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Politik: USA: Kritisches Jahr für Afghanistan

Washington dringt auf mehr Engagement der Nato-Partner / Kein Verständnis für Zögern bei Tornadoeinsatz

Der Druck auf die Nato-Verbündeten, sich stärker in Afghanistan zu engagieren, wächst weiter. Deshalb kamen am Freitag in Brüssel auf Betreiben der US-Außenministerin Condoleezza Rice nicht nur die 26 Nato-Außenminister zu einem Sondertreffen zusammen, sondern auch die Außenminister aus Japan und Südkorea, die auch Truppen für Afghanistan stellen, dazu der Hohe Repräsentant der EU-Außenpolitik Javier Solana, der afghanische Außenminister sowie Vertreter von Weltbank und Vereinten Nationen.

Die Amerikaner sprechen von 2007 als einem „kritischen Jahr“ für Afghanistan. Noch lähmt der Winter in den Bergen die Kampfhandlungen. Nato-Experten rechnen aber im Frühjahr mit einer Offensive der radikalislamischen Taliban. Die von der Nato geführte Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) will dem zuvorkommen: „Dieses Jahr stellen wir uns auf eine Isaf-Frühjahrsoffensive ein“, sagte Nato-Oberbefehlshaber John Craddock am Freitag. Ähnlich äußerte sich Rice.

Militärisch ganz entscheidend ist dabei die Aufklärung aus der Luft. Die Nato braucht dafür dringend die sechs speziell ausgerüsteten Tornados der Bundeswehr, über deren Entsendung in Deutschland noch heftig diskutiert wird. „Wenn die deutsche Regierung sich entscheiden könnte, würden wir das natürlich sehr begrüßen“, sagte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer am Freitag. Im März sollen die britischen Harrier-Kampfflugzeuge, die bisher im Süden Aufklärungseinsätze übernommen hatten, für andere Aufgaben eingesetzt werden. Sie sind nicht annähernd so gut für die Luftaufklärung ausgerüstet wie die Tornados der Luftwaffe, die aus großen Höhen von mehr als 1000 Metern Tag und Nacht mit präzisen Infrarot-Luftaufnahmen das Terrain genau nach Truppenbewegungen und Schlupfwinkeln absuchen können. Das Risiko für die nur schwach bewaffneten, in großer Höhe fliegenden Aufklärungstornados sei „äußerst gering“, versicherte ein Luftwaffenoffizier in Brüssel. „Die Taliban haben nicht die Waffen, um Flugzeuge in großen Höhen anzugreifen. Bisher sind selbst die langsam und tiefer fliegenden Transportmaschinen noch nie beschossen worden.“ Im Nato-Hauptquartier versteht man deshalb immer weniger den unentschlossenen, zögernden Verteidigungsminister und das Heer der Bedenkenträger in Deutschland. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wies darauf hin, „dass wir die Anfrage zur Kenntnis genommen haben, dass wir gegenwärtig innerhalb der Regierung diskutieren und Regierung und Parlament in Kürze entscheiden werden“.

Condoleezza Rice legte ein Zehn-Milliarden-Dollar-Paket für die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte vor und forderte ein stärkeres Engagement aller Verbündeten. Immer dringender fordert auch der Nato-Oberkommandierende (Saceur), dass sie zu ihren Verpflichtungen stehen und die Lücken schließen. „Seit dem vergangenen Jahr hat sich nichts Grundlegendes verändert“, berichtete resigniert ein Nato-Diplomat im Brüsseler Hauptquartier der Allianz. Nach wie vor hat der Saceur nur rund 80 Prozent der Truppen und Ausrüstungen, die er für Afghanistan braucht. Am Freitag kündigten die Amerikaner allerdings an, dass sie rund 3200 Mann, die eigentlich im Frühjahr abgezogen werden sollten, länger in Afghanistan belassen werden. Da gleichzeitig die frischen Truppen, die im Rahmen der Rotation die US-Einheiten hätten ablösen sollen, eingeflogen werden, bedeutet das eine erhebliche Verstärkung der Isaf. Steinmeier setzt zudem auf eine stärkere Polizeiausbildung durch die Europäische Union. Die afghanische Regierung müsse in die Lage versetzt werden, „die Dinge mehr und mehr in die eigenen Hände zu nehmen“, sagte Steinmeier.

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