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Lena Kreck (Die Linke), Berliner Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung.

© Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Rausschmiss von Richterin: Justizsenatorin Kreck geht an die Grenze

Eine Richterin und AfD-Politikerin soll in den Ruhestand, weil sie im Bundestag Unsinn über Flüchtlinge erzählt hat. Der Fall ist alles andere als klar.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Sachsens Justiz hat den Fall des AfD-Politikers und Richters Jens Maier, der es als Ehre empfinden würde, wenn man ihn einen überzeugten Rechtsextremisten, Rassisten und durch und durch politisierten Richter nennt. Berlin hat, ja wen? Berlin hat Frau M.-W., Richterin am Landgericht und – wie Maier – eine AfD-Politikerin, die nach der Wahl im vergangenen Jahr aus dem Bundestag geflogen ist. Bei beiden muss die Justiz damit leben, dass die gelernten Richter wieder richten wollen. Sie haben einen Anspruch darauf.

Am Donnerstag verhandelt das Richterdienstgericht

Maier ist das Führen seiner Dienstgeschäfte durch richterlichen Beschluss dennoch untersagt. Demnächst soll über seine Versetzung in den Ruhestand entschieden werden. Bei Richterin M.-W. ist es am Donnerstag so weit. Dann verhandelt das Richterdienstgericht, das in Berlin beim Verwaltungsgericht angesiedelt ist, über den Antrag von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke), die Endfünfzigerin vorzeitig in Pension zu schicken.

Ein Richter (. . .) kann in den Ruhestand versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten (. . .).

Deutsches Richtergesetz

Nach dem Richtergesetz kann ein Richter in den Ruhestand versetzt werden, „wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden“. Das droht bei Richterin M.-W., findet Kreck. Laut Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung, die Antragsgegnerin habe sich während ihres Bundestagsmandats in Plenardebattenbeiträgen und über Social-Media-Plattformen „in ausgrenzender Weise und mit konstruierten, offensichtlich falschen Behauptungen zu Flüchtlingen geäußert“. Die Öffentlichkeit nehme dies als Sympathie für rassistisch-diskriminierende Konzepte wahr, weshalb sie nicht mehr glaubwürdig Recht sprechen könne.

Frau M.-W. wäre keine Juristin, würde sie dies so auf sich sitzen lassen. Sie meldete sich kurzerhand beim Verwaltungsgericht und bat darum, fairerweise auch noch ihre Rechtsansicht zu veröffentlichen: Sie weise darauf hin, dass die von ihr im Deutschen Bundestag gehaltenen Reden sowie deren Inhalt nach Artikel 46 Absatz 1 des Grundgesetzes dem freien Rederecht als Abgeordnete unterliegen. Und sie wirft Kreck vor, ihre über Social-Media-Plattformen verbreiteten Äußerungen ,‚verstümmelt“ wiedergegeben zu haben.

Am besten wäre es, wenn Richter nichts anderes sprächen außer Recht.

Rechtsprechung kann nur funktionieren, wenn die, die sie anrufen, auf ihre Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit vertrauen können. Am besten wäre es daher, wenn Richter nichts anderes sprächen außer Recht. Das aber wäre mit demokratischen Prinzipien unvereinbar, wonach man sich politisch betätigen und öffentlich frei reden können muss. Vor allem im Bundestag. Hier gilt der von der Berliner Richterin zutreffend benannte Grundsatz der „Indemnität“: Ein Abgeordneter darf für Äußerungen, die er im Bundestag getätigt hat, weder gerichtlich noch dienstlich verfolgt werden. Ausnahme: „Verleumderische Beleidigungen“.

Das ist kein Freibrief, sondern ein Appell, sich selbst die nötigen Grenzen zu ziehen. Auch ein Mandatsträger, der sonst Amtsträger ist, sollte zusehen, sich soweit im Zaum zu halten, dass er nicht in Konflikte mit Behörden gerät. Umgekehrt müssen Behörden den Eindruck vermeiden, Beamte oder Richter, die Politik machen, eben dafür zu bestrafen. Machtkontrolle im gewaltengeteilten Staat ist wesentlich Selbstkontrolle.

Richter Maier hat sie irgendwann verloren. Der AfD-„Flügel“-Fan feierte sich und seinesgleichen sogar als „AfD-Richter“, womit er unmittelbar seine Ideologie mit seiner Amtsausübung verband. Von der Berliner Richterin, über deren politische Einlassungen man mindestens den Kopf schütteln muss, sind solche Entgleisungen bisher nicht bekannt. Senatorin Kreck bringt hier offensichtlich einen Grenzfall zur Anklage. Tut sie das, um Grenzen zu verschieben? Dann wäre es am Dienstgericht, sie in ihre zurückzuweisen.

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