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Bundeskanzler Olaf Scholz mit Chinas Präsident Xi Jinping beim Besuch in Peking im November 2022

© AFP/Kay Nietfeld/Pool

Update

Neue deutsche China-Politik: Bundesregierung will Abhängigkeiten verringern – aber keinen Kurswechsel

61 Seiten umfasst das Strategiepapier der Ampel. Darin heißt es, dass China zwar Partner, aber auch Wettbewerber und systemischer Rivale sei. Zudem warnt die Regierung vor einer Taiwan-Invasion.

| Update:

Nach monatelangen Verhandlungen hat die Bundesregierung ihre China-Politik auf eine neue Grundlage gestellt. Das Kabinett beschloss am Donnerstag ihre 61 Seiten starke China-Strategie, die Leitlinie für den künftigen Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft nach den USA und einer der stärksten Militärmächte sein soll.

Dabei gilt der Grundsatz, dass China zwar Partner, aber auch Wettbewerber und systemischer Rivale ist. Zugleich sollen die Beziehungen zu Taiwan ausgebaut werden, heißt es in dem Papier.

Die Bundesregierung will wirtschaftliche Abhängigkeiten von China verringern – aber keinen grundlegenden Kurswechsel. „Die Bundesregierung strebt keine Entkoppelung von China an“, heißt es in der China-Strategie. An der wirtschaftlichen Verflechtung mit China solle festgehalten werden. „Abhängigkeiten in kritischen Bereichen wollen wir jedoch verringern, um von ihnen ausgehende Risiken zu mindern.“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Mittwoch gesagt, von der Strategie solle die Botschaft ausgehen, „dass wir gemeinsam mit allen Partnern auf dieser Welt, mit allen Ländern auf dieser Welt in Frieden und Freiheit leben wollen - und dass wir zugleich nicht naiv sind“. Einseitige Abhängigkeiten müssten als Lehre aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reduziert werden.

Der Krieg hatte die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas offengelegt und die Bundesregierung zu einem Umsteuern in der Energiepolitik in kürzester Zeit gezwungen. Als Lehre daraus soll nun die massive wirtschaftliche Abhängigkeit der Exportnation Deutschland von China reduziert werden.

Deutschland müsse seine wirtschaftliche Sicherheit stärker in den Mittelpunkt stellen, sagte Baerbock am Donnerstag. „Und das heißt vor allen Dingen, Klumpenrisiken, die eben nicht nur Einzelne betreffen, sondern eine gesamte Volkswirtschaft, minimieren. Deshalb werden Unternehmen, die sich im hohen Maße vom chinesischen Markt abhängig machen, in Zukunft das finanzielle Risiko verstärkt selbst tragen müssen.“

Die Bundesregierung arbeitet auf ein De-Risking der Wirtschaftsbeziehungen zu China hin.

Auszug aus der China-Strategie

In der Bundesregierung gab es bisher unterschiedliche Herangehensweisen in der China-Politik. Die Grünen traten mit Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck für einen härteren Kurs gegenüber Peking als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein. Das zeigte sich zuletzt vor allem bei der Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Container-Terminal im Hamburger Hafen, die gegen den Widerstand der Grünen zustande kam.

Je weiter sich China von den „Normen und Regeln“ der regelbasierten internationalen Ordnung entferne, desto mehr könnten sich kritische Abhängigkeiten auch einzelner Branchen oder Unternehmen vom chinesischen Markt als Problem erweisen, heißt es nun in der China-Strategie.

Für Firmen sei es im volkswirtschaftlichen wie auch im unternehmerischen Interesse, übergroße Risiken zu vermeiden und Anreize für ihren raschen Abbau zu schaffen: „Die Bundesregierung arbeitet auf ein De-Risking der Wirtschaftsbeziehungen zu China hin.“

Chinesischer Markt bleibt von großer Bedeutung

Zugleich heißt es, der chinesische Markt bleibe für viele Unternehmen von großer Bedeutung. Die Bundesregierung werde weiterhin für chinabezogene Risiken „sensibilisieren“ und den Austausch mit Unternehmen intensivieren.

Weiter heißt es: „Die Bundesregierung erwartet, dass die Unternehmen sich im Rahmen der bestehenden Risikomanagement-Prozesse konkret mit relevanten chinabezogenen Entwicklungen, Zahlen und Risiken auseinandersetzen. Wir werden uns mit gegenüber China besonders exponierten Unternehmen vertraulich über deren chinabezogene Risikoanalysen austauschen, um Klumpenrisiken frühzeitig zu erkennen.“

Bundeswirtschaftsminister Habeck wollte ursprünglich konkretere Vorgaben für deutsche Unternehmen, um Risiken zu verringern. Habeck hatte bereits deutlich gemacht, einseitige Abhängigkeiten zum Beispiel bei wichtigen Rohstoffen sollten vermieden, Lieferwege breiter aufgestellt und neue Märkte abseits von China erschlossen werden.

Mit Sorge betrachtet die Bundesregierung Bestrebungen Chinas, die internationale Ordnung (...) zu beeinflussen.

Auszug aus dem Strategiepapier

In der China-Strategie heißt es weiter, die Corona-Pandemie habe Abhängigkeiten, zum Beispiel bei Medizintechnik und Arzneimitteln, offengelegt. Auch in anderen wichtigen Bereichen, etwa bei seltenen Erden und Vorprodukten, die für die Energiewende benötigt würden, gebe es kritische Abhängigkeiten.

„Eine Konzentration auf wenige oder nur ein Herkunftsland bei Vor-, Zwischen- und Endprodukten kann Abhängigkeiten in kritischen Bereichen zur Folge haben. Dies hat sich auch am Beispiel Russlands gezeigt.“

Warnung vor Invasion in Taiwan

Die Bundesregierung wirft der Regierung in Peking weiterhin in dem Strategiepapier vor, Menschenrechte zu relativieren und mit ihrer Machtpolitik im Indopazifik das Völkerrecht auszuhebeln. „Mit Sorge betrachtet die Bundesregierung Bestrebungen Chinas, die internationale Ordnung entlang der Interessen seines Einparteiensystems zu beeinflussen und dabei auch Grundfesten der regelbasierten Ordnung, wie bspw. die Stellung der Menschenrechte, zu relativieren“, heißt es.

In der Strategie wird auch vor einer chinesischen Invasion in Taiwan gewarnt. Deutschland unterhalte mit Taiwan in vielen Bereichen enge und gute Beziehungen und wolle diese auch erweitern. Man unterstütze zudem „die sachbezogene Teilnahme“ des demokratischen Taiwan in internationalen Organisationen.

„Eine Veränderung des Status quo in der Straße von Taiwan darf nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen. Eine militärische Eskalation würde auch deutsche und europäische Interessen berühren.“

Das demokratische Taiwan hat seit 1949 eine unabhängige Regierung, doch Peking betrachtet die Insel als Teil der Volksrepublik China und hat in der Vergangenheit immer wieder mit der Invasion der Insel gedroht.

Bund sieht in Chinas Verhältnis zu Russland ein potenzielles Risiko

Im Indopazifik beanspruche China immer offensiver eine regionale Vormachtstellung und stelle dabei völkerrechtliche Grundsätze infrage. „Seine Wirtschaftskraft setzt China gezielt ein, um seine politischen Ziele zu verwirklichen. Chinas Beziehungen zu vielen Staaten in seiner Nachbarschaft und darüber hinaus haben sich durch dieses robuste Vorgehen sehr verschlechtert.“

Die Bundesregierung weist auch darauf hin, dass Chinas Entscheidung, das Verhältnis zu Russland auszubauen, für Deutschland von unmittelbarer sicherheitspolitischer Bedeutung sei. „Verhalten und Entscheidungen Chinas führen dazu, dass die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in unserer Beziehung in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Dies bringt die Bundesregierung dazu, bilateral und im europäischen Kontext ihre Zusammenarbeit mit China und ihren Umgang mit den damit zusammenhängenden Herausforderungen neu zu kalibrieren“, heißt es in dem Papier.

Die „systemische Rivalität“ mit China bedeute aber nicht, dass keine Zusammenarbeit möglich sei. „Im Gegenteil: Die Bundesregierung sucht die Zusammenarbeit, zu fairen Bedingungen.“

Die Bundesregierung kündigt auch einen harten Kurs gegen chinesische Spionage an. „Die gegen Deutschland gerichteten Spionageaktivitäten nehmen insbesondere im Cyberraum immer weiter zu“, heißt es. „Wir treten jeglichen analogen und digitalen Spionage- und Sabotageaktivitäten chinesischer Dienste sowie staatlich gesteuerter Gruppierungen in und gegen Deutschland entschieden entgegen.“

Die Bundesregierung werde sicherstellen, dass Deutschlands Souveränität nicht durch Repression gegen hier lebende chinesische Staatsangehörige verletzt werde. „Dies gilt insbesondere für sogenannte „Überseepolizeistationen“ und andere Einrichtungen, die ähnliche Zielsetzungen verfolgen. Wir treffen national und auf europäischer Ebene geeignete Gegenmaßnahmen.“ (dpa, Tsp)

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