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Aus der spontanen Hilfe am Bahnhof entstand der Verein „Helping Hands – Blaue Brücke“ in Frankfurt/Oder.

© Linda Fehringer

Als die Not am größten war: Brandenburger Verein will der Zerstörung in der Ukraine etwas entgegensetzen

In Frankfurt (Oder) kamen schon kurz nach dem russischen Überfall die ersten Geflüchteten an. Die spontan Helfenden sind in der Brückenstadt noch immer aktiv.

Von Silvia Passow

„Helping Hands“, nannten sie sich bei ihrer Gründung – weil es schon einige Vereine mit diesem Namen gibt, kam der Zusatz „Blaue Brücke“ dazu, erklärt Lisa Gregor, Vize-Präsidentin des Vereins. „Blaue Brücke“ passt: Die Blaue Brücke verbindet die Grenzstadt Frankfurt (Oder) mit Slubice auf der anderen Uferseite, dem äußersten Westen Polens. Die Frankfurter, sagt Gregor, sind wahrhaftige Europäer, Slubice und Frankfurt verbindet viel mehr als nur der gemeinsame Fluss, die Oder.

Viele Einwohner, sagt die in Frankfurt (Oder) geborene Gregor, sprechen Polnisch, dazu kommen die Studenten der Europa-Universität Viadrina. „Das Polnische ist dem Ukrainischen sehr ähnlich“, sagt Gregor, die selbst auch Polnisch spricht. Die Sprachkenntnisse waren hilfreich, als die ersten überfüllten Züge aus der Ukraine in Frankfurt eintrafen. Gregor gehörte zu den Helfenden der ersten Stunde. „Ich wollte der furchtbaren Zerstörung etwas entgegensetzen“, sagt sie.

Die Dankbarkeit bleibt im Gedächtnis

So wie ihr geht es auch anderen Menschen in Frankfurt (Oder). Man trifft sich am Bahnhof, viele Studenten sind da. Es sind Semesterferien, viele nutzen die Zeit, bieten ihre Hilfe an. Es werden spontan Stullen geschmiert, denn die Menschen in den Zügen hatten Hunger. „Manche hatten seit drei Tagen nichts gegessen“, sagt Gregor. Die Helfenden dürfen die Züge nicht betreten, sie reichen Getränke und Essen durch die einen Spalt breit geöffneten Fenster. „Das war das Schlimmste für mich“, sagt Gregor. Nicht wirklich an die Menschen heranzukommen.

Und beeindruckend: „Diese Dankbarkeit. Die meisten fuhren weiter, nur einige stiegen aus. Wenn die Menschen weiterfuhren, formten sie mit den Händen Herzen oder schenkten uns Luftküsse bei der Abfahrt“, erinnert sich Gregor zurück.

Schwierig sei für sie gewesen, nicht gleich jeden Geflüchteten zu umarmen, sagt Gregor. Sie habe gelernt, mit diesem Bedürfnis umzugehen. „Es geht ja darum, den Leuten auf die Füße zu helfen, nicht auf die Füße treten“, beschreibt sie das. In positiver Erinnerung blieb ihr auch, wie schnell sich die Hilfe einspielte.

Viele der Helfenden gerieten an ihre eigenen Grenzen.

© Linda Fehringer

Zur Hilfe am Bahnhof kam bald ein weiteres Feld hinzu. Schon bald türmten und stapelten sich die Sachspenden, Kleidung, Windeln, Hygieneartikel, so viel, dass ein Lager nötig wurde. Der Verein „Slubfurt“ half aus, berichtet Gregor. „Slubfurt“ ist eigentlich im kulturellen Austausch aktiv. In der Not stellte die Mitglieder ihre Turnhalle zur Verfügung, hier konnten die Hilfsgüter gelagert werden.

Doch es war auch klar, so bleiben konnte das nicht. Das war die Geburtsstunde der „Helping Hand – Blaue Brücke“. Im Frühling gründete sich der Verein, suchte eigene Räume und fand sie, nahe der Blauen Brücke. Vierzehn Mitglieder hat der Verein, dazu kommen noch einmal so viele Unterstützende.

Der Bedarf ändert sich, die Helfenden bleiben am Ball

Die Hilfe am Bahnhof ging schon bald in professionelle Angebote über, Deutsches Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk unterstützten und übernahmen schließlich, erinnert sich Gregor zurück und auch, dass dies gut war. Denn viele der Helfenden waren in der Zeit an ihre eigenen Grenzen gelangt, manche hatten diese auch überschritten, sagt sie. Für den Verein verlagerten sich die Aufgaben, weniger wurden sie nicht.

Im letzten Sommer eröffnete der Verein einen „Charity-Shop“. Waren es zu Beginn der Fluchtbewegungen Kleidung, Nahrung, Getränke, Hygieneartikel, Sim-Karten, die nachgefragt wurden, sind es inzwischen mehr Möbel und Hausrat von Geschirr bis Wäscheständer und Schlafsofa. Der Verein bekommt viele Sachspenden bei Wohnungsauflösungen. „Die haben ja meist einen traurigen Anlass. Es tut den Leuten gut, wenn sie wissen, mit dem Nachlass eines geliebten Menschen noch etwas Gutes tun zu können“, sagt Gregor.

Ein Shop für alle Geflüchteten

Das Angebot im „Charity-Shop“, können nicht nur nach Deutschland Geflüchtete nutzen. Auch aus Slubice und Polen kommen Urkainer:innen, um sich mit dem Notwendigen zu versorgen, sagt Gregor. Der Verein bietet Deutsch-Kurse speziell für ältere Geflüchtete an.

Außerdem sammelt der Verein weiter Spenden für die Menschen, die in der Ukraine ausharren. „Wir fahren bewusst in Regionen, in denen keine der großen Hilfsorganisationen arbeiten. Im Moment sind es Generatoren, Heizstrahler und Powerbanks, die am dringlichsten gebraucht werden“, so Gregor.

Der Verein „Helping Hands-Blaue Brücke“ nimmt für seine Arbeit weiter Sachspenden, besser sind Geldspenden, an. Von denen kann gekauft werden, was gerade aktuell gebraucht wird. Neben Geld für die Hilfsprojekte braucht der Verein auch finanzielle Unterstützung für die Betriebskosten vor Ort.

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