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Keine Abschiebung. Situation von Gesundheit abhängig.

© Foto: picture alliance / Sebastian Willnow/dpa

Menschenrechtler kritisieren Abschiebepraxis: Selbst krank nicht mehr sicher

Institut für Menschenrechte legt jährlichen Bericht zur Menschenrechtssituation in Deutschland vor

„Die Qualität des Menschenrechtsschutzes bemisst sich gerade daran, ob die Rechte der Schwächsten geachtet und geschützt werden“, erklärte Beate Rudolf, die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte am Dienstag in der Bundespressekonferenz. Dort stellte das Institut seinen fünften Bericht zur Entwicklung der Situation der Menschenrechte in Deutschland vor und machte deutlich: Es ist noch viel zu tun.

Der Bundestag solle klarstellen, dass Eltern der Kontakt zu ihren erkrankten Kindern nicht verboten werden darf – weder im Krankenhaus noch bei Quarantäne, forderte Rudolf. Ebenso sollte vorgeschrieben werden, dass Pflegeheime Besuchsverbote nur nach Abstimmung mit dem Gesundheitsamt verhängen dürfen. Ein großes Problem sei auch, dass es in der aktuellen Situation obdachlosen und wohnungslosen Menschen nicht möglich sei, ihr Recht auf einen wirksamen Schutz vor Covid-19 in Anspruch zu nehmen.

Schwerwiegende Schutzlücken bei Abschiebungen

Vertieft befasst sich der diesjährige Bericht des Instituts mit zwei Themen, die Menschen in verletzlichen Lebenssituationen in den Blick nehmen. „Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, dürfen nicht abgeschoben werden, wenn sich ihr Gesundheitszustand dadurch gravierend verschlechtern wird oder gar ihr Leben gefährdet ist“, fordert Rudolf.

„Dies verbieten die Grund- und Menschenrechte und das völkerrechtliche Verbot der Zurückweisung.“ In der Praxis gäbe es Hinweise auf schwerwiegende Schutzlücken: Betroffene, die ihre Erkrankung den Behörden nachweisen müssen, um nicht abgeschoben zu werden, scheiterten oft an zu kurzen Fristen, aber auch an bürokratischen, sprachlichen und finanziellen Hürden.

Behörden tragen Sachaufklärungspflicht

„Um eine Erkrankung nachzuweisen, muss man einen Facharzt finden, gegebenenfalls einen Dolmetscher, für psychische Gutachten fallen erhebliche Kosten an“, bemängelte Rudolf das derzeitige Vorgehen. „Die Behörden haben eine Sachaufklärungspflicht, die sie nicht auf die Betroffenen abwälzen dürfen. Der Staat hat eine Schutzpflicht und muss gründlich prüfen, ob ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vorliegt.“ Als unverhältnismäßigen und schweren Eingriff in die Rechte der Betroffenen bewertete das Institut Abschiebungen aus der stationären Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Psychiatrie.

Dass vielen Jugendlichen mit Behinderung wegen Ausbildungen ohne anerkannte Abschlüsse der Übergang in den regulären Arbeitsmarkt verwehrt bleibe, bildete den zweiten Schwerpunkt des Berichts. 80 bis 90 Prozent der Jugendlichen mit Behinderung absolvieren derzeit Ausbildungen in „Sonderformen“.

Regulärer Arbeitsmarkt bleibt Jugendlichen mit Behinderungen verwehrt

„Inklusive Ausbildung muss in der Schule anfangen“, forderte die Institutsdirektorin. „Gesetzgeber, Schulen, Arbeitsagenturen und Unternehmen müssen von den Jugendlichen aus denken, ihrem Recht auf inklusive Berufsausbildung aus der UN-Behindertenrechtskonvention.“ Dazu müssten Ausbildende im Umgang mit Jugendlichen mit Behinderungen geschult werden. Zwei parallele Ausbildungssysteme – eines für Menschen ohne und eines für Menschen mit Behinderungen – seien mit den menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nicht vereinbar.

Lea Schulze

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