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Die CDU in Hessen mit Ministerpräsident Boris Rhein will künftig mit der SPD statt mit den Grünen regieren.

© dpa/Andreas Arnold

Update

Rhein setzt auf Schwarz-Rot: CDU-Chef will in Hessen den Koalitionspartner wechseln – Grüne vergrätzt

Nach zehn Jahren Schwarz-Grün: Die CDU in Hessen soll künftig mit der SPD regieren. Die SPD stimmt einstimmig für Koalitionsverhandlungen. Faeser will Bundesinnenministerin bleiben.

| Update:

Die hessische CDU will als Siegerin der Landtagswahl mit der SPD Koalitionsverhandlungen beginnen. Das teilte CDU-Landeschef und Ministerpräsident Boris Rhein am Freitag in Wiesbaden mit. Bislang regiert die CDU in Hessen seit rund einem Jahrzehnt mit den Grünen zusammen. Zum ersten Mal seit 70 Jahren in Hessen solle dies nun in einer christlich-sozialen Koalition erfolgen, sagte Rhein.

„Wir wollen als CDU den Versuch unternehmen, in Hessen eine Regierung mit den Sozialdemokraten zu bilden“, kündigte Hessens Ministerpräsident und CDU-Chef Boris Rhein am Freitag an. Diese Entscheidung sei einstimmig in den CDU-Gremien gefallen. Es wäre das erste CDU-geführte schwarz-rote Bündnis der Landesgeschichte. Der neue 21. hessische Landtag konstituiert sich am 18. Januar 2024

SPD stimmt für Koalitionsverhandlungen

Einstimmig haben die Gremien der hessischen SPD die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU beschlossen. Das teilte ein Parteisprecher nach einer gemeinsamen Sitzung von Parteirat und Landesvorstand der SPD am Freitagabend in Kassel der Deutschen Presse-Agentur mit. SPD-Landeschefin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser habe anschließend CDU-Ministerpräsident Boris Rhein telefonisch darüber informiert.

Faeser hatte ihrer Partei zuvor diese Entscheidung empfohlen. „Denn eine Beteiligung an der nächsten Landesregierung gibt uns die Chance, in der kommenden Wahlperiode sozialdemokratische Positionen in praktische Politik für Hessen zu übersetzen“, erklärte die einstige SPD-Spitzenkandidatin in Hessen. Nach erneuten Gremiensitzungen beider Parteien am Montag sollen am Dienstag ihre Koalitionsgespräche beginnen.

Rhein dankte den Grünen. „Wir haben zehn gute Jahre hinter uns“, sagte er in Wiesbaden. „Wir haben in diesen zehn Jahren enorm viel erreicht.“ Gemeinsam habe man sehr erfolgreich für Hessen gearbeitet und wolle nun darauf aufbauen. Die Zusammenarbeit sei von großer Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit geprägt gewesen. „Wir haben uns diese Entscheidung alles andere als leicht gemacht“, sagte Rhein. 

Ein Programm für Vernunft im Umgang mit der Migration. Besonnen, nie mit Schaum vorm Mund. Aber doch mit sehr klaren Entscheidungen und mit auch sehr klaren Weichenstellungen.

Boris Rhein, CDU-Chef in Hessen

Ziel sei nun, gemeinsam mit der SPD ein christlich-soziales Programm zu schreiben, das Vernunft und Fortschritt miteinander verbinde. „Ein Programm für Vernunft im Umgang mit der Migration. Besonnen, nie mit Schaum vorm Mund. Aber doch mit sehr klaren Entscheidungen und mit auch sehr klaren Weichenstellungen“, sagte Rhein.

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Boris Rhein kann sich in Hessen den Koalitionspartner aussuchen

„Die Schnittmengen sind derzeit mit der Sozialdemokratie einfach größer“, sagte er weiter. „Jede Zeit hat ihre Herausforderungen.“ Er verwies auf die aktuell vielen Krisen. „Heute stehen Themen im Fokus, wo wir eine Koalition aus der Mitte heraus bilden müssen.“

Es sei ein guter Weg, wenn sich nun eine christlich-soziale Koalition der Volksparteien Themen wie der Inneren Sicherheit oder der Migration annehme. Mit der SPD sei eine stabile Koalition möglich. „Das ist der Grund, warum wir uns für die SPD entschieden haben und nicht gegen die Grünen.“

Bundeschef der Grünen Nouripour verärgert

Rhein weiter: „Die Grünen seien in den Sondierungsgesprächen weit auf die CDU zugegangen“, sagte Rhein. „Aber am Ende hat es nicht gereicht.“

Der Co-Bundeschef der Grünen-Chef, Omid Nouripour, reagierte verärgert. „Die Entscheidung der hessischen CDU, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Grünen aufzugeben, ist für mich nicht nachvollziehbar“, erklärte Nouripour, der seinen Wahlkreis in Frankfurt hat, am Freitag in Berlin. „Die vergangenen zehn Jahre waren geprägt von stabiler und vertrauensvoller Regierungsarbeit in turbulenten Zeiten“, erklärte Nouripour.

Es habe auch keine Wechselstimmung gegeben in Hessen. „Offensichtlich regiert Boris Rhein lieber mit einer geschwächten SPD“, sagte er über den CDU-Landeschef und Ministerpräsidenten. Dass jede Krise in Deutschland „so durchschlägt“, liege auch an der Politik der großen Koalitionen der vergangenen Jahre. Hessen habe eine bessere Regierung verdient als eine kraftlose große Koalition.

Offensichtlich stand der Plan zum Wechsel schon lange fest.

Die Landesvorsitzenden der Grünen in Hessen

Als „völlig unverständlich“ bezeichneten auch die hessischen Grünen die Entscheidung der CDU. „Die Entscheidung der CDU kommt nicht überraschend. Denn wer eine erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen will, der braucht keine fünf Wochen langen Sondierungsgespräche“, teilten die Landesvorsitzenden Sigrid Erfurth und Sebastian Schaub sowie Landtagsfraktionschef Mathias Wagner am Freitag in Wiesbaden mit. „Offensichtlich stand der Plan zum Wechsel schon lange fest.“

Das schwarz-grüne Bündnis habe zehn Jahre lang „erfolgreich, verlässlich und vertrauensvoll“ Hessen regiert. „Auch für die kommenden fünf Jahre hätten wir uns auf ein ambitioniertes und innovatives Regierungsprogramm verständigen können.“

Rhein sagte, die Leitlinien für eine Koalition mit der SPD seien sehr klar. „Wir arbeiten für einen starken Staat, wir arbeiten für eine stabile Wirtschaft und wir arbeiten für eine sanfte Erneuerung.“

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CDU-Fraktionschefin Ines Claus nannte als ersten Punkt die Migration. „In der neuen Regierung bekennen wir uns klar zu einer Begrenzung der Zuwanderung, zum Schutz der Binnengrenzen, zu einer echten Abschiebeoffensive, zu Integrationspflichten und wollen und werden keine weiteren Anreize für irreguläre Zuwanderung setzen“, sagte Claus.

Die neue Koalition werde sich zu einer aktiven Wirtschafts- und Industriepolitik bekennen, den Kommunen zur Seite stehen und ein Sicherheitspaket schnüren, das auch Videoüberwachung betreffe.

Rhein sagte, er wolle die Entscheidung nicht als Signal für die Bundespolitik verstanden wissen. „Aus meiner Sicht ist das auch kein Signal für Deutschland oder was auch immer“, sagte Rhein. Es sei eine hessische Entscheidung.

Merz habe auf Hessen keinen Einfluss genommen, so Rhein

„Was der Bund macht und welche Entscheidungen im Bund getroffen werden, das muss Friedrich Merz mit dem Bundeskanzler und dem Parteivorsitzenden der Sozialdemokratie entscheiden“, sagte Rhein. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Auf die Entscheidung in Hessen habe CDU-Chef Merz keinen Einfluss genommen.

Die Entscheidung der Christdemokraten für einen möglichen Partner auf der Regierungsbank in Wiesbaden war seit Wochen mit Spannung erwartet worden.

Nancy Faeser will nicht nach Hessen wechseln

Kurz nach der Landtagswahl am 8. Oktober hatte die CDU begonnen, in Sondierungsgesprächen mit Grünen und SPD vertraulich inhaltliche Schnittmengen für ein mögliches neues Regierungsbündnis auszuloten. Rhein betonte wiederholt, diese Gespräche verliefen sehr konstruktiv und in guter Atmosphäre.

Schon vor der Wahl hatte der CDU-Landesvorsitzende der Deutschen Presse-Agentur gesagt, jenseits des „sehr konstruktiven, sehr vertrauensvollen“ Bündnisses mit den Grünen habe er immer auch den Kontakt zur SPD mit Landeschefin Nancy Faeser gepflegt. Es gebe mit der SPD „ähnliche Erfahrungswelten als Volkspartei“.

Faeser will nach der Entscheidung der hessischen CDU nicht in die Landespolitik wechseln. Einen solchen Schritt schließe sie aus, sagte die SPD-Politikerin, die bei der Landtagswahl als Spitzenkandidatin angetreten war, in Berlin. „Ich bleibe Bundesinnenministerin.“ Sie habe in der Bundesregierung eine wichtige Aufgabe, zudem gelte für sie: „Immer erst das Land, dann die Partei“. Auch Faeser wies den Eindruck zurück, dass die Bildung der schwarz-roten Regierung ein Signal für den Bund gewesen sei.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will ihr Amt in Berlin weiterführen.

© dpa/Kay Nietfeld

Es gebe ein gutes Arbeitsklima mit der CDU, beide Parteien stimmten offensichtlich bei mehreren wichtigen Themen für Hessen überein. So habe man sich mit der CDU bereits auf eine Erweiterung von Kita-Plätzen und mehr Personal in den Kitas verständigt. Auch die Zukunft des Industriestandorts und die Situation der Beschäftigten im öffentlichen Dienst beschäftigten beide Parteien gleichermaßen. 

Die CDU konnte sich als deutliche Wahlsiegerin aussuchen, ob sie erneut mit den Grünen oder mit der SPD ein Regierungsbündnis schmiedet. Die FDP, mit der die CDU ebenfalls kurze Zeit sondierte, ist dafür rechnerisch nicht nötig.

Grüne, Sozialdemokraten und Liberale hatten allesamt Stimmen verloren im Vergleich zur Landtagswahl 2018. Mit der deutlich erstarkten rechtspopulistischen AfD schließt die CDU eine Zusammenarbeit aus. Der neue 21. hessische Landtag konstituiert sich am 18. Januar 2024. (dpa, AFP, Reuters)

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