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Hier ist nichts passiert: Die insolvente Firma Bio Science in Luckenwalde soll Fördergelder erschlichen haben.

© Bernd Settnik/dpa

Die Causa Christoffers: Black Box HBS

Ein angekündigter Betrug: Die Rolle von Minister Christoffers im Fall Human Bio-Science ist mehr als fragwürdig. Er wusste viel und tat auch viel – aber wohl für die Falschen

Es war ein strammes Programm, das Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) und sein Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) vom Morgen des 2. bis zum Abend des 5. Mai s 2011 in den USA und Kanada zu absolvieren hatten: Gespräche mit Politikern, Wirtschaftsverbänden, Krankenhausmanagern, Generalkonsulen, Experten für Fachkräftesicherung in ländlichen Gebieten und dem Besuch der Konzernzentrale des global tätigen Konzerns Bombardier. Nebenbei noch Besuch von Gedenkstätten und immer wieder Tansferflüge und -fahrten von Washington nach Boston, Portsmouth und Montréal. Viel Zeit blieb für nichts. Fast nichts.

Es gab eine Ausnahme: Christoffers tauchte mit seinem Stab für Stunden in ein Gewerbegebiet in 940 Clopper Road, Gaithersburg, Maryland, außerhalb von Washington D.C. ab. Es wurde der längste Ausflug der Reise und wohl auch der teuerste: Christoffers besuchte die Firma Human Bio-Sience (HBS), die in Brandenburg investieren wollte. Zumindest tat sie so. Der Minister traf sich mit jenen HBS-Managern, die in der Folge das Land um mindestens 6,5 Millionen Euro betrogen haben sollen und von denen zwei derzeit in Brandenburg in Untersuchungshaft sitzen.

Damals, in Gaithersburg, begann, was Christoffers nun das Amt kosten könnte – und nach Meinung der Opposition im Landtag auch kosten muss. In der nächsten Woche befasst sich der Landtag in einer Sondersitzung mit dem Fall, den Recherchen der PNN und des RBB ans Licht gebracht hatten.

Am Mittwoch hatten die Landtagsabgeordneten Dierk Hohmeyer (CDU), Gregor Beyer, auch Chef der Landes-FDP, und Michael Jungclaus (Grüne) Einsicht in Akten zum Fall beim Wirtschaftsministerium genommen. Homeyers Fazit: Der Skandal hätte verhindert werden können. Von allen Beteiligten auf Landesseite – aber eben auch vom Minister persönlich. Der Minister und dessen Büro hätten sich ungewöhnlich direkt in den Fall eingeschaltet – im Sinne der Investoren, zum Nachteil des Landes. Der Minister, so Homeyer, sei nicht zu halten, er lüge übers eine Rolle bei HBS seit Wochen. Selbst die Grünen, bisher eher vorsichtig, erklären zu Christoffers: „Dass er sich nicht für die Auszahlung der Fördermittel verwendet haben soll, erscheint unglaubwürdig.“

Christoffers hatte schon in Maryland Wert auf Diskretion gelegt: Die beiden Journalisten, die die USA-Reise begleiteten und die sonst in Washington immer mit durften, durften nicht mit zu HBS – so erinnert sich einer der Reporter. Der Minister, des Englischen nur bedingt mächtig, verzichtete nach Teilnehmerangaben auch auf einen externen Übersetzer. Er reiste – ungewöhnlich für solche Touren – mit seiner vertrauten Büroleiterin. Die sollte übersetzen.

HBS hatte erklärt, im brandenburgischen Luckenwalde eine Wundpflaster-Fabrik für mehr als 40 Millionen Euro bauen zu wollen. Ihren Anträgen auf Fördermittel war schon unter Christoffers Vorgänger Ulrich Junghanns (CDU) stattgegeben worden. Unter Christoffers aber flossen dann die Gelder – trotz massiver Bedenken und offenkundigem, teils – so die Aktenlage – gar vor dem Minister angekündigtem Betrug.

Überhaupt: Der Minister hatte auffällig viel Zeit für HBS in den USA. Von 16 bis 21 Uhr hatte er sich laut Besuchsprogramm freigenommen für die Pflastermacher. Zum Vergleich: Für den Besuch der Bombardier-Zentrale in Kanada hatte die Brandenburg-Delegation keine zwei Stunden. Allein auf zwei Stunden war das Abendessen angesetzt, das einer der HBS-Manager dem Minister aus Brandenburg am 2. Mai 2011 spendierte. Ob Christoffers damals schon wusste, wer ihm dort das Essen bezahlte, ist unbekannt. Fest steht: Es war Dr. Manoj J. Der war im Jahr 2004 in den USA wegen Subventionsbetruges rechtskräftig verurteilt worden. Christoffers konnte am Montag dieser Woche nicht sagen, wann er erfahren hat, dass sein Gastgeber ein Betrüger war – ihm fehle die Erinnerung, sagte er.

Aber auch später, als er es nachweislich wusste, hat ihn das nicht gestört: Er traf sich noch mindestens zweimal mit HBS-Managern in Deutschland – unter den Minister-Gästen auch Betrüger Dr. J.

Hätten sich die Besucher aus Brandenburg in Maryland genauer umgesehen, dann wäre das alles wohl zu verhindern gewesen. Denn der Fernsehsender RBB hat dies nachgeholt in diesem Jahr: Man fand nicht mehr als eine Klitsche, in der zwei Leute zumindest so taten, als würden sie etwas produzieren.

Doch auch später versagten in Brandenburg auffällig viele Instanzen, wurde auffällig gutmütig mit HBS umgegangen, setzten sich ausgerechnet der Minister und dessen Büro ungewöhnlich direkt für eine Firma ein, die unter massivem Betrugsverdacht stand. Das belegen die Akten des Wirtschaftsministeriums und der ILB. Und diese Akten werfen immer neue Fragen auf. Etwa nach der Rolle des Ministerbüros und danach, warum auch auf interne und externe Warnungen rigoros übergangen wurden. Denn Hinweise gab es mehr als genug. Eine Auswahl:

Seit dem 7. Februar 2012 wussten die für Investorenbetreuung zuständige Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB), die Investitionsbank ILB und das Wirtschaftsministerium, dass:

Bauunternehmen seit fast neun Monaten auf der HBS-Baustelle seit neun Monaten auf Gelder warteten,

der Architekt sich aus dem Staub gemacht hat, weil auch er kein Geld sah,

einer der HBS-Manager angegeben hat, ohne die Gelder vom Land keine Rechnungen zahlen zu können – also kein Eigenkapital vorhanden ist,

HBS Bautätigkeit nur vortäuschte als im Beisein der Landesregierung in der Nachbarschaft in Ludwigsfelde ein Bau eingeweiht wurde, waren nur für diesen Tag Bagger und Bauarbeiter da,

etwa 40 Gefriertrockner, die das Land fördern sollte, zum Teil entweder gebraucht oder aber völlig überteuert waren. Zitat: „Die Rechnungslegung ist gefälscht.“,

die Geräte über Firmen in Indien, Dubai und den USA zu „überhöhten Preisen (10x)“ geliefert werden sollten.

Brandenburgs Regierung erhält zu diesem Zeitpunkt auch die Kopie eines E-Mail- Verkehrs vom 25. Januar 2012. In der englischen Korrespondenz („if they flies up“) tauschen sich Manager darüber aus, dass sie von ihren Partnern in einen Betrug hineingezogen werden. Sie schreiben, dass Christoffers’ Gastgeber Dr. J. aus den USA die zentrale Figur ist.

Am 10. Februar 2012 schlägt die für die HBS zuständige ILB-Mitarbeiterin bei ihrer Rechtsabteilung Alarm. Zitat: „Aus dem Vermerk und dem beigefügten E-Mail Schriftwechsel mit einer anonymen Person ergeben sich nach unserer Einschätzung Anzeichen auf einen möglichen Subventionsbetrug.“ HBS sei schon vorher auffällig geworden – „hinsichtlich der Gesellschafterstruktur und der vom Unternehmen gewählten Zahlungswege“. Auch habe es „Prüfungen des Geldwäschebeauftragten, des Rechtsreferates“ und einer EU-Stelle gegeben. Dann der Hinweis, der zum roten Faden wird: „Das Unternehmen bemüht sich derzeit mit hohem Nachdruck um eine weitere Auszahlung.“

Am 3. April 2012 schaltet die ILB schließlich die Staatsanwaltschaft mit einem „EILT! BITTE SOFORT VORLEGEN!“ überschriebenen Brief ein: Eine „Mitteilung nach § 6 Gesetz gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen“. Darin gibt die ILB an, deutliche Hinweise darauf zu haben, dass zur Förderung beantragte Gefriertrockner um das Zehnfache überteuert abgerechnet werden, dass diese Geräte technisch nicht zu den Fabrikplänen passten: „Es werde vermutet, dass es sich bei den vermeintlichen Neugeräten um bereits in den USA im Einsatz befindliche Gefriertrockner handelt“

Und dann kommt ein Satz, der die Förderaktion hätte zum Abbruch bringen müssen: „Weiter wurde mitgeteilt, dass die Human Bio-Science GmbH über kein Eigenkapital verfüge und die Zuschüsse dafür verwendet wurden / verwendet werden sollen, Außenstände aus anderen Vertragsbeziehungen () auszugleichen. Nicht benötigte Überschüsse sollen angabegemäß der persönlichen Bereicherung des Hauptgesellschafters () Dr. Monoj J. dienen“ – also Christoffers Gastgeber aus den USA.

Und aus diesem Brief an die Ermittler geht auch hervor, wer noch von diesem Verdacht informiert wurde: Minister Ralf Christoffers selbst.

Der hatte sich da längst wieder ins Verfahren eingemischt: Nachdem die ILB im Februar über den ersten Verdacht des Subventionsbetruges informiert hatte, traf sich Christoffers laut ILB am 30. März 2012 mit Dr. J.

Am 25.04 2012 berichten sich Abteilungs- und Referatsleiter der ILB, die der HBS seit Anfang 2012 alle Gelder gesperrt hatten, in einer internen Korrespondenz über den Stand und von insgesamt „90 zahlungshämmenden Fakten“. Sie halten fest, dass der Minister offenbar im eigenen Hause vor HBS gewarnt worden war – von seinem Staatssekretär Henning Heidemanns: „Herr Heidemanns sagte mir vorletzte Woche, es gäbe im MWE (dem Ministerium; A.d.R.) einen Kreis von Mitarbeitern, die der Meinung seien, die gegen HBS laufenden Verfahren () seien haltlos und wir würden uns unternehmensfeindlich verhalten. Er betonte, er sehe das völlig anders. Seiner Empfehlung, keine Ministertermine mehr anzubieten, sei das Ministerbüro jedoch nicht gefolgt.“ Heidemannns hielt die HBS-Manager nach einem einzigen Termin für hochgradig unseriös. Offen legt der für die Gewerbeförderung zuständige ILB-Abteilungsleiter dar, was er im Ministerium Beunruhigendes beobachtet: „kommen mir langsam Zweifel wieso augenscheinlich ausdiskutierte Sachverhalte und klare Verabredungen anschließend wieder einseitig verworfen werden.“

In der Mail wird auch offen ausgesprochen, was vielen aufgefallen war: dass Christoffers’ „Büroleiterin Frau Dr. Häuser (richtig: Heuser, A.d.R.) () den Juristen von HBS, wie aus einigen Mails im letzten Jahr zu ersehen war, persönlich sehr gut zu kennen scheint“. Eben diese Büroleiterin, die schon mit dem Minister in den USA war, war es dann auch, die nach Angaben von Beteiligten bei der ILB intervenieren ließ – in „für eine Büroleiterin völlig unangemessener Weise“, wie es ein Beteiligter ausdrückt. So etwa am 5. Juli 2012: Da meldet sich schriftlich ein Ministeriumsmitarbeiter bei der ILB, um im Auftrag der Büroleiterin eine Antwort zu bekommen – „bis 15 Uhr!“. Die kam auch: Die ILB weigerte sich weiter, HBS Gelder zu überweisen.

HBS, die nach Aussage des Insolvenzverwalters zu diesem Zeitpunkt schon insolvenzreif war, drängte weiter. Für die HBS war eben dieser Jurist aktiv, den nach Beobachtung der ILB eine Bekanntschaft mit der Büroleiterin des Ministers verband. Auf Drängen des Ministers kam es schließlich zu dem verhängnisvollen Treffen: Am 26. September 2012 leitete der Minister die letzte Verhandlung zwischen seinem Haus, ILB und HBS. Mit am Tisch für HBS: eben der gut bekannte Jurist sowie Christoffers’ Gastgeber Dr. J. Dabei knickt die ILB plötzlich ein – man einigt sich auf Auszahlung von mehr als drei Millionen Euro. Dabei hatten die Investoren offen vor dem Minister erklärt, Gelder für die Gefriertrockner für Baurechnungen umzuleiten – ein klarer Verstoß gegen alle Richtlinien. Die Bank bekam nur einen Tag, um Belege, auf deren Grundlage ausgezahlt werden sollte, zu prüfen. Am 28. September 2012 floss das Geld. In einem Vermerk steht warum: „Auch ist diese Entscheidung dem massiven Zeitdruck den das Unternehmen aufbaut () geschuldet.“ Das Geld wurde, so der HBS-Insolvenzverwalter, direkt ins Ausland verschoben.

Am 01.Oktober 2012 – zwei Tage danach – wurde in der ILB wieder ein Vermerk erstellt – „aufgrund neuer Erkenntnisse“. Da war es zu spät.

Gestern erklärte das Ministerium: „Aus Sicht des Ministeriums bestand keine Veranlassung, das Verfahren zu beanstanden. Der Minister stellt erneut klar, dass er in das verwaltungsrechtliche Verfahren der Bewilligungsbehörde nicht eingegriffen hat.“ Das war am 04. Februar 2014 – fast auf den Tag genau zwei Jahre und 6,5 Millionen Euro nach den ersten Hinweisen auf den HBS-Betrug.

Mehr zum Thema: Heute Abend um 21.45 Uhr bei den Kollegen von „Kontraste“ in der ARD

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