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Der Bundesadler im Plenarsaal des Bundestags

© IMAGO/Achille Abboud/IMAGO/Achille Abboud

Post-Covid-Debatte im Bundestag: „Für Tausende ist die Pandemie leider noch nicht vorbei“

In scharfem Ton wurde am Donnerstag im Bundestag über das Thema Long- und Post-Covid gestritten. Was die Union der Ampel vorwirft und wie diese kontert.

Über den politischen Umgang mit Long Covid wurde am Donnerstag im Bundestag in scharfem Ton gestritten. Die Union hatte einen Antrag für mehr Forschung und eine bessere Versorgung von Patient:innen erarbeitet. Als dieser ins Parlament eingebracht wurde, kam es zum Schlagabtausch.

„Für tausende Betroffene ist die Pandemie eben leider noch nicht vorbei, sondern wirkt nach“, sagte Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Wo sind denn die 100 Millionen für die Forschung?“, fragte Sorge mit Blick auf eine entsprechende Ankündigung von Bundesgesundheitsminisster Karl Lauterbach (SPD) vor einigen Wochen. „Wo sind die Studien, wo sind die Beratungs- und Versorgungsangebote?“

Der Vorwurf: „Verhohnepiepelung“

Vertreterinnen und Vertreter der Ampelkoalition wiesen den Vorwurf, die Regierung tue zu wenig für die Betroffenen, entrüstet zurück. Der Antrag der Union enthalte nichts Neues und sei nicht mehr als ein Sammelsurium, sagte der SPD-Abgeordnete Herbert Wollmann, Arzt und Mitglied im Gesundheitsausschuss.

Ich möchte davor warnen, zu sagen, es wird schnelle und einfache Lösungen geben, nur wenn wir statt zehn Millionen hundert Millionen in den Topf legen.

Herbert Wollmann, SPD-Gesundheitspolitiker

Unionspolitiker Sorge warf ihm eine „Verhohnepiepelung“ der Betroffenen vor, was Wollmann empört zurückwies. So einfach, wie die Union es sich vorstelle, sei es mit manchen Vorhaben nicht. „Wir nehmen die Betroffenen sehr ernst“, sagte Wollmann. Gleichzeitig erklärte er, immer mehr Geld sei nicht die Antwort: „Ich möchte davor warnen, zu sagen, es wird schnelle und einfache Lösungen geben, nur wenn wir statt zehn Millionen hundert Millionen in den Topf legen.“

Eine neue Versorgungsrichtlinien sei im Gemeinsamen Bundesausschuss in Arbeit. Das ist ein Organ der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen mit maßgeblicher Entscheidungsgewalt.

Angesichts des lebhaften Debatte zwischen Union und SPD beantragte Stephan Brandner, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Gesundheitsminister Lauterbach herbeizurufen, wozu das Parlament das Recht hat. Die Union stimmte gemeinsam mit der AfD dafür, bis auf einen Abgeordneten, der sich enthielt. Mit der Mehrheit der Ampelkoalition und bei Enthaltung der Linkspartei wurde der Antrag aber abgelehnt.

Entgleisung der AfD-Abgeordneten Baum

Christina Baum, Abgeordnete der AfD, hielt eine höchst polemische Rede, die in einem sexualisierten Tiervergleich an die Adresse eines nicht namentlich genannten Abgeordneten endete. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), die die Sitzung leitete, kritisierte Baum später nach Durchsicht des vorläufigen Protokolls für diesen Vergleich, sprach aber keine formale Ordnungsmaßnahme aus.

Die Grünen-Abgeordnete Linda Heitmann lenkte die Debatte nach Baums Redebeitrag zurück zum Thema. Sie warf der Union „populistische Ausschlachtung“ vor. Alles Notwendige werde in verschiedenen Gesetzesvorhaben oder in den Haushaltsberatungen bereits angegangen. Auch sie verwies auf den Gemeinsamen Bundesausschuss. Dieser sei beauftragt, bis Ende des Jahres Versorgungsstrukturen für Post-Covid-Betroffene sowie Diagnosekriterien festzulegen.

Wer sind wir denn als Parlament, dass wir neue Reha-Angebote entwickeln?

Linda Heitmann, Grünen-Abgeordnete

Der Union warf Heitmann vor, übers Ziel hinauszuschießen. Beispielsweise mit der im Antrag enthaltenen Forderung, es müssten Rehabilitationstherapien entwickelt werden. „Wer sind wir denn als Parlament, dass wir neue Reha-Angebote entwickeln?“, fragte Heitmann. Dafür seien im Gesundheitssystem andere zuständig. Es sei schon viel erreicht, auch weil die Betroffenen das Thema immer wieder in die Öffentlichkeit bringen würden. „Populismus und Schaufensteranträge bringen uns nicht weiter“, sagte Heitmann.

Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, stützte den Antrag von CDU/CSU. Ihre Fraktion werde zustimmen, es sei „sehr verdienstvoll“, dass die Union den Antrag eingebracht habe. Offensichtlich habe die Union in der Opposition „eine Lernkurve absolviert“, nachdem sie das Thema vorher ignoriert habe. Vogler sagte, viele Ärztinnen und Ärzte seien unsicher, wie sie mit den Betroffenen umgehen müssten. Es gebe eine dramatische Unter- und Fehlversorgung.

Ich hab es satt, dass die Politiker nicht mehr Verständnis für diese Krankheit haben.

Aus dem Brief einer erkrankten 14-Jährigen

Die Perspektive einer solchen Betroffenen brachte die CDU-Abgeordnete Diana Stöcker ein. Sie berichtete von der 14-jährigen Kalea, die nach zwei Corona-Infektionen an ME/CFS erkrankt sei. Seit mehr als zwei Jahren könne Kalea nicht zur Schule gehen. An schlechten Tagen müssten ihre Eltern sie durch die Wohnung tragen. An guten Tagen könne sie sich im Bett aufsetzen. Oft sei es für sie zu anstrengend, den leisen Erzählungen ihrer Geschwister zuzuhören. Sie verlasse die Wohnung der Familie kaum, und wenn, dann nur im Rollstuhl.

„Ich hab es satt, dass die Politiker nicht mehr Verständnis für diese Krankheit haben“, zitiert Stöcker aus einem Brief des Mädchens an sie. „Für diese Kinder haben wir den Antrag gestellt. Es ist kein Schaufensterantrag“, sagte Stöcker.

Weiter geht die Debatte im Gesundheitsausschuss. Dorthin wurde der Antrag der Union nach Ende der Aussprache überwiesen.

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