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Ukrainische Soldaten feuern mit Artillerie auf russische Stellungen in der Nähe von Bachmut.

© dpa/AP/Libkos

Ukraine-Invasion Tag 278: Sturm auf Bachmut – Russlands verzweifelte Offensive wird nun noch brutaler

Berichte über Räumung von besetztem AKW, wie Moskau den Süden sichern will, die Lücken in der russischen Verteidigung. Der Überblick am Abend.

Seit Monaten versuchen russische Truppen geradezu verzweifelt und unter hohen Verlusten, die Stadt Bachmut im Donbass einzunehmen. Beobachter rätseln über die genauen Gründe, warum Moskaus Armee - oder besser gesagt, die bis jetzt vor allem in der Gegend eingesetzten Wagner-Söldner - immer noch versuchen, die Stadt einzunehmen. Strategisch hat sie kaum größere Bedeutung.

Lange hieß es, dass der Wagner-Gründer und Chef Jewgeni Prigoschin in Bachmut ein Exempel statuieren will: Schaut, meine Truppen sind in der Lage zu tun, was die normale russische Armee nicht vermag. Mancher Experte sieht Prigoschin schon jetzt als mächtigsten Mann hinter Putin. 

Nun hat die Militärführung in Moskau aber Verstärkung aus dem geräumten Cherson in Richtung Bachmut verlegt. So bleibt der Sturm auf die Stadt nicht mehr nur ein Projekt des Wagner-Gründers.

Und auch die Ukrainer haben laut Berichten von vor Ort ihre Verteidigung mit zusätzlichen Soldaten verstärkt. Die Ukraine setzt laut Berichten auch große Mengen an Artillerie ein, um die Russen zurückzuhalten. Die Fotos aus den verschlammten Schützengräben der Ukrainer nahe der Stadt gingen am Wochenende um die Welt. Sie erinnerten an den furchtbaren Grabenkampf an der Westfront im Ersten Weltkrieg. 

Bemerkenswert damals: Trotz immenser Opfer konnte keine Seite merkliche Gebietsgewinne verbuchen. Genau das scheint auch jetzt das Ziel der Ukrainer zu sein: Russland jeden noch so kleinen Erfolg verneinen, die Verluste an Mensch und Material beim Gegner in die Höhe treiben.

Aber auch die Ukrainer zahlen einen hohen Preis. Die „New York Times“ (Quelle hier) berichtet von allein 240 Verletzten, die am vergangenen Donnerstag in das Militärkrankenhaus von Bachmut eingeliefert wurden. Die Stadt selbst ist mittlerweile weitgehend verlassen. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Kommt eine neue Offensive in Cherson? Zwei Schwächen in der Verteidigung machen die russischen Truppen verwundbar. Mehr hier. 
  • Anzeichen für möglichen Rückzug Russlands aus Saporischschja: Die russischen Truppen könnten das Kernkraftwerk an die internationale Atomenergiebehörde übergeben. Darauf deuten russische Medienberichte hin. Russische Behörden dementierten die Berichte umgehend. Mehr hier.
  • Russland mit schweren Verlusten in Region Donezk: Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Aktuell seien viele russische Gefallene zu verzeichnen. Mehr hier. 
  • Geplante Abrüstungsgespräche zwischen Moskau und Washington zu strategischen Atomwaffen sind kurzfristig verschoben worden. „Russland hat einseitig das Treffen verschoben und erklärt, neue Daten vorzuschlagen“, teilte die US-Botschaft in Moskau der Tageszeitung „Kommersant“ zufolge am Montag mit. Das Außenministerium in Moskau bestätigte die Verschiebung der geplanten Konsultationen. Mehr in unserem Liveblog.
  • Sieben Außenminister der nordischen und baltischen Staaten sind am Montag gemeinsam in die von Russland angegriffene Ukraine gereist. „Wir, die Außenminister von Estland, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen und Schweden, sind heute in Kiew in voller Solidarität mit der Ukraine. Trotz Russlands Bombenhagel und barbarischer Brutalität wird die Ukraine gewinnen“, erklärten mehrere Chefdiplomaten der sieben Staaten im Nordosten Europas wortgleich über Twitter. Dazu stellten sie ein Gruppenbild am Bahnsteig vor einem Zug. 
  • Die Ukraine hat am Montag davor gewarnt, dass Russland eine neue Angriffswelle auf die Energieinfrastruktur des Landes vorbereite. Nach Angaben einer Armeesprecherin wurde kürzlich ein russisches Kriegsschiff mit Raketen an Bord ins Schwarze Meer verlegt. „Dies deutet darauf hin, dass Vorbereitungen im Gange sind“, erklärte die Sprecherin. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Beginn der Woche von einem solchen Angriff geprägt sein wird.“
  • In der Ukraine sind offenbar zwei katholische Ordensleute von russischen Besatzungstruppen verschleppt und inhaftiert worden. Den beiden Redemptoristen-Patres würden „subversive Aktivitäten“ vorgeworfen, zitiert das Portal Vatican News aus einer Mitteilung des griechisch-katholischen Exarchates Donezk. Sie sollen Waffen, Munition sowie Bücher über die Geschichte der Ukraine besessen haben.
  • Entgegen vorheriger Drohungen wird der russische Staatskonzern Gazprom seine Gaslieferungen an die Republik Moldau vorerst eigenen Angaben zufolge nicht weiter kürzen. Das moldauische Energieunternehmen Moldovagaz habe Zahlungsrückstände beseitigt - darunter auch für größere Gasmengen, die nach Moskauer Darstellung zu Unrecht im Transitland Ukraine einbehalten worden seien. 
  • Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat mit der Winterhilfe in der Ukraine begonnen. Nach der massiven Zerstörung der Wasser-, Energie- und Wärmeversorgung unterstütze man die Bevölkerung mit 7000 Heizöfen zum Wärmen und Kochen, 100 Generatoren und mehr als 20 mobilen Tankanlagen, teilte das DRK am Montag mit.
  • Die Kiewer Stadtverwaltung hat ihren Bürgern die Aufstellung von Weihnachtsbäumen versprochen – ungeachtet der anhaltenden russischen Raketenangriffe und der andauernden Stromausfälle. „Wir dürfen (Kremlchef Wladimir) Putin nicht erlauben, unser Weihnachten zu stehlen“, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko in einem am Montag bei der ukrainischen Nachrichtenagentur RBC erschienenen Interview. Zwar werde auf Weihnachtsmärkte und Ähnliches in Kriegszeiten verzichtet, doch wenigstens festlich geschmückte Tannenbäume sollen die Kiewer bekommen. Bezahlt würden diese von Unternehmern, sagte Klitschko.
  • Die USA erwägen Insidern zufolge, die Ukraine mit Waffen zu versorgen, die weit in russisches Gebiet reichen können. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Boeing habe sein System GLSDB (Ground-Launched Small Diameter Bomb) ins Spiel gebracht, bei dem kleine, billige Präzisionsbomben auf zahlreich vorhandene Raketen montiert werden können, hieß es in Industriekreisen. Es handele sich aber um einen von etwa sechs Plänen, wie die Ukraine mit weiteren Waffen versorgt werden könne. Das System von Boeing könnte ab dem Frühjahr 2023 geliefert werden.
  • Nach dem Rückzug aus Cherson beschießen russische Truppen die südukrainische Großstadt nach britischen Angaben täglich mit Artillerie. Am Sonntag sei die Rekordzahl von 54 Angriffen gemeldet worden, teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Allein am vergangenen Donnerstag seien zehn Menschen getötet worden.
  • Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, hat um weitere Unterstützung aus Deutschland gebeten. Sein Land benötige wegen der gezielten russischen Angriffe auf die Stromversorgung Generatoren und auch Transformatoren, sagte Makejew am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“. Daneben gehe es aber auch weiter darum, den Grund der Zerstörung zu bekämpfen. „Deswegen bräuchten wir Luftabwehrsysteme und Waffen“, sagte Makejew.

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