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Wirtschaftminister weiter unter Druck: Christoffers in Erklärungsnot

Die Luft für Brandenburgs Wirtschaftsminister Christoffers scheint dünner zu werden. Er steht wegen weiterer Unregelmäßigkeiten bei der Fördermittelvergabe in der Kritik. Firmenverantwortliche sitzen inzwischen sogar in Untersuchungshaft. Ermittler finden fingierte Rechnungen.

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) muss erneut Krisenmanagement in seiner rot-roten Regierung betreiben. Nach dem Rücktritt von Justizminister Volkmar Schöneburg gerät Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (beide Linke) massiv unter Druck, die Opposition fordert Aufklärung zu den von den PNN enthüllten Vorwürfen und beantragte erneut eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses im Landtag.

Der Minister, der vom Landesrechnungshof wegen der Drei-Millionen-Förderung für das bereits kurz vor der Insolvenz stehende Solarunternehmen Odersun gerügt wurde, hat sich nach PNN-Recherchen auch im Fall des unter Betrugsverdacht stehenden Unternehmens Human Bio-Sience (HBS) in Luckenwalde für die Zahlung von Fördermitteln starkgemacht. Am Donnerstag bekannt gegebene Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft Potsdam lassen das Vorgehen des Ministers immer zweifelhafter erscheinen – ebenso seine Erklärung, er habe zu keiner Zeit im Fall der Firma Einfluss auf die Landesförderbank ILB genommen. Bei einer Razzia am Mittwoch fanden die Ermittler gefälschte Rechnungen und Lieferscheine über eine Summe von 6,52 Millionen Euro, um die Freigabe von Fördermitteln zu erreichen. Zwei Manager der seit wenigen Tagen insolventen Firma HBS in Luckenwalde waren am Mittwoch verhaftet worden und sitzen in Untersuchungshaft.

Nach Recherchen dieser Zeitung und des RBB-Politmagazins „Klartext“ hatte sich Christoffers 2012 persönlich in den Streit um Fördergelder zwischen der Landesförderbank ILB und der Firma eingeschaltet – nachdem die ILB aufgrund von Unregelmäßigkeiten die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und die Auszahlung von 3,5 Millionen Euro zunächst gestoppt hatte. Auch das Finanzamt hatte bei einer Betriebsprüfung vergeblich nach einem Teil der geförderten und abgerechneten Investitionsgüter und Bauten gesucht und Ermittlungen eingeleitet. HBS-Chef Michael de Marie erklärte dem RBB-Magazin „Klartext“ kurz vor seiner Verhaftung, dass nach zwei Treffen im Jahr 2012 mit dem Minister bis dahin blockierte Gelder von der ILB ausgezahlt wurden. Zudem hatte der Manager eingeräumt, dass er beim Kauf von Kühltrockner Geschäfte mit seiner eigenen Firma gemacht habe.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte den PNN zu den Förderfällen: „Ich gehe davon aus, dass der Minister die Vorwürfe ausräumen kann.“ Den gleichen Satz hatte er auch kurz vor dem Rücktritt Schöneburgs gesagt. Christoffers wies den Vorwurf zurück, persönlich Einfluss auf die Auszahlung der Fördergelder durch die ILB an die Biotech-Firma genommen zu haben. ILB-Vorstand Tilmann Stenger sagte dazu: „Es hat keine Weisung des Ministers gegeben.“ Wirtschaftsministerium und ILB haben laut Christoffer „keine Kenntnis“ über laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehabt, als die zweite Rate 2012 ausgezahlt wurde. Die Firma habe Anspruch auf die Gelder aufgrund eines geltenden Bescheides aus dem Jahr 2008 gehabt. Offen blieb, ob die Verantwortlichen bei ILB und Wirtschaftsministerium jemals selbst die angeblich von den Fördermitteln bezahlten Geräte gesehen haben.

Der Wirtschaftsexperte der CDU-Landtagsfraktion Dierk Homeyer bezeichnete Christoffers im PNN-Interview als Wiederholungstäter. „Nach der einsamen Entscheidung zugunsten der Odersun AG, hat der Minister offenbar wiederum persönlich – entgegen jeden Rates – Fördermittel anscheinend widerrechtlich vergeben“, sagte Homeyer. FDP-Landeschef Gregor Beyer erklärte, der Fördermittelsumpf um Christoffers habe offenbar System: „Der Wirtschaftsminister gefällt sich in der Rolle des vermeintlichen Robin Hood. In Wirklichkeit ist er mindestens ein Räuber Hotzenplotz.“ Es dürfe nicht Zweck von Wirtschaftsförderung sein, Subventionsarien zu starten, die in Rettungsspiralen enden. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, die Vorwürfe im Fall HBS wiegen schwerer als im Fall Odersun. Christoffers Erklärung, mit der er eine Intervention zurückweist, überzeuge nicht.

Wie berichtet steht Christoffers seit Monaten wegen der Odersun-Affäre unter Druck. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie wegen Untreue gegen ihn ermittelt. Der Rechnungshof hatte erst im Dezember die ihm angeordnete Auszahlung einer Notbeihilfe von drei Millionen Euro an die eigentlich insolvente Firma als eigenmächtig und vorschriftswidrig gerügt – weil er die Gelder persönlich an der ILB vorbei Ende 2011 mit den Firmenchefs ausgehandelt und die ILB angewiesen habe, sich an die – laut Rechnungshof unzulässige – Verabredung zu halten. Allerdings erwartet das Ministerium, dass nach dem jetzt erfolgten Verkauf eines Grundstücks aus der Odersun-Insolvenzmasse rund 2,3 Millionen Euro in die Landeskasse zurückfließen. (mit pet)

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