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Der Kölner Dom: eine der berühmtesten Kirchen Deutschlands

© dpa/Oliver Berg

Umstrittene Staatsleistungen: Wie lange zahlt der Staat noch Millionen an die Kirche? 

Seit über 100 Jahren sollen die sogenannten Staatsleistungen an die Kirchen abgeschafft werden. Passiert ist bisher nichts. Die Ampel will das ändern. Geht das?

Mittwoch, Haus der Bundespressekonferenz. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wird gefragt, ob der Kanzler an Ostern in die Kirche gehe. Weiß er nicht, das reiche er „gegebenenfalls“ nach. Gesprochen mit einem Ausrufezeichen, nur also, wenn der Bundeskanzler findet, das gehe die deutsche Öffentlichkeit etwas an.

Die Ampel-Regierung ist kirchenferner als ihre Vorgängerin, wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass weder Christdemokraten noch Christsoziale an der Koalition beteiligt sind. Scholz sprach bei seiner Vereidigung den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ nicht, sieben seiner 16 Ministerinnen und Minister taten es ihm gleich.

Doch nicht nur das: Die Ampel-Koalition hat sich vorgenommen, einen Weg zu finden, die sogenannten Staatsleistungen abzuschaffen. Das sind Zahlungen der Bundesländer an die evangelische Landeskirche und die katholischen Bistümer. Zum Großteil sind das Entschädigungszahlungen für Kirchenbesitz, der Anfang des 19. Jahrhunderts säkularisiert wurde.. Über 600 Millionen Euro zahlten die Länder im vergangenen Jahr an die Kirchen.

Woher sollen wir jetzt zweieinhalb Milliarden bekommen?

Winfried Kretschmann, Grünen-Ministerpräsident in Baden-Württemberg

In der Verfassung der Weimarer Republik wurde erstmals festgelegt, dass sie abgeschafft werden sollen, auch im Grundgesetz steht das. Seit über hundert Jahren aber ist nichts passiert. Das will die Ampel ändern. „Wir schaffen in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Bereits 2019 hatten FDP und Grüne, damals beide in der Opposition, gemeinsam mit der Linksfraktion einen Gesetzentwurf dazu eingebracht. Die einmalige Ablösesumme, die der Gesetzentwurf vorsah, betrug das 18,6-Fache des bisherigen jährlich zu zahlenden Betrags.

Die Länder aber sind skeptisch, sie müssten die Zahlung leisten. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte im Januar dieses Jahres, es werde „eine große Herausforderung“, die Staatsleistungen abzulösen. Für Baden-Württemberg wären das zweieinhalb Milliarden Euro. „Woher sollen wir jetzt zweieinhalb Milliarden bekommen?“, fragte Kretschmann, der tiefgläubiger Katholik ist, im Interview mit dem Nachrichtenportal „evangelisch.de“.

Ampel glaubt an Reform

Das Innenministerium hatte im Sommer eine Arbeitsgruppe gebildet, in der Bund, Länder und Kirchen gemeinsam tagten. „Der Prozess zur Ablösung der Staatsleistungen ist auf einem guten Weg“, sagt die religionspolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor. Nun gelte es insbesondere den Bedenken der Länder „hinsichtlich der Finanzierbarkeit zu begegnen, und klarzumachen, dass die Ablösung langfristig auch im Interesse der Länder ist“, sagte sie. Auch Ratenzahlungen sollen zum Beispiel möglich sein.

Obwohl die Länder wenig Interesse an der Reform des Systems haben, hoffen Ampel-Politikerinnen und -Politiker, das Vorhaben umzusetzen. Der religionspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, sagte dem Tagesspiegel, bis 2024 sei das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen.

Dem Vernehmen nach sind es derzeit vor allem die Länder, die bremsen, nicht die Kirchen. Die Prälatin Anne Gidion, die die evangelische Kirche in den Verhandlungen vertritt, sagte dem Tagesspiegel, es gebe „Anzeichen aus verschiedenen Ländern, dass sie einem solchen Gesetz nach Stand der Dinge im Moment nicht zustimmen würden“.

Umsetzung könnte dauern

Gidion betonte, die drohende Verzögerung liege nicht an den Kirchen. „Wir legen allerdings Wert darauf, unsere Arbeitsfähigkeit als Kirchen auch in Zukunft weiter zu erhalten“, sagte sie. Das betrifft besonders die mitgliederschwachen Landeskirchen Ostdeutschlands: Hier machen die Staatsleistungen weiterhin einen erheblichen Teil der kirchlichen Haushalte aus.

Das erzählt auch Justus Geilhufe, Pfarrer im sächsischen Großschirma. „Wir sind in den Dörfern unterwegs, in denen es keine anderen Strukturen mehr gibt“, sagt er. „Ich habe den Eindruck, die Ampel-Regierung weiß gar nicht, was wir alles leisten.“

Nicht nur die Protestanten, auch die Katholiken sind einer Reform gegenüber aufgeschlossen. „Als Kirche stehen wir grundsätzlich bereit, uns an Gesprächen zur Ablösung der Staatsleistungen zu beteiligen, so, wie wir uns auch bisher konstruktiv eingebracht haben“, sagte Matthias Kopp, Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, dem Tagesspiegel.

Die Gespräche zwischen Bund, Ländern und Kirchen sollen laut Innenministerium nun „auf politischer Ebene“ fortgesetzt werden. Es kann also noch dauern, bis mit den Millionenzahlungen Schluss ist.

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