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Kanzler Olaf Scholz wird vor dem G20-Gipfel auf Bali nach Vietnam und Singapur reisen.

© Foto: Michael Kappeler/dpa

Putin kommt nicht : Wie die Sherpas versuchen, die G20-Spaltung abzuwenden

Wladimir Putin schickt lieber seinen Außenminister zum vielleicht bisher wichtigsten G20-Gipfel. Hinter den Kulissen wird um einen Umgang mit dem Krieg gerungen.

Der Sherpa von Olaf Scholz ist bereits nach Bali gereist, zu viel ist ungeklärt. Ein Zerstreiten der G20 auf offener Bühne soll verhindert werden, doch die Fronten sind verhärtet. Sein Staatssekretär Jörg Kukies wird bis zum Eintreffen der Staats- und Regierungschefs viel zu tun haben, die G20-Staaten sind gespalten bei der Haltung zum russischen Krieg in der Ukraine.

„Im Kommuniqué sind viele Punkte noch offen“, heißt es in deutschen Regierungskreisen ernüchtert. Die Sherpas, sie nennen sich im G20-Kreis selbst so, sind die Unterhändler, die versuchen, die Positionen der 20 Staaten, die 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung ausmachen, unter einen Hut zu bekommen, das ist angesichts der Weltlage mehr als kompliziert.

Erst wird Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Samstag nach Vietnam reisen, dann nach Singapur, von dort auf die indonesische Insel Bali, wo am 15. und 16. November einer der vielleicht wichtigsten G20-Gipfel stattfinden wird. Westliche Staaten ringen darum, möglichst viele Länder zu einem Abrücken von Russland zu bewegen. Dabei setzen sie auf bisherige Partner Russlands wie Indien und China, um den Druck auf Präsident Wladimir Putin so zu erhöhen, dass er seine Truppen zurückzieht und auf nukleare Eskalation verzichtet. 

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Putin schickt Lawrow

Für die russische Seite verhandelt Svetlana Lukash als Sherpa, bevor der Krieg begann, postete sie bei Twitter Bilder mit Sherpa-Kollegen wie dem Argentinier Jorge Argüello, seit Februar sind solche Bilder nicht mehr zu sehen - in den Vorverhandlungen soll sie eisern die russischen Versionen zur „Spezialoperation“ in der Ukraine im G20-Kreis verteidigt haben. Nachdem wochenlang gerätselt wurde, ob Putin nach Bali kommt, hat Moskau nun mitgeteilt, dass er nicht anreist.

Sergej Lawrow und Wang Yi, Außenminister von China, unterhalten sich beim G20-Außenministertreffen.
Sergej Lawrow und Wang Yi, Außenminister von China, unterhalten sich beim G20-Außenministertreffen.

© Uncredited/Russian Foreign Ministry Press Service/AP/dpa

Stattdessen kommt wie schon zum G20-Außenministertreffen der russische Außenminister Sergej Lawrow zu dem Treffen der 20 großen Industrienationen. Putin war zuletzt beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit Mitte September zu Gast. Dort wurde sein Handeln zwar nicht öffentlich verurteilt, aber einige Staatschefs ließen ihn warten oder zeigten mit anderen Gesten, was man von seinem Agieren hält. 

Für den Kanzler ist es seine Premiere, beim letzten G20-Gipfel in Rom fehlten viele Staats- und Regierungschefs wegen der Pandemie, damals stand die globale Impfkampagne und das Ziel einer Impfquote von 70 Prozent noch im Fokus, Kanzlerin Angela Merkel nahm ihren damaligen Finanzminister Scholz zu Treffen wie mit US-Präsident Joe Biden mit. Es war das Symbol einer vorbildlich demokratischen Machtübergabe, ein Jahr später liegt die Weltordnung zumindest in Europa in Trümmern.

Ein historisches Bild: Kanzlerin Angela Merkel stellt US-Präsident Joe Biden beim G20-Gipfel in Rom ihren Nachfolger Olaf Scholz vor.
Ein historisches Bild: Kanzlerin Angela Merkel stellt US-Präsident Joe Biden beim G20-Gipfel in Rom ihren Nachfolger Olaf Scholz vor.

© Oliver Weiken/dpa

Scholz will die Aussagen Russlands zu widerlegen

Scholz versucht seit Monaten im Gespräch mit Staats- und Regierungschefs aus Indien, Indonesien, Südafrika, dem Senegal und nun auch Vietnam, die russischen Narrative zu widerlegen, hat einige bewusst auch im Juni zum G7-Gipfel nach Elmau eingeladen. „Wir wollen klarstellen, dass wir auf Seite der indonesischen Präsidentschaft stehen, wir wollen keine Blockbildung in der G20 mit Ländern, die den Krieg nicht verurteilen und keine Sanktionen erlassen haben“, heißt es in deutschen Regierungskreisen.

Auf der Tagesordnung des Gipfels stehen Themen wie die globale Gesundheitsarchitektur nach Corona und digitale Transformation. Doch soll er auch ein Forum bieten, um über die Folgen des Krieges zu sprechen. Deshalb gibt es auch Schwerpunkte zu den Themen globale Ernährungssicherheit und Energie. 

Hier war ein paar Tage die Welt in Ordnung und der Westen unter sich: Ein informelles Gipfelfoto beim G7-Gipfel in Elmau.
Hier war ein paar Tage die Welt in Ordnung und der Westen unter sich: Ein informelles Gipfelfoto beim G7-Gipfel in Elmau.

© dpa/Michael Kappeler

Als Gastgeber hatte der indonesische Präsident Joko Widodo den russischen Staatschef Putin eingeladen. Widodo hatte auch eine Friedensinitiative für die Ukraine angekündigt. Indonesien werde bei dem Gipfel alle dazu einladen, „sich zusammenzusetzen und sich in einen konstruktiven Dialog zu begeben", sagte er Ende Oktober. Es ist bisher völlig offen, ob in Bali so ein Signal möglich ist, egal ob Putin kommt oder nicht. Scholz und andere Teilnehmer entbindet es aber von der schwierigen Frage, wie man mit Putin umgegangen wäre, ob man sich mit ihm zum Beispiel auch für das traditionelle G20-Familienfoto aufgestellt hätte.

Indonesien hätte gerne ein Friedens-Signal

Einige der Teilnehmerstaaten machen vor allem die westlichen Sanktionen für Inflation und drohende Rezessionen verantwortlich, weniger den Krieg Russlands, der monatelang auch zur Folge hatte, dass kein Getreide über das Schwarze Meer aus der Ukraine exportiert werden konnte. Zu der Debatte soll auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wohl per Video zugeschaltet werden. In der Regierungszeit von US-Präsident Donald Trump kam es wegen seiner Blockade in der Klimapolitik zu 19:1-Entscheidungen, ob es nun auf Bali zu ähnlichen Situationen oder größeren Blockbildungen kommen wird, ist eine offene Frage - auch ob man sich überhaupt auf ein Abschlussdokument einigen kann.

Ein Sherpa beschreibt das Feilschen um Worte am großen Unterschied zwischen dem Begriff „many“ oder „most“ in einer möglichen Abschlusserklärung. Many bedeutet demnach, viele der G20-Länder vertreten eine bestimmte Meinung, zum Beispiel das Verurteilen des russischen Handelns, aber eben nicht die Mehrheit, sonst würde der Begriff „most countries“ verwendet.

Ohne Abschlusskommuniqué droht G20-Gipfel ein Scheitern

Immerhin ist man inzwischen nach der öffentlichen Warnung von Chinas Präsident Xi Jinping optimistischer, dass ein Atombombeneinsatz vermieden werden kann, dass sich Xi so im Beisein des Kanzlers erstmals so geäußert habe, wird von Kanzler Scholz als Erfolg gewertet.

Aber es knirscht auch im Vorfeld des Gipfel an anderer Stelle. Finanzminister Christian Lindner (FDP) warnt vor einem Handelskonflikt mit den USA, das Programm der Regierung von Präsident Joe Biden gegen die Inflation umfasst Milliarden an Subventionen und Steuervorteilen für die US-Wirtschaft, durch die hohen Energiepreise wandern jetzt schon Investitionen stark in die USA ab. Das Motto des G20-Gipfels in Bali lautet: „Recover together, Recover stronger“ - Zusammen erholen, Stärker erholen. Doch ob die G20-Gruppe und die Welt aus dieser Zeitenwende gestärkt hervorgehen, das muss bisher eher bezweifelt werden.

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