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In den Stadtstaaten gibt es besonders viele arme Kinder.

© dpa/Uwe Anspach

Zuwanderung und Kinderarmut: Die Debatte um die Kindergrundsicherung erreicht eine neue Dimension

Im Streit um die Kindergrundsicherung geht es nach Äußerungen des Finanzministers auch ums Thema Zuwanderung. Zudem könnte eine Idee der Grünen für weitere Konflikte sorgen.

Beidrehen wird er nicht. Das hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) deutlich gemacht, als er sich am Sonntag beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung zur umstrittenen Kindergrundsicherung äußerte.

Er sagte, die Kinderarmut sei in Deutschland „indiskutabel hoch“ – aber vor allem „wegen der Familien, die seit 2015 neu nach Deutschland eingewandert sind, als Geflüchtete oder aus anderen Gründen“. Seine Schlussfolgerung: Gerade für diese Familien komme es nicht darauf an, Transferleistungen zu erhöhen, sondern es gehe darum, in die Arbeitsmarktintegration der Eltern und die Bildungschancen der Kinder zu investieren.

Damit rückt er eine politisch brisante Frage in den Fokus: Wie verhält es sich mit dem Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Bürgergeldbezug?

Das sagt die offizielle Statistik

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegen, dass es in den vergangenen Jahren eine Verschiebung gab. Im Dezember 2015, noch bevor sich die Ankunft zahlreicher Geflüchteter in der Statistik niederschlug, lebten in Deutschland knapp 1,8 Millionen Minderjährige dauerhaft von Transferleistungen. Knapp 380.000, also rund jeder Fünfte, hatte eine ausländische Nationalität.

Sieben Jahre später, im Dezember 2022, sah das Bild sehr anders aus: Wiederum lebten knapp 1,8 Millionen Minderjährige von Transferleistungen. Doch nun hatte ziemlich genau die Hälfte eine ausländische Nationalität. Von diesen gut 880.000 Minderjährigen stammten rund 630.000 aus der Ukraine und klassischen Asylherkunftsländern wie Syrien und Afghanistan. Im Umkehrschluss bedeuten die Zahlen: Viele Familien mit deutschem Pass haben es aus dem Transferbezug heraus geschafft.

Lindner hat eine neue Dimension der Debatte eröffnet. Und die könnte sogar noch an Fahrt aufnehmen. Denn es gibt einen Streitpunkt zwischen den Koalitionspartnern, der bisher öffentlich kaum Beachtung fand.

„Unser Ziel als Grüne ist es, dass auch Asylbewerber von der Kindergrundsicherung profitieren.“

Stephanie Aeffner, Berichterstatterin der grünen Bundestagsfraktion für Sozialpolitik

Die Grünen wollen in die Kindergrundsicherung alle Familien einbeziehen, die als Asylbewerber in Deutschland sind. Bisher fallen diese unter das Asylbewerberleistungsgesetz und bekommen reduzierte Sozialleistungen. Nur wer als asylberechtigt anerkannt ist, kann Bürgergeld beziehen. Die Grünen wollen aber zumindest für die Kinder sofort nach der Ankunft in Deutschland den vollen Anspruch auf Kindergrundsicherung. Das war schon einmal Teil des Konzepts, verschwand dann aber auf Druck von FDP und SPD. Nun könnte die Idee wieder auftauchen.

„Unser Ziel als Grüne ist es, dass auch Asylbewerber von der Kindergrundsicherung profitieren. Das ist im Gesetzentwurf noch nicht abgebildet, aber unser Verhandlungsziel“, sagt Stephanie Aeffner, Berichterstatterin der grünen Bundestagsfraktion für Sozialpolitik. „Denn sonst geht für Kinder, die nach Deutschland kommen, viel zu viel Zeit in Armut und ohne Perspektiven verloren.“

Die FDP zweifelt Paus’ Kostenschätzung an

Es ist eine Idee, bei der mit Widerspruch zu rechnen ist. Und dann ist da noch eine ganze Reihe weiterer Streitpunkte. Nicht zuletzt das seit Monaten heftige Gezerre ums Gesamtbudget.

Im Gesetzentwurf von Ministerin Paus ist nun von 3,5 Milliarden Euro Kosten pro Jahr die Rede. Schon das ist deutlich mehr, als Finanzminister Lindner investieren will. Allerdings ist da noch nicht eingerechnet, dass künftig mehr Familien als bisher die ihnen zustehenden Leistungen auch beanspruchen sollen – was das erklärte Ziel der gesamten Reform ist.

„Schon wieder kursieren Zahlen, die mit alten Daten und unklaren Annahmen über den Daumen gepeilt wurden und am Ende nicht belastbar sind“, sagt dazu Martin Gassner-Herz, zuständiger Berichterstatter in der FDP-Bundestagsfraktion. Das Feilschen um Fantasiebeträge lenke ab von der Diskussion darum, „wie wir die Verwaltung fit kriegen, damit das Geld auch zuverlässig bei den Familien ankommt, die es brauchen“.

Klar ist im Moment nur eines: Bis das erreicht wird, sind noch viele Hürden zu beseitigen.

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