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Fachkräfte mit Migrationsgeschichte könnten aus Sicht der FDP in Kitas für Entlastung angesichts des Personalmangels sorgen.

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Exklusiv

Vorschlag der FDP-Fraktion: Fachkräfte, die kaum Deutsch sprechen, sollen Kitas entlasten

Der Personalmangel in Kitas ist dramatisch. Die FDP-Bundestagsfraktion legt nun einen Forderungskatalog vor. Es sind auch unkonventionelle Ideen dabei.

Verkürzte Öffnungszeiten, außerplanmäßige Schließtage, zu große Gruppen: Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern in Kitas und im pädagogischen Bereich allgemein ist enorm. Die FDP-Bundestagsfraktion plädiert nun dafür, Fachkräfte, die kaum oder gar nicht Deutsch sprechen, in Kitas einzusetzen, um dem Personalmangel zu begegnen. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das am Dienstag von der Fraktion beschlossen werden soll und das dem Tagesspiegel vorliegt.

In den vergangenen Jahren seien viele Menschen mit Qualifikation im pädagogischen Bereich nach Deutschland eingewandert, heißt es in dem Papier. Diese Qualifikationen sollten unbürokratisch „möglichst innerhalb von 60 Tagen“ anerkannt werden.

Das Ziel ist auch, bildungsferne Familien anzusprechen

Sprachkenntnisse könnten dann berufsbegleitend erworben werden. Es ist ein bekanntes Problem, dass gerade im pädagogischen Bereich die Anerkennung ausländischer Qualifikationen langwierig und kompliziert ist.

Bitte mehr davon: Ein Erzieher in einer Kita.

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Die FDP-Fraktion schlägt vor, zugewanderte Fachkräfte, die noch nicht ausreichend Deutsch sprechen, befristet in Kitas zu beschäftigen, wo Kinder dieselbe Muttersprache sprechen. Dies solle nur zum Teil auf den Betreuungsschlüssel angerechnet werden, damit genügend andere Fachkräfte da sind, um die Deutschkenntnisse der Kinder zu fördern. Gerade in Vierteln, wo viele Menschen mit Migrationsgeschichte leben, seien mehrsprachige Erzieherinnen und Erzieher von Vorteil, „um bildungsferne Familien anzusprechen und Vorbehalte gegenüber dem Betreuungs- und Bildungsangebot abzubauen“.

Auch plädiert die FDP-Fraktion dafür, international nicht nur zum Beispiel um IT-Profis zu werben, sondern auch um Erzieherinnen. Auf dem wichtigen Web-Portal des Bundes „Make it in Germany“ werde der Mangelberuf Erzieher nicht explizit beworben. Das müsse sich ändern. Es solle zum Beispiel gezielt um Fachkräfte aus Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Slowenien und Montenegro geworben werden. Dort gebe es Fachkräfteüberschuss und eine hohe Qualität in der Ausbildung von Erziehern. Auch für innerdeutsche Quereinsteiger aus verwandten pädagogischen Bereichen solle der Weg in den Beruf erleichtert werden.

Insgesamt enthält das Papier Vorschläge zu sieben Themen. Bei einem weiteren dieser Vorschläge geht es darum, wie in Deutschland angehende Fachkräfte ausgebildet werden. Die Fraktion fordert bundesweit einheitliche Standards für Ausbildungsdauer, zu erwerbende Kompetenzen, Prüfungskriterien und Zulassungsvoraussetzungen für Bewerber. Derzeit ist der Weg in den Beruf regional unterschiedlich geregelt.

Der Bund kann nicht einfach Fakten schaffen

Drittens plädiert die Fraktion dafür, mehr Aufstiegschancen zu schaffen und beispielsweise eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung bundesweit als Zugangsberechtigung zu pädagogischen Studiengängen an den Hochschulen anzuerkennen. Auch solle es mehr Qualifizierungschancen für die Arbeit in den Kitas selbst geben, zum Beispiel durch eine Weiterbildung zur Facherzieherin für Inklusion.

Viertens regt die FDP an, bundesweit die Schulgebühren abzuschaffen und eine Ausbildungsvergütung zu zahlen. In der Tat gibt es noch heute angehende Erzieherinnen, die während ihrer Ausbildung Gebühren zahlen. Fachleute kritisieren das angesichts des dramatischen Personalmangels seit langem. Die Ausbildung ist allerdings landesrechtlich geregelt, sodass der Bund nicht einfach Fakten schaffen kann. Fünftens treten die Liberalen dafür ein, dass Fachschulen und praktische Ausbildungsstätten wie Kitas besser miteinander kooperieren sollen.

Sechstens schlägt die Fraktion vor, das Lehrpersonal in Blick zu nehmen, das angehende Erzieherinnen ausbildet. Es müssten mehr Kapazitäten für die Ausbildung dieses Lehrpersonals geschaffen werden, konkret fordert die FDP mindestens einen weiteren Hochschulstandort pro Bundesland. Außerdem solle bundeseinheitlich ein Qualifikationsniveau festgeschrieben werden.

Eine weitere Idee ist eine Imagekampagne gezielt für Männer

Und schließlich hat die FDP noch einen Vorschlag mit Blick darauf, dass nach wie vor die weit überwiegende Zahl der Fachkräfte Frauen sind: Nach Umsetzung aller anderen Ideen müsse eine bundesweite Kampagne zur gesellschaftlichen Anerkennung des Erzieherberufs her, die insbesondere auf junge Männer abzielt. Das Papier mit den sieben Vorschlägen wird voraussichtlich am Dienstag von der Fraktion beschlossen.

Der Personalmangel in Kitas ist dramatisch und wird das voraussichtlich auf Jahre hinaus bleiben. Ab Jahr 2026 tritt zusätzlich schrittweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule in Kraft, was das Problem massiv verschärfen wird.

Bis zum Jahr 2030 fehlen, je nach Berechnung, zwischen 70.000 und mehr als 100.000 Fachkräfte. Nach Schätzungen der Bertelsmann-Stiftung fehlen bundesweit rund 384.000 Kita-Plätze. In einer Umfrage, die der Deutsche Kitaleitungskongress im Frühjahr 2023 veröffentlichte, gaben 64 Prozent der befragten Kitaleitungen an, im vergangenen Jahr in mehr als 20 Prozent der Zeit in Personalunterdeckung gearbeitet haben. Das bedeutet, dass es weniger Personal gab, als es die Vorgaben, etwa zur Aufsichtsplicht, verlangen.

Der Bund unterstützt die Länder über das Kita-Qualitätsgesetz in den Jahren 2023 und 2024 mit insgesamt rund vier Milliarden Euro. In Teilen investieren die Länder dieses Geld aber nicht in Qualitätserhöhung, sondern in niedrigere Gebühren für die Eltern. Im Koalitionsvertrag verabredet ist außerdem ein Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards. Umgesetzt ist dieser Plan noch nicht.

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