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Karadzic

© AFP

UN-Tribunal: Karadzic gibt bosnischen Muslimen Schuld am Krieg

Der frühere bosnische Serbenführer Karadzic muss sich wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges verantworten. Karadzic äußerte sich nun vor Gericht erstmals direkt zu den Vorwürfen - und stellte die Rolle der Serben als Selbstverteidigung dar.

Radovan Karadzic weist den bosnischen Muslimen die Schuld am Bosnienkrieg zwischen 1992 bis 1995 und am Tod Zehntausender Menschen zu. Die bosnischen Muslime "wollten 100 Prozent Kontrolle über Bosnien und das war die Hauptursache des Konflikts", sagte Karadzic am Montag bei der Darlegung seiner Verteidigungsstrategie vor dem UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.

Muslimführer hätten die Serben in Bosnien-Herzegowina provoziert und zu deren Ermordung aufgerufen. Angesichts dessen hätten die Westmächte und auch der US-Sonderbeauftragte für den Balkan, Richard Holbrooke, versagt. Mehreren westlichen Staaten, darunter Deutschland und den USA, wies Karadzic eine Mitschuld an den Bürgerkriegen auf dem Balkan zu. Der Angeklagte äußerte sich nach monatelangen Verzögerungen seines Prozesses erstmals zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

Neben vielen anderen westlichen Politikern habe damals auch US- Außenminister James Baker öffentlich eingeräumt, dass Bürgerkriege in Jugoslawien kaum vermeidbar seien. Dieser Situation hätten sich die bosnischen Serben im Interesse ihrer eigenen Verteidigung stellen müssen, sagte der frühere Präsident der bosnischen Serbenrepublik. Als folgenschwer habe sich in diesem Zusammenhang die maßgeblich von Deutschland unterstützte "voreilige" Anerkennung der einst zu Jugoslawien gehörenden Teilrepubliken Slowenien, Kroatien und Bosnien erwiesen. Das habe unter anderem der damalige niederländische Ministerpräsident Ruud Lubbers öffentlich eingeräumt. Eine der Beweggründe für Deutschland sei gewesen, dass es im Zweiten Weltkrieg mit den Kroaten verbündet war, behauptete Karadzic.

Karadzic ist vor dem UN-Tribunal wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in elf Fällen angeklagt. Er soll einer der Hauptverantwortlichen für den gewaltsamen Tod Zehntausender und für die Vertreibung von etwa zwei Millionen Menschen während des Bosnienkrieges sein. Vor allem wird ihm das Massaker an etwa 8000 Muslimen in der UN-Schutzzone Srebrenica 1995 zur Last gelegt.

Staatsanwalt Alan Tieger hatte Karadzic bei der Eröffnung des Prozesses im Oktober vergangenen Jahres vorgeworfen, er habe "die Kräfte des Nationalismus, des Hasses und der Angst zielgerichtet eingesetzt, um seine Vision eines ethnisch geteilten Bosnien zu verwirklichen". Der Angeklagte, der die Prozesseröffnung boykottiert hatte, erklärte nun, von einer Verschwörung der Serben zur Vertreibung oder Vernichtung der bosnischen Muslime und Kroaten könne keine Rede sein. "Wie kann die Staatsanwaltschaft annehmen, dass die Richter so etwas glauben werden?"

Der Ex-Serbenführer betonte, er verteidige die Würde der bosnischen Serben, "die Größe einer kleinen Nation", und damit auch sich selbst. "Ich werde diese Nation verteidigen, deren Sache gerecht und heilig ist", sagte der 64-Jährige. "Wir haben einen starken Fall, wir haben gute Beweise." Zugleich forderte er den Gerichtshofs erneut auf, ihm eine faire Chance zu geben, seine weitere Verteidigung zu organisieren und sich ausreichend auf die Verhandlungen vorzubereiten.

Karadzic war erstmals 1995 in Abwesenheit angeklagt worden. Nach jahrelanger Flucht war der studierte Psychiater im Juli 2008 festgenommen und an das UN-Tribunal in Den Haag überstellt worden. Ihm droht lebenslange Haft. Bislang hatte Karadzic es stets verweigert, sich zu den Vorwürfen zu äußern und stattdessen die Zuständigkeit des Tribunals bestritten. Das Gericht registrierte dies formell als Plädoyer auf "unschuldig". (dpa/AFP)

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