, dass der Schritt bedauerlich, aber unvermeidlich sei. Woidke und sein Koalitionspartner sind sich darin einig, dass die Krise zügig beigelegt werden soll. „Der Rücktritt hat keine Auswirkungen auf die Regierungskoalition“, sagte Staatskanzleichef Albrecht Gerber den PNN. Am Montagmorgen sollen außerplanmäßig Parteispitze und Landtagsfraktion der Linken tagen.

Schöneburg, früher Strafverteidiger und Landesverfassungsrichter, hatte am Samstag wegen der Vorwürfe um die Begünstigung eines Häftlings und früheren Mandanten seinen Rücktritt erklärt – keine 72 Stunden nachdem er am Donnerstag bestätigen musste, entgegen den Voten seiner Fachleute im Ministerium und der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel die geplante Sicherungsverlegung des als hochgefährlich und brutal eingestuften Sexualstraftäters Detlef W. in die JVA Cottbus persönlich gestoppt zu haben. Er werfe sich vor, die Entscheidung selbst getroffen zu haben, sagte er zum Rücktritt. Zudem hatte W. jahrelang aus der Anstalt das Privathandy des Ministers angerufen, nach den Protokollen dauerten die Verbindungen teils mehrere Minuten. Schöneburg hatte erklärt, dass die Anrufe in der Mobilbox gelandet seien, die er abgehört habe. Detlef W. wird von der Leitung der JVA Brandenburg zudem verdächtigt, Mithäftlinge erpresst und mit Drogen gehandelt zu haben. Bei der Durchsuchung seiner Zelle waren in der Vorwoche auch ein verbotetenes Handy und Schuldscheine anderer Gefangener gefunden worden – einer über 13 000 Euro. Wie Mitgefangene in der Haft bei W. so hohe Schulden machen konnten, ist noch offen. W. lebte mit seinem ebenfalls verurteilten Lebensgefährten, auch ein Sexualstraftäter, in einer Zelle. Beide waren einschlägig vorbestraft (W. hatte in den 1980er-Jahren ein Mädchen ermordet), als sie nach ihrer ersten Entlassung 1999 ein 13-jähriges Mädchen in Leipzig brutalst vergewaltigten. Danach wurden sie erneut zu hohen Haftstrafen verurteilt. Zuletzt gab es Hinweise, dass Detlef W. versucht haben könnte, Schöneburg mit brisanten Informationen zu erpressen.

Für die Opposition war der Rücktritt eine „unausweichliche Konsequenz“, wie Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte. Er verwies darauf, dass dem Justizausschussvorsitzenden, dem CDU-Abgeordneten Danny Eichelbaum (siehe Kasten), vom früheren Schöneburg-Mandanten im Knast offenbar belastendes Material mit weiteren Enthüllungen zugespielt werden sollte. „Ein Justizminister darf genauso wenig wie andere Minister erpressbar sein.“

CDU-Landeschef Michael Schierack, Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl 2014 und damit Woidkes Herausforderer, kritisierte den Regierungschef: „Ministerpräsident Woidke hat viel zu lange gezaudert und sich nicht zu einem Machtwort durchringen können“, sagte er. Woidke habe sich noch am Freitag „vor seinen Skandalminister“ gestellt. „Der Ministerpräsident Woidke hat eindeutig in dieser Krise seiner Landesregierung versagt und sich lieber weggeduckt.“ Woidke hatte sich am Freitag erstmals geäußert – und weitere Aufklärung von Schöneburg gefordert. Linksfraktionschef Christian Görke wiederum sieht auch Klärungsbedarf, weil Interna aus der JVA bekannt geworden waren.

In seiner Amtszeit hatte sich Schöneburg bundesweit als liberaler Justizpolitiker profiliert. Er war der einzige Länderjustizminister, der bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auf eine verfassungskonforme Sicherungsverwahrung von Straftätern drängte. Die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer e. V.“ bedauerte am Sonntag in einer Erklärung den Rücktritt Schöneburgs, der „politisch und fachlich konsequent den Gedanken der Resozialisierung von Strafverurteilten“ verfolgt habe. Er habe „Mut für einen anderen politischen Zeitgeist im Umgang mit Straftätern und für einen humaneren Strafvollzug in Deutschland“ bewiesen. Wegen dieser Verdienste habe man dem ehemaligen Minister „umgehend die Ehrenmitgliedschaft“ ausgesprochen.

Auch Regierungschef Woidke verwies darauf. So sei die Novelle des Justizvollzugsgesetzes auch mit den Stimmen großer Teile der Opposition im Landtag verabschiedet worden. Das honorierte auch die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Linda Teuteberg. Sie nannte aber den Rückzug Schöneburgs einen „richtigen Schritt, der überfällig war und weiterhin einige Fragen offen lässt“. Dies sei die nötige Konsequenz aus den von Schöneburg nun selbst eingestandenen Fehlern. „Umso abwegiger“, so Teuteberg, „sind die uneinsichtigen Verschwörungstheorien der Partei Die Linke.“ Führende Linke vermuten eine Verschwörung des Justizapparates, der Opposition und von Journalisten hinter dem Sturz Schöneburgs (siehe Beitrag rechts).

In Brandenburg gab es nie so viele Rücktritte wie seit 2009. Zuletzt hatte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wegen einer Krankheit seinen Platz geräumt. Schöneburg ist der vierte Minister, der geht; und der erste der Linken.

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