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Was braucht es, um Kinder in Deutschland abzusichern?

© Friso Gentsch/dpa

Streit um die Grundsicherung: Es geht um vieles – nur nicht um Kinder

Die Ampel gibt im Streit um die Kindergrundsicherung ein Armutszeugnis ab. Auch weil sie diejenigen aus dem Blick verliert, um die es gehen sollte.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Es geht ums Geld. Logisch. Darum geht es in der Politik meistens, weil es nun mal ein wichtiges Steuerungselement ist. Aktuellstes Beispiel ist die sogenannte Kindergrundsicherung. Ab 2025 sollen diverse finanzielle Hilfen für Kinder und ihre Familien gebündelt werden, damit die Antragstellung deutlich vereinfacht wird und somit hoffentlich mehr Menschen das Geld, was ihnen eigentlich zusteht, auch beantragen.

Dass der Weg notwendig ist, zeigen die Zahlen. Fast drei Millionen Kinder sind in Deutschland von Armut betroffen. Für eines der reichsten Länder der Welt ein unhaltbarer Zustand. Betroffen oder bedroht von Kinderarmut in Deutschland sind vor allem Alleinerziehende, Familien mit vielen Kindern, aber auch Familien mit Migrationshintergrund.

Doch das, was die Betroffenen nun in der Debatte erleben, ist ein politisches Armutszeugnis. Ein Ampelstreit – hauptsächlich ausgetragen zwischen Grünen und FDP und laufen gelassen von der SPD –, der den Kindern bisher kein bisschen hilft. Im Gegenteil.

Denn um die, um die es im Kern bei der Sache gehen soll, geht es mal wieder am allerwenigsten: die Kinder selbst. Kinder kommen gerade aus einer Pandemie, in der sie besonders betroffen waren durch Kita-, Schul- und Spielplatzschließungen. Aus einer Zeit, in der nicht alle Eltern die sozialen Verluste und Wissensrückstände alleine zu Hause aufholen konnten. Oder wo die Eltern selbst überfordert waren mit der Pandemiesituation.

Jetzt müssen sie und ihre Eltern wieder miterleben, wie auf dem Rücken der Kinder ein politischer Streit ausgefochten wird, bei dem es letztlich um Parteitaktik geht und nicht so sehr um Kindeswohl. Natürlich ist das immer auch das Wesen von Politik. Denn Parteien und ihre Vertreter in Parlamenten und Ministerien müssen ein Interesse haben, die nächste Wahl zu gewinnen, ihre Wählerinnen und Wähler nicht zu enttäuschen. Aber sie haben eben auch einen gesellschaftlichen Auftrag abseits der eigenen Parteiinteressen. Und dem werden SPD, Grüne und FDP hier nicht ganz gerecht.

Was heißt Kindergrundsicherung eigentlich genau?

Man kann sich die Frage stellen, was Kindergrundsicherung eigentlich genau bedeutet? Es geht dabei nicht nur um eine finanzielle Absicherung, um Transferleistungen. Zu einer Grundsicherheit unserer Kinder gehört in erster Linie ein funktionierendes Bildungswesen – angefangen in der Kita und fortgesetzt in der Schule. Sind die Einrichtungen so, dass man gerne dort hingeht? Verdienen diejenigen, die sich um unsere Kinder kümmern, genug? Gibt es genug Anreize, um Erzieher oder Lehrerberufe auszuüben?

Aber auch kulturelle Förderung gehört dazu. Haben alle Kinder unabhängig von sozialer oder faktischer Herkunft genug Möglichkeiten, an Kultur teilzuhaben?

Erleichterungen für Eltern sind ebenfalls Teil einer Absicherung der Kinder – insbesondere für Alleinerziehende. Anträge, die schnell und unkompliziert erfasst und genehmigt werden. Flexible Arbeitszeiten, aber auch Anreize und ja, auch Pflichten, einer Arbeit überhaupt nachzugehen.

Und sehr grundsätzlich: Finden Kinder überhaupt ein gesellschaftliches Klima vor, in dem sie willkommen sind? In dem Kinder nicht als störend empfunden werden, sondern als Bereicherung?

Viele ideologische Grabenkämpfe in der Bildung

Man kann diese Fragen in Deutschland sicher nicht alle mit „Nein“ beantworten. Denn Deutschland ist kein kinderunfreundliches Land. Es wird viel getan.

Aber mit einem entschiedenen „Ja“ kann man auf diese Fragen eben auch nicht reagieren. Die meisten Debatten drehen sich um finanzielle Transferleistungen, und beim Thema Kita, Schule, Vergütung und Ausstattung der Einrichtungen tritt Deutschland seit Jahren auf der Stelle, verloren im Dickicht zwischen Bund-Länder-Konflikten, ideologischen Grabenkämpfen und schlicht einem politischen Unwillen.

Die Ampel ist gut beraten, hier endlich im konkreten Fall Klarheit herzustellen. Gerade die SPD sollte sich ihrer Verantwortung hier bewusst sein und rauskommen aus der taktischen Deckung, um dem Streit ein Ende zu setzen. Aber vor allem sollte die Koalition nicht bei der Frage der finanziellen Transferleistungen stehen bleiben, sondern sich auch den strukturellen Themen der Grundsicherheit unserer Kinder annehmen.

Aber natürlich: Auch dabei wird es wieder um Geld gehen. Das aber gut angelegt ist.

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