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Kriminalstatistik: Jung, männlich, gewalttätig – oder Gewaltopfer

Gewalterfahrung gehört für junge Männer in Deutschland zum Alltag – in viel höherem Maß als vor zehn Jahren. So sehen es die Polizeien der Länder, so zeigt es sich an den Kriminalstatistiken, und so steht es in einem Bericht zur "Entwicklung der Gewaltkriminalität junger Menschen mit einem Schwerpunkt auf städtischen Ballungsräumen“.

Mit dem Papier befassen sich die Innenminister auf ihrer Konferenz in Bad Saarow – möglicherweise werden sie auch gemeinsame Schlüsse aus dem Bericht ziehen. Schwere Körperverletzungen gibt es seit 1997 immer öfter – das ist die zentrale Erkenntnis des Berichts. Ganz neu ist sie nicht, so wenig wie die Gegenthese der Kriminalitätsforscher. Die behaupten, Jugendliche seien heute nicht unbedingt roher, doch habe sich das Anzeigeverhalten radikal geändert. Anders als früher bemühten Opfer von Gewalt heute Polizei und Justiz als Schlichter der Konflikte.

Auf Länderebene, etwa in der Berliner Kriminalstatistik, zeigt sich die Zunahme von Rohheitsdelikten vor allem unter jungen Männern seit Jahren. Täter und Opfer, auch das bestätigt das neue Papier, gehören oft zur selben Szene, wohnen in derselben Gegend. Der Trend zur Rohheit zeigt sich nach Ansicht der Polizeistatistiker deutschlandweit: in den Flächenländern und den großen Städten, in den ostdeutschen Ländern allerdings nicht so stark wie in den westdeutschen, im Süden nicht so deutlich wie im Norden. Über die Deliktentwicklung bei der gefährlichen – also etwa mit einer Waffe ausgeführten – und bei der schweren Körperverletzung heißt es in dem Papier zusammenfassend: „Die Zahl der Opfer insgesamt ist von 1997 bis 2006 von 236 460 auf 390 717 gestiegen. Die am stärksten gefährdete Gruppe sind Jugendliche. Als Trenddelikt machen die Autoren des Berichts „die gemeinschaftlich begangene Körperverletzung“ aus.

In allen Bundesländern zählen offenbar Jugendliche aus Einwandererfamilien besonders häufig zu den Tätern. Dabei hat die Bereitschaft zur Gewalt bei den jungen Männern aus Migrantenmilieus mit der Erfahrung von Gewalt zu tun. Eine Studie aus Magdeburg weist auf die Bedeutung der Mütter in Migrantenfamilien hin. Deren Gewaltverhalten habe stärkeren Einfluss auf die Gewaltentwicklung ihrer Kinder als das Gewaltverhalten der Väter, heißt es in dem aktuellen Bericht. Nicht minder heftig wirken sich offenbar Alkohol- und Drogenkonsum aus. Das gilt unter den Einwanderern vor allem für die russischstämmigen und außerdem für die einheimischen, offenbar weniger für junge Männer mit arabischem Migrationshintergrund. Im Umgang mit der jugendlichen Rohheit haben die Fachleute Erfahrungen mit verschiedenen Präventionsprojekten gesammelt. Die Konfrontation mit dem Gefängnis scheint auf manchen zu wirken. Wichtig ist es auch, früh an Schulschwänzer heranzukommen.

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