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Flüchtlinge halten sich auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft vor den Zelten auf.

© dpa/Arne Dedert

Update

Streit um Kosten für Flüchtlinge: Die Länder werfen der Bundesregierung falsche Berechnungen vor

Die Bundesländer hätten sich verständigt, dass sich Bund und Länder die Kosten teilen sollten, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Zwischen den Seiten verschärft sich jetzt der Ton.

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Vor den geplanten Bund-Länder-Beratungen zur Flüchtlingspolitik haben die Ministerpräsidenten ihre Forderungen nach finanzieller Unterstützung vom Bund erneuert. „Parteiübergreifend haben sich die 16 Länder verständigt, dass sich der Bund und die Länder die Kosten teilen sollten, also wenigstens 50:50“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“.

Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang unterstützte die Länder bei ihren Forderungen. Es gebe ein gemeinsames Interesse, dass vor Ort gute Lösungen entstehen könnten. „Wenn dafür Unterstützung nötig ist, muss der Bund helfen, auch finanziell“, sagte sie der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“.

Dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei dem Thema auf die Verhandlungen über das neue Asylsystem in Europa verweise, sei zwar wichtig, sagte Lang. „Aber die Verhandlungen werden viele Monate dauern. Das hilft den Kommunen nicht, bei denen es jetzt brennt.“

Der Bund ist bislang weder bereit, seine Zahlungen zu erhöhen, noch ist er an einer Rückkehr zum System der Pro-Kopf-Pauschalen interessiert. Stattdessen wird in einem Entwurf aus dem Kanzleramt für eine Beschlussvorlage zu dem Treffen vorgerechnet, wie viel der Bund jetzt schon zu den Ausgaben mit Flüchtlingsbezug beiträgt.

Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, fordert, die finanzielle Last durch Flüchtlinge gerecht zu teilen.

© dpa/Hannes P. Albert

Zu den in dem Papier enthaltenen Vorschlägen, die für Entlastung sorgen sollen, gehört etwa eine Verlängerung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus von einem auf drei Jahre. Die Idee dahinter: Wenn Menschen mit subsidiärem Schutzstatus nicht mehr jährlich zur Ausländerbehörde müssen, hat das Personal mehr Zeit, sich um andere Aufgaben zu kümmern. Außerdem wird überlegt, wie man Ausländer, die trotz eines Einreiseverbots nach Deutschland gekommen sind, leichter in Abschiebungshaft nehmen kann.

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte der Funke Mediengruppe: „Alle Zahlen zeigen, dass wir uns derzeit in einer außergewöhnlichen Sondersituation befinden durch Flüchtlinge aus der Ukraine. Das muss auch der Bund anerkennen und eine verlässliche, dauerhafte Finanzierung sicherstellen.“

Der neue Regierende Bürgermeister Berlins, Kai Wegner (CDU), forderte im „Spiegel“, die finanzielle Last gerecht zu teilen. Thüringens Innenminister Georg Maier warnte im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), es sei ein gefundenes Fressen für die AfD, wenn die Kommunen Schwierigkeiten bekämen, die Kosten zu bestreiten.

Faeser sieht gute Chancen, innerhalb der EU bald zu einer Lösung in der Migrationspolitik zu kommen. „Die jahrelange gegenseitige Blockade in der EU haben wir schon durchschlagen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Dabei geht es vor allem um den Vorschlag für Asylzentren an den EU-Außengrenzen, von wo Asylbewerber auch zurückgeschickt oder gerecht verteilt werden können.

Internes Papier verschärft Ton zwischen Bund und Ländern

Kurz vor dem Flüchtlingsgipfel werfen die Bundesländer dem Kanzleramt in einem internen Papier falsche Berechnungen vor. Faktisch habe der Bund seine Hilfen in den vergangenen Jahren trotz steigender Flüchtlingszahlen sogar zurückgefahren, heißt es in dem 15-seitigen Papier der Finanzministerkonferenz, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Es war am Sonntagabend vom niedersächsischen Vorsitz des Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an die anderen 15 Länder versandt worden.

Auch die Argumentation, dass der Bund über einen immer geringeren Anteil der Steuereinnahmen verfügt, wird bestritten. „Nach der Abgrenzung der amtlichen Statistik betrug im Jahr 2021 der Anteil des Bundes am Steueraufkommen 41,2 Prozent, während der Länderanteil bei 40,5 Prozent liegt“, heißt es in dem Papier. „Bei allem Verständnis für Unannehmlichkeiten der Finanzpolitik in Zeiten enger werdender finanzieller Spielräume muss der Bund endlich anfangen, seine Haushaltsprobleme in den eigenen Ausgabenpositionen zu lösen und keine Scheindebatte führen, die Länder seien an seinen Haushaltsproblemen schuld.“

Die Bundesregierung lehnt ihrerseits eine von den Ländern geforderte Erhöhung der Zuweisungen mit dem Argument ab, dass laut Grundgesetz Länder und Kommunen zuständig seien und der Bund in den vergangenen Jahren freiwillig Leistungen übernommen habe, die sich im Jahr 2023 über verschiedene Töpfe ohnehin schon auf 15,6 Milliarden Euro belaufen würden.

Der Eingang zu einerAusländerbehörde.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Während der Bund darauf verweist, dass die Zahl der Asylbewerber jetzt etwa auf dem Niveau von 2014 liege - also bevor der Bund massiv in finanziellen Hilfen eingestiegen sei -, wird in dem neuen Länder-Papier anders argumentiert: 2022 habe es zwar mit 244.000 Asylanträgen (Erst- und Folgeanträge) eine geringere Zahl als in den Jahren 2015/16 gegeben. Sie sei aber deutlich höher als in allen anderen Jahren. Zudem wird auf die Dynamik verwiesen: Die Zahl der Asylanträge (ohne Ukraine-Kriegsflüchtlinge) seit 2022 bereits mehr als 20 Prozent höher als 2014 gewesen sei und in den ersten drei Monaten 2023 nochmals 80 Prozent höher als vor Jahresfrist.

In dem Papier wird die Darstellung des Bundes sogar rundweg bestritten: „Der bisherige Höhepunkt von Bundesleistungen an die Länder im Rahmen der Flüchtlingsfinanzierung lag im Jahr 2016 bei 9,1 Milliarden Euro. Im Jahr 2023 gibt der Bund an Länder fluchtbedingte Leistungen von insgesamt 2,75 Milliarden Euro. Im Jahr 2024 fällt der Betrag auf 1,25 Milliarden Euro und bleibt nach geltendem Recht unverändert auf diesem Niveau.“

Die Länder fordern vom Bund unter anderem eine Rückkehr zu einer Fallpauschale pro Flüchtling. Statt der früheren Pauschale von 670 Euro monatlich wollen sie aber nun einen höheren Betrag. „Aus einer Aktualisierung auf der jüngsten Datengrundlage ergäbe sich ein Betrag von ca. 1000 Euro je Flüchtling“, heißt es in dem Papier.

Beim Ratstreffen der EU-Innenminister am 8. Juni geht es um die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Vor allem Staaten an den EU-Außengrenzen wie Italien und Staaten wie Deutschland, die das Ziel vieler Asylbewerber sind, haben mit Blick auf die Europawahlen im kommenden Jahr großes Interesse, dazu bald eine Einigung zu erzielen. (dpa, Reuters)

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