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Waldfriedhof Kleinmachnow: Buch erinnert an Heimatforscher und Schauspieler

Für das Werk spürten die Autoren den Lebensgeschichten der Verstorbenen nach, deren Gräber sich unter großen Kiefern finden.

Kleinmachnow - Es sind Boten aus wärmeren Tagen. Als bunte Tupfer strahlen sie mitten in der herbstlich darniedersinkenden Natur. Umspielt vom gedeckten Grün des benachbarten Laubs leuchten diese Blüten keck den Betrachter an. Ein Violett, ein zartes Rosa, auch Weiß ist dabei. Einige ihrer kleinen farbigen Blätter sind schon herabgefallen und liegen nun auf dem Erdboden. Als ginge es hier, auf dieser Grabstelle des Kleinmachnower Waldfriedhofs, darum, ein Sinnbild zu schaffen. Ein Zeichen für das verblühende Leben. Alles wird am Ende zu Erde. Memento mori – bedenke, dass du sterben musst!

Es ist das Grab von Dieter Mehlhardt, dem 1988 verstorbenen Kleinmachnower Buchhändler und Heimatforscher, das hier an diesem Tag im Oktober mit den Geranienblüten so sinnbildhaft daherkommt. Ein kürzlich vom Kleinmachnower Heimat- und Kulturverein herausgebrachtes Buch erinnert jetzt an eine ganze Reihe von Menschen, die auf dem Waldfriedhof des Ortes ihre letzte Ruhe gefunden haben – so auch an Dieter Mehlhardt.

Auf dem 6,5 Hektar großen Waldfriedhof in Kleinmachnow befinden sich 204 Kriegsgräber. In der Mitte steht ein Holzkreuz.
Auf dem 6,5 Hektar großen Waldfriedhof in Kleinmachnow befinden sich 204 Kriegsgräber. In der Mitte steht ein Holzkreuz.

© Manfred Thomas

Mehlhardt schrieb über Denkmäler und Friedhöfe

Ihn hätte diese Publikation mit dem Titel „Waldfriedhof Kleinmachnow – Gräber unter märkischen Kiefern“ sicher gefreut, wahrscheinlich wäre er mit einem sehr kritischen Blick bei den Recherchen dabei gewesen. Hatte der Heimatforscher doch selbst einst Artikel über brandenburgische Denkmäler, Kirchen und eben auch Friedhöfe verfasst – unter anderem für die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten, wie die PNN früher hießen. Vor allem aber war Mehlhardt Buchhändler, baute die Versandbuchhandlung Natura in seinem Kleinmachnower Wohnhaus auf. Als Präsenzbuchladen führt Mehlhardts Sohn Holger das Geschäft noch heute in Kleinmachnow an einem anderen Standort fort.

Eine interessante Persönlichkeit sei Dieter Mehlhardt gewesen, sagt Axel Mueller. Der Kleinmachnower ist einer der Autoren dieses neuen Buches, in dem 86 der auf dem Waldfriedhof bestatteten Menschen näher vorgestellt werden. Als Hauptautor hat besonders Thomas Kienberg den Lebensgeschichten der Verstorbenen nachgespürt, deren Gräber sich hier unter großen Kiefern finden.

Auch der Heimatforscher Dieter Mehlhardt wurde auf dem Friedhof begraben.
Auch der Heimatforscher Dieter Mehlhardt wurde auf dem Friedhof begraben.

© Manfred Thomas

Das Grab von Mehlhardt wird auch von Rhododendren geziert. An diesem sonnigen Oktobertag steht Axel Mueller davor und schaut sich um. Nicht nur auf dem Grab des einstigen Buchhändlers, auch anderswo wächst hier Rhododendron. Der Friedhof, eigentlich so etwas wie ein Park, sei schon ein Erlebnis, „gerade um Pfingsten herum, wenn es hier so schön blüht“, schwärmt der promovierte Biologe. Dann geht er von Mehlhardts Grab zu einer für Kleinmachnower Verhältnisse geradezu monumentalen Grabanlage, der Ruhestätte der Familie Wever. „Das ist jetzt hier eigentlich die größte Grabstätte“, erklärt Mueller. Auch Walther Wever, unter Hitler Generalstabschef der Luftwaffe, ist dort begraben. 1936 kam er beim Absturz einer Heinkel He-70, die er selbst steuerte, in Klotzsche bei Dresden ums Leben.

Zu Beginn des kleinen Spaziergangs über den Friedhof hatte Mueller die Bestattungsfläche für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten gezeigt. Etwa 200 Gräber seien es, sagt er. Die hier begraben sind, seien gestorben, weil dieses Land einen ganz und gar irren Krieg geführt habe. Die Toten liegen nun vereint unter einem vielleicht knapp vier Meter hohen Holzkreuz, das sich mitten auf dem Gräberfeld befindet. „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“, ein Christuswort aus dem Johannesevangelium, steht auf dem Stein unter dem Kreuz.

Das Buch ist im Merkzettelstil

Bei Muellers Gang über den Friedhof gerät auch das Grab der Schriftstellerin Maxie Wander in den Blick. Nur 44 Lebensjahre waren der 1933 in Wien geborenen Autorin vergönnt. „Bei der Beisetzung unter großer öffentlicher Anteilnahme hält Christa Wolf die Trauerrede“ – so erfährt man es aus dem neuen Friedhofsbuch. Etwa die letzten zwei Jahrzehnte ihres Lebens wohnte Wander in Kleinmachnow. Ihre Kurzvita ist, wie die aller anderen vorgestellten Personen, im Buch lediglich in Stichpunkten niedergeschrieben. Dies mag etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen: Fast ein ganzes Buch im Merkzettelstil.

Wer in dem rund 200 Seiten starken Werk nach einer Information sucht, sieht jedoch so zumindest schnell, ob sie hier zu finden ist. Werke und Ehrungen der Verstorbenen sowie weiterführende Literatur sind in knapper Form ebenfalls aufgeführt. Und Fotos gibt es auch.

Schwester Agnes aus dem gleichnamigen Film von 1975 trifft man in dem Buch ebenfalls wieder. Denn die 1911 geborene Agnes Kraus, die in dem Defa-Streifen die Hauptrolle der Schwester Agnes spielte, war Kleinmachnowerin und ist auf dem Waldfriedhof begraben. Den Buchautoren zufolge wurde Kraus, die 1995 verstarb, durch Bertolt Brecht und Helene Weigel für das Berliner Ensemble entdeckt. Dort spielte sie über Jahrzehnte auf der Bühne und war daneben für die Defa vor der Kamera aktiv.

Axel Mueller ist einer der Autoren des neuen Buches über den Friedhof.
Axel Mueller ist einer der Autoren des neuen Buches über den Friedhof.

© Manfred Thomas

Im Tod sind alle gleich, heißt es. Dennoch mussten die Autoren für ihr Friedhofsbuch eine Auswahl der Personen treffen. Wen also aufnehmen in dieses „Who is who“ der Kleinmachnower Verstorbenen? „Das ist schon ein relativ komplexer Prozess gewesen“, sagt Mueller. Einer der Menschen, bei dem es wohl keinen Zweifel gibt, dass man ihn bei einer Aufzählung der wichtigsten hier in Kleinmachnow bestatteten Personen erwähnen muss, ist indes der Verleger und Dramaturg Walter Janka, einst Chef des Aufbau-Verlages. 

Walter Janka – unter den Nazis im KZ, in der DDR in Haft

Auch er wird in dem Buch vorgestellt – inklusive seiner Verfolgungsgeschichte: Unter den Nazis war Janka in ein KZ gekommen, nahm später aufseiten der Internationalen Brigaden am Spanischen Bürgerkrieg teil. 1956 wurde er aus politischen Gründen in der DDR verhaftet und später zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. 1990 wird Janka rehabilitiert, vier Jahre danach stirbt er. „Eines der tragischsten Schicksale überhaupt, die wir hier in Kleinmachnow haben“, sagt Mueller über Janka. Jedenfalls ein Schicksal, das kann man wohl sagen, in dem sich die Irrungen des 20. Jahrhunderts konturenscharf widerspiegeln.

Hier liegt die Schauspielerin Agnes Kraus.
Hier liegt die Schauspielerin Agnes Kraus.

© Manfred Thomas

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Waldfriedhof Kleinmachnow, 203 Seiten, 12 Euro, erhältlich auf dem Waldfriedhof Kleinmachnow, beim Heimat- und Kulturverein sowie in der Buchhandlung Natura im Adolf-Grimme-Ring 12 in Kleinmachnow.

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