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Bekommen russische Athleten in Paris eine Bühne?

© Hannibal Hans/dpa

IOC erwägt Startrecht trotz Ukraine-Krieg : Bundestagsabgeordnete fordern Russland-Ausschluss bei Olympia

Mit Frank Ullrich und Jens Lehmann sitzen zwei frühere Olympiasieger im Bundestag. Sie halten einen Start von russischen Athleten in Paris 2024 für undenkbar.

In der Brust von Jens Lehmann schlagen zwei Herzen. Der frühere Radsportler hat sowohl 1992 in Barcelona als auch 2000 in Sidney bei den Olympischen Spielen Gold und Silber auf der Bahn geholt. Den Traum, den alle Sportler haben, hat er erlebt. Doch jetzt will der 55-Jährige, der im Hauptberuf inzwischen CDU-Abgeordneter im Bundestag ist, russischen und belarussischen Athleten diese Möglichkeit nehmen.

„Ich bin gegen eine Überpolitisierung des Sports, aber wir können doch nicht für vier Wochen vergessen, dass Russland in die Ukraine eingefallen ist und dort Kriegsverbrechen begeht“, sagt Lehmann, der neben dem Sportausschuss auch im Verteidigungsausschuss sitzt. Für die einzelnen Sportler täte es ihm natürlich leid. Er wisse, dass Existenzen an der Teilnahme hängen würden. „Wir können die russischen Athleten aber nicht starten lassen“, sagt Lehmann.

Seit Tagen bereitet das Thema auch deutschen Politkern Kopfzerbrechen. Denn das Internationale Olympische Komitee (IOC) erwägt, trotz des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, Sportlerinnen und Sportler aus den beiden Ländern im kommenden Sommer in Paris an den Start gehen zu lassen.

Die Rolle des Sports muss immer eine einende sein.

IOC-Präsident Thomas Bach hält sich einen Start russischer und belarussischer Athleten offen.

Noch ist keine Entscheidung getroffen und auch die genauen Vorstellungen des IOC sind unklar. Möglich scheint, dass Athleten aus Russland und Belarus nur unter neutraler Flagge an den Start gehen und auch nur, wenn sie sich vom Krieg distanzieren. Doch für die Ukraine ist der Vorgang ein Politikum. Der ukrainische Sportminister Wadym Hutzajt droht bereits mit dem Boykott der Ukraine in Paris, auch baltische Staaten und Polen erwägen für den Fall ihre Absage.

CDU-Politiker Jens Lehmann hält nichts von einem Fernbleiben des deutschen Teams sollten Russen und Belarussen in Paris an den Start gehen. „Ich habe grundsätzlich eine Allergie mit Boykott-Drohungen“, sagt Lehmann. 1980 hat er den Boykott um die Spiele in Moskau am Fernsehen verfolgt, darunter hätten vor allem die westlichen Sportler gelitten.

Er drängt auf eine rasche Klärung. „Das muss jetzt entschieden werden, sonst geht es moralisch gegen die Sportler“, sagt Lehmann. In Deutschland würden die Debatten häufig erst unmittelbar vor den Sportereignissen geführt, etwa bei Olympia in Peking oder der WM in der Katar. Dann sei es aber zu spät, sagt Lehmann.

Die olympische Charta verbietet Diskriminierung

IOC-Präsident Thomas Bach verteidigt die Überlegungen mit Verweis auf die olympische Charta, die Diskriminierung verbiete. Einen Athleten nur aufgrund seines Geburtsortes von den Spielen auszuschließen, könnte gegen die eigenen Regularien und die UN-Menschenrechtserklärung verstoßen. „Die Rolle des Sports muss immer eine einende sein“, sagte Bach bereits vor einigen Tagen im ZDF.

Der SPD-Politiker Frank Ullrich sieht das anders. „Solange Russland auf europäischen Boden Krieg führt, ist es das falsche Signal, über eine Teilnahme von Sportlern aus Russland nachzudenken.“ Wie Lehmann hat auch Ullrich olympisches Gold gewonnen, er als Biathlet bei den Winterspielen 1980 in Lake Placid. Seit 2021 sitzt Ullrich für die thüringische SPD im Bundestag und leitet dort den Sportausschuss.

Frank Ullrich sitzt für die SPD im Bundestag.
Frank Ullrich sitzt für die SPD im Bundestag.

© Bodo Schackow/dpa

Der Argumentation von IOC-Präsident Bach folgt er nicht: „Jeder Mensch hat zwar das Recht, aufgrund seiner sozialen Herkunft nicht benachteiligt zu werden, allerdings hat jeder Mensch auch das Recht auf Leben und Freiheit. Durch den russischen Angriffskrieg werden Leben und Rechte unzähliger Menschen missachtet und ausgelöscht“, sagt er dem Tagesspiegel.

Doch nicht alle Beteiligten sind bereit, so klar Stellung zu beziehen. Die Allianz, größter Versicherer der Welt und Sponsor der Spiele in Paris, will sich auf Tagesspiegel-Anfrage nicht zu einem möglichen Ausschluss russischer und belarussischer Athleten äußern.

Der Prothesen-Hersteller Ottobock, seit 1988 Partner der Paralympischen Spiele, äußert sich ausweichend: „Im Fokus unsers Engagements steht von Beginn an die Unterstützung aller teilnehmenden AthletInnen.“

Viele Sportler würden sich jahrelang auf dieses Event vorbereiten. „Unsere Mission ist es, die SportlerInnen dabei zu unterstützen, Leistungen auf höchstem Niveau zu erbringen, ihre Ziele zu erreichen und dadurch viele Menschen auf der ganzen Welt zu inspirieren.“ Antworten auf die gestellten Fragen schickt das Unternehmen nicht.

Jens Lehmann wünscht sich dagegen nun eine Debatte, die bald Klarheit findet. Regeln müssten dann aber auch einheitlich gefunden werden. Dass Russland beispielsweise beim Fußball gesperrt werde, einzelne russische Athleten jedoch bei der Tour de France oder beim Tennis an den Start gingen, sei nicht vermittelbar, sagt Lehmann: „Wenn wir russische Athleten ausschließen, müssen wir es auch konsequent machen.“

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