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Beeskows Sieger:  Bürgermeister  Robert Nitz (parteilos)

© dpa/Patrick Pleul

„Hype der AfD gebrochen“: Brandenburgs Politik erleichtert über Ausgang der Seelow-Wahl

Cottbus, Oder-Spree, nun Seelow: Die rechtsextreme AfD, die 2024 die Landtagswahl gewinnen will, ist in Brandenburg auf kommunaler Ebene erneut gescheitert. Wird die Gefahr überschätzt?

In der Mark gibt es auch weiterhin keinen Landrat, keinen hauptamtlichen Bürgermeister mit dem Parteibuch der rechtsextrem geprägten AfD: Der Ausgang der Bürgermeisterwahl in Seelow, die der parteilose Robert Nitz am Sonntag nach dem vorläufigen Endergebnis mit einer haushohen 68,5-Prozent-Mehrheit gegen den AfD-Bewerber Falk Janke gewann, ist in Brandenburgs Politik mit Erleichterung aufgenommen worden. Ist Brandenburg ein Jahr vor der Landtagswahl womöglich resistenter gegen rechtsextreme Dammbrüche als gemeinhin angenommen?

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) antwortete am Montag auf diese Frage zur Seelow-Wahl zurückhaltend. „Es ist ein sehr gutes Ergebnis. Das freut mich sehr“, sagte Woidke vor Journalisten in Potsdam. Doch es sei „eine dauerhafte Herausforderung, gegen Rechtsextremismus und für Demokratie zu kämpfen. Das wird so bleiben. Ich sehe aber gerade in solchen Ergebnissen wie in Seelow, dass wir optimistisch sein können, auch diese Herausforderungen zu bestehen.“

Wenn die demokratischen Parteien gute Kandidaten aufstellen, sind die ländlichen Regionen Brandenburgs stabil.

Gernot Schmidt, SPD, Landrat des Kreises Märkisch-Oderland

Grund für Entwarnung sieht Brandenburgs Regierungschef also nicht, obwohl mit der Oberbürgermeisterwahl in Cottbus, der Landratswahl in Oder-Spree und nun der Bürgermeisterwahl in Seelow, der Kreisstadt von Märkisch-Oderland, nun bereits zum dritten Mal die AfD angesichts des landesweiten Hochs den Sieg erhoffte - und dann doch scheiterte. „Ich bin stolz auf Seelow. Es zeigt: Wenn die demokratischen Parteien gute Kandidaten aufstellen, sind die ländlichen Regionen Brandenburgs stabil“, sagte Gernot Schmidt, SPD-Landrat in Märkisch-Oderland, am Montag dieser Zeitung. „Die Seelower haben den Hype der AfD gebrochen.“ Er hob hervor, dass die Wahlbeteiligung mit fast 67,8 Prozent außergewöhnlich hoch war, „die Leute haben sich bewusst entschieden.“

Grüne für Schulterschluss der Demokraten

Der 34-jährige Nitz, der als Vize im Rathaus seit dem Tod des langjährigen Bürgermeisters im April die Amtsgeschäfte führte, war im Wahlkampf von allen Fraktionen des Stadtparlaments außer der AfD unterstützt worden: von der Linken, der SPD und Heimat-Kultur-Sport/CDU/FDP. Es gab also eine Art lokale Anti-AfD-Allianz. Die AfD hatte, um das erste Rathaus in Brandenburg zu holen, Prominenz aufgefahren - zuletzt mit einem Auftritt des Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla am Tag vor der Wahl.

„Die große Mehrheit hat sich von der AfD nicht täuschen lassen, weder von ihren leeren Versprechungen noch von ihren Versuchen, harmlos zu wirken“, erklärte Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl. Das sei ein gutes Signal mit Blick auf 2024, wo in Brandenburg Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen anstehen. Pichl betonte: „Der Schulterschluss zwischen den demokratischen Parteien ist und bleibt gerade in Stichwahlen wichtig und wirksam.“

„Man sollte aufpassen, dass man das Schreckgespenst der AfD nicht größer macht, als es ist“, sagte Brandenburgs CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann. „Ängstliche Ohnmacht wäre falsch. Man muss gute Kandidaten aufstellen und guten Wahlkampf machen. Dann kann man Erfolg haben.“ Garantiert sei der damit allerdings nicht, genauso wenig wie beim oft geforderten Schulterschluss der demokratischen Parteien, den es vor der Wahl des AfD-Landrates in Sonneberg ja auch gegeben habe.

28
Prozent erreichte die AfD nach einer Insa-Umfrage vom Juli.

Nach einer Insa-Umfrage vom Juli lag die AfD zuletzt landesweit mit 28 Prozent klar vor der seit 1990 regierende SPD mit 21 Prozent (CDU 18, Linke 10, Grüne 9, Freie Wähler 5). Nach einer Wählerpotenzial-Erhebung im Auftrag der Linken können sich bei den 35- bis 49-Jährigen sogar 54 Prozent vorstellen, AfD zu wählen. „Die Wahl von Robert Nitz zeigt, dass der Aufstieg der AfD aufhaltbar ist“, sagte Sebastian Walter, Chef der Linkspartei und der Landtagsfraktion.

Aufhaltbar dann, „wenn die demokratischen Parteien sich daran orientieren, was wirklich wichtig ist: Konkrete Lösungen vor Ort und eine Zusammenarbeit, die keine Einheitsfront ist, sondern Probleme vor Ort ehrlich erkennt und anpackt.“ Aber die Landesregierung müsse vom hohen Ross herunter, sinkende Reallöhne, fehlende Kita-Plätze und marode Schulen seien „nicht mehr wegzudiskutieren und treiben einen Teil der Menschen zu den Feinden der Demokratie“.

Ein „Danke Seelow“ samt roten Smiley-Herz kam aus Schwerin via Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) von Manuela Schwesig, der SPD-Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern. Schwesig war in Seelow aufgewachsen, hatte auf dem Gymnasium der Kreisstadt ihr Abi gemacht und twitterte nun: „Herzlichen Glückwunsch an Robert Nitz zum klaren Ergebnis von 68,5 Prozent und weiterhin viel Erfolg für meine alte Heimatstadt Seelow“.

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