zum Hauptinhalt

Unruhen: Machtkampf und Chaos in Tunesien

In Tunesien ist der Machtkampf um die Nachfolge des geflohenen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali voll entbrannt. 5000 deutsche Touristen wurden ausgeflogen.

Nach weniger als einem Tag im Amt wurde Regierungschef Mohamed Ghannouchi als Übergangspräsident wieder abgesetzt. Der Verfassungsrat des Staates ernannte stattdessen den 77-jährigen bisherigen Parlamentspräsidenten Foued Mbazaa zum Interims- Staatschef. „Alle Tunesier müssen ausnahmslos in den politischen Prozess eingebunden werden“, sagte er nach seiner Vereidigung und versprach, für Pluralismus und Demokratie einzutreten sowie die Verfassung anzuerkennen.

Mbazaa gilt als Gefolgsmann Ben Alis und steht ebenfalls unter Korruptionsverdacht. Er beauftragte Regierungschef Ghannouchi, eine „Übergangsregierung der Einheit“ zu bilden und Neuwahlen vorbereiten. In spätestens sechs Monaten soll ein neuer Präsident, später eine neue Regierung sowie ein Parlament gewählt werden. Die genauen Machtverhältnisse blieben am Samstag ebenso unklar wie die Rolle der Generäle, die sich zum Teil gegen Ben Ali gestellt und seine Flucht nach Saudi-Arabien vorangetrieben hatten.

Der Chef der verbotenen islamistischen Ennahdha-Partei Tunesiens, Rached Ghannouchi, kündigte seine Rückkehr aus dem Exil in London an. Die Parteien müssten die Diktatur durch eine Demokratie ersetzen, dazu sei er bereit.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einer ernsten Situation. Tunesien brauche einen „politischen und demokratischen Neuanfang“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. „Wir erwarten vom Übergangspräsidenten, dass er einen glaubwürdigen politischen Übergang ermöglicht.“ Gebot der Stunde sei es, im Dialog mit der gesamten tunesischen Gesellschaft einen glaubwürdigen politischen und wirtschaftlichen Reformprozess in Gang zu setzen.

Mehr als 5000 deutsche Tunesien-Urlauber wurden am Freitag und Sonnabend von ihren Reiseveranstaltern ausgeflogen. Wer den Urlaub abbrechen musste, habe nun Anspruch auf Schadensersatz, sagte eine Sprecherin. Alle in der kommenden Woche geplanten Ferienflüge nach Tunesien sind vorerst gestrichen und können meist umgebucht werden.

In Berlin demonstrierten am Samstag hunderte Tunesier vor der tunesischen Botschaft im Westend.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false