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Blick nach Rohlsdorf in der Prignitz. 

© ZB

An den neuen Boom-Achsen: Brandenburgs Kabinett legt zwölf Schlüsselprojekte fest

Die neue Strategie wird konkreter, mit Initiativen aus den Regionen. Aber der Südwesten mit Havelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming hinkt hinterher.

Die Prignitz und Oberhavel bauen ein neues „Brandenburger Tor“ für Berlin. Hinter diesem Titel verbirgt sich eins von zwölf Schlüsselvorhaben, die die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte Landesregierung für die neue Regionalstrategie beschlossen hat. Entlang des Korridors Berlin-Prignitz, so die Idee, sollen attraktive Wohn-, Arbeits- und Lebensorte entwickelt werden. Und das mit dem Kalkül, dass man seinen Berliner Job durchaus auch im Brandenburger Grünen machen kann, über mobiles Arbeiten.

„Der Name trifft es: Wir sehen uns als Eingang des Landes“, sagte Oliver Hermann, Bürgermeister von Wittenberge, auf der Pressekonferenz am Dienstag in der Staatskanzlei. So solle der Bahnhof Wittenberge mit 17 Millionen Euro zu einem Gründerzentrum samt Coworking-Space entwickelt werden. Und in Perleberg will man die seit 30 Jahren leer stehenden Kaiserlichen Kasernen aus dem Dornröschenschlaf wecken, so Hermann.

Brandenburgs Entwicklungskorridore

© Rita Boettcher

Weitere Projekte sind etwa der Aufbau eines Wassertourismus-Korridors vom nördlichen Berliner Stadtrand mit Oranienburg in Ostseerichtung, eine „klimawandelangepasste Landnutzung“ in Uckermark-Barnim, das Naherholungsareal rund um den Helene- und Katjasee bei Frankfurt/Oder oder ein neues Gebäude für Co-Working-Jobs in Lübbenau-Spreewald als Erweiterung des Technologieparks Adlershof, der kaum noch Platz hat und in der Lausitz expandiert.

Neue Regionalstrategie löste Politik der Wachstums-Leuchtürme ab

Brandenburgs neue Regionalstrategie, für die das Kabinett im Herbst 2021 „Leitplanken“ verabschiedet hatte, wird damit konkreter. Damals hatte die Regierung insgesamt elf berlin-brandenburgische Entwicklungskorridore ausgewiesen, die entlang der großen Schienentrassen von der Metropole Berlin und ihrem Speckgürtel aus radial ins Land führen, in die Richtungen Hamburg, Rostock, Stettin, Hannover, Breslau, Leipzig oder Dresden.

Es sind breitere Räume als der aus Landesentwicklungsplänen bekannte und auf Bahnhofsorte fixierte „Berliner Siedlungsstern“. Die Neuausrichtung illustriert der Slogan „Stärken verbinden“. Vorher hatte die Regierungspolitik eineinhalb Jahrzehnte „Stärken stärken“ propagiert, wohinter sich die Konzentration auf Wachstumskerne, auf Leuchttürme verbarg, meist große Unternehmensstandorte.

Für Havelland-Fläming gibt es bisher kein Schlüsselprojekt

Die Schlüsselvorhaben sind nicht am grünen Tisch der Staatskanzlei erfunden worden, sondern vor Ort in einem Dialogverfahren „Regionale“ entwickelt und eingereicht worden. Dabei spielt die Hoffnung eine Rolle, bei Förderanträgen bevorzugt zu werden. Das ist bisher kein Automatismus. Doch sagte Staatskanzlei-Staatssekretärin Friederike Haase: „Ich denke schon: Es hat für Förderungen einen positiven Effekt.“ Auffällig ist eine regionale Unwucht: Die Schlüsselprojekte konzentrieren sich vor allem auf den Norden und Osten der Mark, nämlich Prignitz-Oberhavel (4), Uckermark-Barnim (2) und der Oderland-Spreeregion (4). Für Lausitz-Spreewald sind es weitere 2 Projekte, nämlich neben dem Innovationskorridor Adlershof-Cottbus der Technologiepark am Am Funkerberg in Königs Wusterhausen.

Dagegen sind der Westen und Süden mit den eigentlich in der Regionalstrategie ausgewiesenen Korridoren in Richtung Brandenburg an der Havel, Jüterbog-Luckenwalde bislang ein weißer Fleck - mangels Initiativen von unten und fehlender Einigkeit. Im Regierungsbericht heißt es dazu: „Für Havelland-Fläming hat sich ein Koordinator noch nicht gefunden, hier hat bisher der Dienstleister zu großen Teilen diese Aufgabe übernommen.“ Das ist die von der Staatskanzlei beauftragte atene KOM GmbH. Die Staatskanzlei verspricht sich laut Haase mit den ersten zwölf „schon einen Schub“ für Regionen, die noch nicht so weit seien.

Reserven im Digitalen und bei Kooperation mit Berlin

Und es gibt Reserven. So adressiere bisher kein Vorhaben die Digitalisierung als zentrale räumliche Kooperation zwischen Standorten, heißt es im internen Staatskanzlei-Bericht. „Reine Digitalisierungsprojekte, beispielsweise tele-medizinische Anwendungen oder digitales Lernen 4.0 stehen bisher nicht im Fokus.“ Und in „Ansätzen vorhanden“ sei bisher „das Wechselspiel mit großen Ansiedlungs-und Strukturentwicklungsvorhaben im Land Brandenburg (wie Tesla, BER-Umfeld)“, heißt es weiter. Wichtiger ist, dass es eine konkrete Kooperation mit Berlin bisher nur beim Brückenschlag von Adlershof in die Lausitz gibt. „Das ist der Prototyp. Die anderen Achsen werden folgen“, sagte Staatssekretärin Haase.

Auf ihrer gemeinsamen Sitzung im Oktober hatten sich Potsdamer Regierung und Berliner Senat daher verständigt, so der Bericht, „dass für drei weitere Achsen – Berlin-Prignitz, Berlin-Uckermark und Ostbahn – die Schaffung eines Achsenmanagements .... ausgelotet werden soll.“ Für die Linke-Opposition hat das Ganze einen Webfehler. „Es ist und bleibt ein Etikettenschwindel“, sagte die Linke-Abgeordnete Anke Schwarzenberg. „Denn anders als in Nordrhein-Westfalen ist es kein Strukturförderprogramm.“

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