zum Hauptinhalt

POSITION: Die Justiz – kein Spielball des Innenministeriums

Es geht um die Grundlage unseres demokratischen Rechtsstaates

Das Verhältnis des Innen- zum Justizministerium gleicht traditionell dem von Hund und Katze, wobei sich angesichts der Machtverhältnisse im Kabinett die kleine Katze des großen Hundes zu erwehren hat. Zu den Übergriffen des Innenministeriums auf das Justizministerium ist auch zu zählen, dass nach einem Bericht dieser Zeitung das brandenburgische Innenministerium auf die Zahl der Amtsgerichte Einfluss nimmt. Wohl ist das Innenministerium für die Landesverwaltung zuständig, doch die Organe der Rechtsprechung zählen nach dem Landesorganisationsgesetz nicht dazu, worauf der Pressesprecher des Justizministers zu Recht hingewiesen hat.

Damit soll der Leser nun nicht mit einem kleinkarierten Kompetenzgerangel innerhalb der Landesregierung behelligt, sondern ihm vermittelt werden, dass es um nichts weniger als die Grundlage unseres demokratischen Rechtsstaates geht, die von Montesquieu im 18. Jahrhundert entwickelte Lehre von der Gewaltenteilung: „Eine ewige Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu missbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt. Wer hätte das gedacht: Sogar die Tugend hat Grenzen nötig. Damit die Macht nicht missbraucht werden kann, ist es nötig, durch Anordnung der Dinge zu bewirken, dass die Macht die Macht bremse.“

Und um die Gewaltenteilung steht es in Deutschland nicht zum Besten, weil die Stellung der Justiz so schwach ist, dass man sie schon als „schäbige Staatsgewalt“ bezeichnet hat.

Wer dies für eine Übertreibung hält, sei darauf hingewiesen, dass die Parlamentarische Kommission des Europarates auf Vorschlag der damaligen Berichterstatterin und heutigen Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger am 30. September 2009 Folgendes beschlossen hat: „Deutschland möge ein System der Selbstverwaltung der Justiz einführen, und zwar gemäß der Justizräte (judicial councils), die in den meisten europäischen Staaten vorhanden sind.“ Das heißt, die Judikative soll in Deutschland unabhängig von der Exekutive werden, die sie darauf zu kontrollieren hat, dass die von der Legislative beschlossenen Gesetze eingehalten werden.

Leider ist die Mahnung aus dem europäischen Raum, die Stellung der Justiz im Staatsgefüge zu stärken, in den Bundesländern bisher auf nur geringes Gehör gestoßen. Zu den rühmlichen Ausnahmen zählt Brandenburg, wo eine beim Justizminister angesiedelte Projektgruppe, der ich angehöre, bereits seit fast einem Jahr an Eckpunkten einer künftigen Selbstverwaltung der Justiz arbeitet.

Es besteht auch Konsens, dass die Staatsanwaltschaft in dieses Modell einzubeziehen ist. Denn sie übt zwar nicht selbst wie die Gerichte Rechtsprechung aus, wirkt aber daran in Strafsachen mit und schon die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung stellt einen bedeutsamen justitiellen Akt dar. Deshalb sollte der Exekutive jede Einflussnahme darauf genommen werden, dass von ihr erwünschte Anklagen erfolgen und unerwünschte unterbleiben.

Auf jeden Fall ist es mit der Vorstellung einer durch Selbstverwaltung gestärkten Justiz unvereinbar, dass die Exekutive darauf Einfluss nimmt, wie die Justiz sich organisiert – um die Exekutive zu kontrollieren.

Der Autor ist Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false