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KulTOUR: Ein Schulze in der Hundehütte

Neue Geschichten aus dem Teltower Land in Guido Zenkerts siebenter Folge des Heimat-Magazins

Region Teltow - Ein Satz wie dieser ist natürlich knallhart: „Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht.“ Na ja, wenigstens fehlt das Ausrufezeichen in Salman Rushdies Existenzial-Verdikt. Der Verleger und Autor Guido Zenkert hat diesen Satz der siebenten Folge seines erfolgreichen Heimat-Magazins „Das Teltower Land“ vorangesetzt. Sicher nicht ohne Grund, denn was man sich nicht erzählt, was man nicht aufschreibt, läuft schnell Gefahr, zu vergehen. Insofern ist die bewährte Autorenschaft dieses so informativen wie gut lesbaren Heftes gleichsam eine Spezies von „Lebensbewahrern“ – mehr in fremder als in eigener Sache.

Zenkert pflegt die Kontakte, hält sie zusammen, ein lobenswertes Unterfangen! Das Teltower Land ist schon deshalb interessant, weil es immer wieder Territorium an Berlin und Potsdam abzugeben hatte, man denke nur an Zehlendorf, Lankwitz, Wannsee und Babelsberg. Ihre alten Geschichten aber bleiben, so sie jemand erzählt.

Zum Beispiel hat man die Drewitzer Dorfkirche zur ältesten Kirche Potsdams gekürt, obwohl der Ort erst 1939 eingemeindet wurde, sie gehörte historisch also zum Teltow. Analog gehören auch Bruno H. Bürgels „Wirken im stillen Babelsberg“ oder der ganz erstaunliche Hohenzollern-Friedhof im Volkspark Glienicke zu dieser Rubrik. Hauptsache sie werden erzählt. Manchmal sind auch Dinge zum Staunen dabei, zum Beispiel im Artikel über das sowjetische Ehrenmal auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde, auf dem 1942 neben deutschen und russischen Soldaten sowie Zwangsarbeitern auch die Urnen von mehr als tausend KZ-Häftlingen aus Sachsenhausen und Wewelsburg beigesetzt wurden.

Über die damals schon zahlreiche Malerschaft im heutigen Potsdam-Mittelmark erfährt man in des Verlegers Artikel über die fast vergessene Prominenz von Kuckucksruh, dem heutigen Kienwerder. Noch eine Künstlerkolonie! Hier sammelten sich in den Dreißiger-Jahren prominente Namen wie Arthus Hämmerer, Klaus Richter, Johannes Poesenecker, Albrecht Bruck und Herbert Enke.

Überhaupt steht auch diesmal wieder der Mensch im Mittelpunkt dieses empfehlenswerten Bandes. Eine ist mit der Geschichte des Kiekebusch-Hofes in Güterfelde verbunden, eine zweite erzählt vom Teltower Hans, der dort 1945 mithilfe einer Freundin die Ankunft der Russen überstand, danach im Westen von den Franzosen in ein Bergwerk gesteckt wurde, wo er umkam. Oder die vom wütenden König im Thümenschen Winkel bei Jütchendorf, das war zur Zeit Friedrich Wilhelm I. Grenzland zu Sachsen. Als dieser erfuhr, wie oft der Dorfschulze Deserteuren über die Grenze half, ließ er ihn verhaften. Auf Gundlings Einspruch wurde sein Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt. An eine Kette gefesselt, musste er den Bassin sauberhalten. Nachts schlief er in einer Hundehütte, wo er auch starb. „Wer seine Geschichte nicht erzählen kann...“

Wem das zu dicke ist, kann über die ältesten Bauerngeschlechter Stahnsdorfs nachlesen, den Spuren des Berliner Hofmalers Wilhelm Hensel folgen, auf den ganz Trebbin stolz ist, oder über den Teltower Friedhof am Weinbergsweg streifen. Sogar ein Artikel zur koniferen Flora des Teltow ist diesmal dabei.

Lesenswert ist mal wieder alles, und auch gut ediert. Den Umschlag ziert eine Herde britischer Kühe bei Löwenbruch. Ob die auch Deutsch verstehen? Wie immer auch, das Heft ist ein ideales Donum zum Fest, und ganz nebenbei: Die Reihe hat Sammlerwert. Gerold Paul

Guido Zenkert (Hrg.), Das Teltower Land, Heimat-Magazin 2014, Ein Lesebuch 140 Seiten, Zenkert Verlag

Gerold Paul

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