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Initiatorin und Vereinsvorsitzende: Kerstin Lalla im „Robin Hood“ in Premnitz.

© Silvia Passow

Herz statt Köcher: Wie der Verein Robin Hood in Premnitz armen Menschen hilft

Ihr Sherwood Forest ist ein Keller in einem Fabrikviertel: Hier sammelt der Verein Robin Hood Spenden und verteilt sie an bedürftige Berliner und Brandenburger.

Von Silvia Passow

Der Eingang liegt ein bisschen versteckt, ein überdachter Gang, an dessen Seite ein paar Stühle stehen. Es geht leicht bergab, gleich hinter der geöffneten Tür steht eine junge Frau an der Kasse und packt ihre Einkäufe ein. Ihre Tochter im Vorschulalter hilft. Der Herr dahinter schaut etwas kritisch, als er den zu zahlenden Betrag hört, nickt dann aber. „Die Chefin ist hinten“, lässt die Dame an der Kasse wissen und zeigt einen nicht enden wollenden Gang entlang. Schnurgerade, an den Wänden hängen Kleiderstangen, der gesamte Flur, auf dem locker für einen 50-Meter-Lauf geübt werden könnte, hängt voller Jacken und Mäntel, Kleider und Pullover. Der Flur mündet in einem Raum, in dessen Mitte ein großer Tisch steht und Stühle. Vom Fußboden ist nicht allzu viel zu sehen, überall stehen Tüten, Kartons und Körbe verteilt.

Robin Hood Premnitz

© Silvia Passow

Kerstin Lalla schafft etwas Platz, räumt Kleidungsstücke und Kisten zur Seite, bietet Kaffee und einen Stuhl an. Alles Sachspenden, sagt sie mit Blick auf die Säcke und Kisten und freut sich, dass es Leute mit Herz gibt, wie sie sagt, die zum Geben bereit sind. Denn nur so kann sie helfen, kann Dinge, vornehmlich Kleidung, die die einen nicht mehr wollen oder brauchen, an andere Menschen mit wenig finanziellen Mitteln weiterreichen.

Spenden für Berliner und Brandenburger

Mit ihrem Verein Robin Hood sammelt Kerstin Lalla nicht nur Bekleidung, auch Schlafsäcke und Hygieneartikel für Obdachlose nimmt sie an. Bis vor kurzen verteilten die Vereinsmitglieder die Spenden noch selbst in Berlin, fuhren zum Bahnhof Zoo und versorgten die Obdachlosen mit warmer Kleidung. Inzwischen schafft die EU-Rentnerin das gesundheitlich nicht mehr. Sie gibt die Spenden an andere Vereine, die sie dann in Berlin verteilen, sagt sie. In Premnitz, erzählt sie, ist Obdachlosigkeit ein eher kleines Problem. In der Industriestadt sorgen Arbeitslosigkeit und niedrige Einkommen für knappe Kassen in den Privathaushalten.

Die kleine Stadt Premnitz liegt im Naturpark Westhavelland. Einst ein Dorf, wuchs Premnitz mit Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Industriestandort. Die IG Farben war hier ansässig, später wurde daraus der volkseigene Betrieb Chemiefaserwerk „Friedrich Engels“. Nach der Wende wurde das Werk privatisiert, Arbeitsplätze abgebaut, die Arbeitslosigkeit stieg. „Die Arbeitslosigkeit ist auch heute noch hoch in der Stadt“, sagt Lalla und sie wundere sich manchmal, dass nicht viel mehr Leute die Angebote des Vereins nutzen. Dieses Angebot besteht aus einer Art Kaufhaus für Gebrauchtes. Neben der großen Auswahl an Kleidung für alle Altersstufen gibt es reichlich Kinderspielzeug, Bücher, DVDs, Haushaltsgegenstände, kleine Elektro-Geräte und Möbel.

Vor viereinhalb Jahren gründete Lalla den Verein, dem sie auch vorsitzt. Zwölf Mitglieder hat er; sie helfen, packen die Spenden aus, sehen sich alle Teile genau an. Defekte Stücke, abgetragene Kleidung, zerbrochenes Geschirr landen im Container. Das ist eines der Probleme, sagt Lalla. Manche Leute geben Sachen ab, die sich nicht zur Weitergabe eigenen. Oder die niemand braucht, wie die alten Autoreifen zum Beispiel. Mit dieser „Spende“ wollte Lalla aus der Not eine Tugend werden lassen. Denn die Müllentsorgung muss der Verein aus der eigenen Kasse zahlen, also wurden die Autoreifen kurzerhand als Blumenkübel umfunktioniert. „Leider wurden die Blumen dann zerstört“, sagt Lalla und berichtet, dass sie gerade zu Beginn ihrer Arbeit nicht gern am Ort gesehen waren.

Dieser Ort liegt nicht weit vom Bahnhof entfernt, fünf Gehminuten, oder man fährt mit dem Bus bis vor die Haustür. „Industriepark“ heißt die Haltestelle, alte und neue Fabrikgebäude stehen hier. Ein bekannter Fensterbauer produziert nebenan. Blümchen hätten der Gegend gutgetan.

Heiderose Borchardt und Kerstin Lalla sortieren gespendete Kleidung.

© Silvia Passow

Drinnen hat nun auch Heiderose Borchardt ihren Platz an der Kasse aufgegeben und kommt nach hinten. Die 65-Jährige arbeitet ehrenamtlich für den Verein. „Ohne Aufwandspauschale“, sagt Lalla. Borchardt erzählt, wie sie früher gern zum Verein kam, einen Kaffee trinken, mit Leuten ein Schwätzchen halten. Denn auch das gehört zum Shoppen bei Robin Hood. Gemeinsamkeit, ein Plausch, Kaffee trinken. Irgendwann half sie beim Spenden auspacken, erzählt sie. Sie kam öfter, half öfter und blieb. Der Verein hat täglich von 9 bis 14 Uhr geöffnet, nach Möglichkeit sind immer drei Vereinsmitglieder anwesend, sagt Lalla. Und nach Möglichkeit sitzt die Chefin höchstselbst nicht an der Kasse. Der Grund: Sie ist schlicht zu großzügig.

Die Chefin kann nicht „nein“ sagen

Wer bei Robin Hood einkaufen kommt, muss die Bedürftigkeit nachweisen. „Wenn aber jemand zwei Euro über dem Satz liegt, schicke ich den doch nicht weg“, sagt Lalla und rollt mit den Augen. Für die Kleidungsstücke berechnet der Verein 50 Cent das Stück, für die dicken Wintermäntel werden 3 Euro fällig.

Der Verein muss Geld einnehmen, denn davon wird die Raummiete bezahlt. Und die ist gerade kräftig erhöht worden. Von 150 Euro im Monat auf 300 Euro. Dazu kommen die Nebenkosten. Vorsichtshalber bleiben die Heizkörper kalt. „Die Chefin schaut dann schon mal über das eine oder andere Stück hinweg“, weiß Borchardt zu berichten. Stofftiere, sagt Lalla, verkaufe sie grundsätzlich nicht. „Die verschenke ich immer“, sagt sie und fast klingt es, als würde sie noch „Basta“ hinterhersetzen wollen. Macht sie aber nicht, zeigt lieber die Hochzeitskleider und Faschingskostüme. Beides kann man sich hier für einen schmalen Taler ausleihen.

Für die Kinderkleidung gibt es extra Räume, liebevoll dekoriert und daneben sogar ein Spielzimmer. Hier kann der Nachwuchs spielen, während die Großen einkaufen und fast alles, was hier steht, kann auch erworben werden. Das Ambiente ist Lalla wichtig. In einem Keller lässt es sich nicht einfach daher zaubern, schon gar nicht, wenn die Mittel begrenzt sind. Spiegel stehen verteilt, die Kleidung liegt ordentlich gefaltet in den Regalen. Möbel und Geschirr werden in einem nachgestellten Wohnzimmer offeriert.

Einmal monatlich kommt ein Friseur. „Dann kann man sich hier für einen Appel und ein Ei die Haare schneiden lassen“, sagt Lalla. Noch eines der Angebote des Vereins Robin-Hood. Auf den großen Ansturm, wegen steigender Lebenshaltungskosten, wartet Lalla noch. „Bisher merken wir davon nicht viel“, sagt sie und klingt dabei selbst ein bisschen erstaunt.

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