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Am Montag hat es in Kiew schwere Raketenangriffe gegeben.

© dpa / Roman Hrytsyna

Ukraine-Invasion Tag 229: Warum selbst westliche Luftabwehr Putins Raketenterror nicht stoppen wird

Zahlreiche Tote und Verletzte bei Luftangriffen + Laut Putin Reaktion auf „Terroranschläge“ + Internationale Stimmen sprechen von Kriegsverbrechen + Der Überblick am Abend.

Am Montag hat Russland die Ukraine mit breitflächigen Raketenangriffen überzogen. Rund 100 Geschosse wurden vor allem auf größere Städte abgefeuert, zusätzlich wurden laut Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums zwölf Drohnen eingesetzt. 

Fast die Hälfte der Raketen, darunter teure gelenkte High-Tech-Geschosse, aber auch zielungenaue, einfache Raketen, die eigentlich für den Wasser- und Luftkampf vorgesehen sind, konnte die Ukraine nach eigenen Angaben abfangen. Ein Video vom Montag zeigt einen ukrainischen Soldaten, wie er mit einem schultergestützten Rakatenwerfer eine russische Rakete oder Drohne abschießt.

Angesichts der Schwierigkeit, sich gegen Angriffe aus der Luft durch Raketen zu verteidigen, ist das eine durchaus beeindruckend hohe Quote. 

Laut dem österreichischen Militärexperten Gustav Gressel verfügte die Ukraine vor dem Krieg über ungefähr 40 Luftabwehrsysteme, die Raketen verschiedenen Typs abfangen können. Das Problem allerdings: Manche Systeme sind inzwischen zerstört, andere im Osten und Süden der Ukraine eingesetzt, wo sie den ukrainischen Bodentruppen Schutz geben.

Zudem geht Gressel davon aus, dass es der Ukraine inzwischen an Munition für die Luftabwehr fehlt. Auch Kampfflugzeuge wurden in den vergangenen Monaten laut Gressel gegen russische Raketen eingesetzt. 

Gressels Blick auf die nächsten Monate: Die der Ukraine versprochenen Luftabwehrsysteme aus dem Westen (insgesamt zwölf, davon vier aus Deutschland) reichten kaum für den wirksamen Schutz eines so großen Landes.

Außerdem seien sie effektiver gegen Flugzeuge als gegen Raketen einsetzbar. Die einzige Lösung, die Gressel sieht: Mehr Systeme aus den Beständen der europäischen Armeen zu schicken.  Aber selbst die dürften kaum reichen, um die Ukraine zu schützen, auch wenn sie punktuell einen Unterschied machen könnten, schreibt der Ex-US-General Mark Hertling. Sein Fazit: „Es ist unmöglich, die gesamte Grenze der Ukraine mit Luftabwehrsystemen zu bestücken, um die Raketenangriffe zu stoppen.“

Die Systeme seien extrem teuer, extrem komplex zu bedienen und sehr schwer zu unterhalten. Russlands Lufterror in der Ukraine wird also weitergehen. 

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Zahlreiche tote Zivilisten, Strom- und Wärmeversorgung betroffen: Russland hat Ziele in der gesamten Ukraine mit Raketen und Drohnen angegriffen. Der Luftalarm in Kiew wurde erst nach mehr als fünf Stunden gegen 14 Uhr MEZ aufgehoben. Hier der Überblicksartikel zur Situation in der Ukraine am Montag. 
  • Singen in der U-Bahn, kämpferische Parolen: Hier lesen Sie, wie Ukrainer auf den russischen Raketenterror reagiert haben.
  • Belarus und Russland werden nach Angaben des belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko gemeinsame Truppen aufstellen. „Wir haben beschlossen, einen regionalen Verbund der Russischen Föderation und der Republik Belarus aufzustellen“, sagte Lukaschenko am Montag laut der staatlichen belarussischen Nachrichtenagentur Beta, ohne allerdings Angaben zu deren Standort zu machen. Ist das der Anfang vom Kriegseintritt? Mehr hier.
  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Raketenangriffe auf zahlreiche ukrainische Städte als Reaktion auf die „Terroranschläge“ gegen russisches Gebiet bezeichnet. Es seien Objekte der Energieinfrastruktur, der militärischen Steuerung und des Fernmeldewesen mit Hochpräzisionswaffen beschossen worden, sagte Putin am Montag bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates. Die Schläge seien vom Meer, aus der Luft und vom Boden aus erfolgt. Dass unter anderem auch Spielplätze, Menschen auf dem Weg zur Arbeit, eine Universität und zahlreiche Wohngebäude getroffen wurden, sagte Putin nicht. Mehr dazu lesen Sie in unserem Liveblog.
  • Laut Aussagen des ukrainischen Militärgeheimdienstes wurden die Angriffe, anders als vom Kreml dargestellt, schon lange vor dem Angriff auf die Krim-Brücke geplant. Das ukrainische Militär könnte also schon seit einer Weile von den Plänen gewusst und entsprechende Vorbereitungen getroffen haben. 
    Russlands Präsident Wladimir Putin wird nach Angaben des Kreml am Dienstag den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, treffen. Das Gespräch werde in St. Petersburg stattfinden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau. Grossi verhandelt nach eigenen Angaben mit Kiew und Moskau über eine Schutzzone um das von Russland eingenommene ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. 
  • Ein Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) hat die Attacken auf Kiew und andere ukrainische Städte als Kriegsverbrechen bezeichnet. „Diese Angriffe sind barbarische und feige Angriffe“, sagte er am Montag in Brüssel. Sie zeigten nur, dass Russland sich für eine Taktik mit gezielten und wahllosen Bombardierungen der Zivilbevölkerung entschieden habe.
  • Bei den russischen Angriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew ist auch der Standort der Visastelle der deutschen Botschaft getroffen worden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts (AA) in Berlin bestätigte am Montag, dass es zu „Beschädigungen“ an dem Gebäude kam, wie auf Bildern in Online-Netzwerken zu sehen sei. Im sogenannten „101 Tower“ finde aber „seit Monaten kein Dienstbetrieb mehr statt und auch heute morgen waren dort keine Kolleginnen und Kollegen vertreten“, sagte der Sprecher.
  • Der Präsident der Ukraine Selenskyj hat am Montag während breitflächiger russischer Raketen- und Drohnenangriffe auf das Land mit Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron telefoniert. Laut Selenskyj wird es am Dienstag eine Sondersitzung der G7-Staaten geben, bei der auch er selbst sprechen wird. Deutschland hält derzeit den G7-Vorsitz. 
  • Der ukrainische Geheimdienst SBU hat Russlands ehemaligen Präsidenten Dmitri Medwedew zur Fahndung ausgeschrieben. Laut dem am Montag veröffentlichten Aufruf wird Medwedew der Angriff auf die Grenzen und die Souveränität der Ukraine vorgeworfen. Nach Paragraph 110 Absatz 2 des ukrainischen Strafgesetzbuches droht ihm damit als Beamter eine Haftstrafe von fünf bis zehn Jahren. 
  • Nach den russischen Raketenangriffen, die laut ukrainischen Energieministerium Schäden am Netz verursacht haben, gibt einen Stopp der Stromexporte bekannt. Der Export-Stopp sei notwendig, um das eigene Stromnetz stabilisieren zu können, heißt es in einer Mitteilung auf der Website des Ministeriums.
    Der russische Präsident Wladimir Putin hat mit Nachdruck die Beseitigung der Probleme bei der Teilmobilmachung von Soldaten für den Ukraine-Krieg gefordert. Viele Schwierigkeiten hätten sich erst jetzt gezeigt, sagte er am Montag in St. Petersburg bei einer Videokonferenz mit Leitern mehrerer russischer Regionen. 
  • Trotz der ukrainischen Gegenoffensiven im Osten und Süden des Landes hält Russland nach britischer Einschätzung an seinem Angriff im Gebiet Donbass fest. Die Offensivoperationen nahe der Stadt Bachmut hätten für Russland hohe Priorität, teilte am Montag das Verteidigungsministerium in London mit. Die Fortsetzung der „aufreibenden“ Donbass-Offensive trotz des erheblichen ukrainischen Drucks auf die Flanken zeige, wie sehr Russland unter Druck stehe, operative Erfolge zu erzielen, hieß es unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse. 
  • Seit dem Beginn der russischen Invasion sind fast eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland gekommen. Von Februar bis August seien 952.000 Zuzüge erfasst worden, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte.

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