zum Hauptinhalt
Immer wieder ertrinken Dutzende Migranten bei ihrem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.

© dpa/Francisco Seco

„Humane Politik sieht anders aus“: Grüne kritisieren EU-Asylreform vor finaler Abstimmung

Am 10. April ist es so weit: Dann wollen die Grünen gegen entscheidende Punkte der EU-Asylreform stimmen. Die CDU wirft ihnen daher vor, sie trieben „frustrierte Wähler zu Extremisten und Populisten“.

Zwei Monate vor der Europawahl setzt das EU-Parlament demnächst den Schlussstein einer Reform, mit der sich die Gemeinschaft der 27 Staaten jahrelang geplagt hatte: die Erneuerung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS).

Die finale Abstimmung im EU-Parlament, die für den 10. April vorgesehen ist, wird voraussichtlich eine Mehrheit unter Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen finden. Doch die Grünen wollen gegen die Reform des EU-Asylsystems stimmen.

Derzeit wird der Text der GEAS-Reform, der aus insgesamt acht Rechtsakten besteht und in sämtlichen europäischen Amtssprachen vorliegen muss, von den Sprachjuristen überprüft. Am Text selbst wird aber nicht mehr gerüttelt.

Bei der Grünen-Fraktion im EU-Parlament gibt es indes noch internen Gesprächsbedarf. Über das Abstimmungsverhalten zu den acht einzelnen Rechtsakten werde man in der Fraktion noch im Detail beraten, sagte der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt dem Tagesspiegel. Aber an der Grundtendenz einer weitgehenden Ablehnung der GEAS-Reform werde sich nichts ändern, stellte er klar.

Zu den kritikwürdigen Punkten zählte er die sogenannten Grenzverfahren, bei denen Asylbewerber vor der Einreise in die EU festgehalten werden.

Die Grünen haben nicht begriffen, dass es weite Teile der Gesellschaft überfordert, wenn jeder zu uns kommen darf, der zu uns kommen will.

Daniel Caspary, CDU-Europaabgeordneter

„Ein Großteil der Asylbewerber aus den Grenzverfahren wird nicht in die Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Am Ende werden die Verfahren nur länger dauern und komplizierter werden“, kritisierte Marquardt.

Auch Marquardts Fraktionskollege Rasmus Andresen bekräftigte, dass es bei den Grünen große Zweifel daran gebe, ob sich die Asylpolitik mit etlichen Neuerungen aus der GEAS-Reform wirklich neuordnen lasse. „Unsere Befürchtung ist, dass viele Vorschläge zulasten einer geordneten Asylpolitik gehen könnten“, erklärte er.

Insbesondere kritisierte Andresen, dass die Staaten an den EU-Außengrenzen wie Italien oder Griechenland auch nach der Reform des EU-Asylsystems allein gelassen würden. Zudem würden Menschen auf der Flucht Schlepperbanden ausgesetzt. „Eine verantwortungsvolle und humane Asylpolitik sieht anders aus“, so Andresen.

Grüne treten nicht als Totalverweigerer auf

In der Reform des EU-Asylsystems, über die in Brüssel demnächst abgestimmt wird, hatten sich EU-Parlament, die Mitgliedstaaten und die Kommission auf Verschärfungen beim Vorgehen gegenüber irregulären Migranten geeinigt.

So sollen unter anderem die Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen dafür sorgen, dass Migranten ohne Bleibeperspektive schneller abgeschoben können. Nach Ansicht von Experten dürfte sich zum Zeitpunkt der Europawahl Anfang Juni jedoch noch kein Effekt der Reform zeigen.

Dabei treten die Grünen angesichts der einzelnen Rechtsakte der GEAS-Reform keineswegs als Totalverweigerer auf. Bei der Abstimmung im Innenausschuss des EU-Parlaments stimmten sie im Februar unter anderem der sogenannten Aufnahmerichtlinie zu, welche die sozialen Rechte von Migranten während der Asylverfahren regelt.

Doch dieser Punkt gilt allgemein nicht als strittig. Er war bereits ausverhandelt, als Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihren Amtskollegen im Juni 2023 ein Durchbruch bei der Einigung auf die Schnellverfahren an den Außengrenzen gelang.

Ende vergangenen Jahres kamen Migranten verstärkt auf der italienischen Insel Lampedusa an.

© imago/ZUMA Press/IMAGO/Ciro Fusco

Später kam auch noch eine sogenannte Krisenverordnung hinzu, die von den Grünen ebenfalls abgelehnt wird. Die Krisenverordnung würde es bei einem besonders starken Anstieg der Migration ermöglichen, dass Menschen über einen längeren Zeitraum in Asylzentren an den Außengrenzen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können.

In der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament gibt es unterdessen kein Verständnis dafür, dass die Grünen bei der bevorstehenden Abstimmung bei zentralen Punkten der Reform mit „Nein“ votieren werden.

„Die Grünen haben offensichtlich noch immer nicht begriffen, dass es weite Teile der Gesellschaft überfordert, wenn jeder zu uns kommen darf, der zu uns kommen will“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary, dem Tagesspiegel.

So treibe man „frustrierte Wähler weiter zu den Extremisten und Populisten“, erklärte der CDU-Politiker. „Wir brauchen die GEAS-Reform, wenn wir Migration begrenzen und steuern wollen. Wir Christdemokraten wollen das“, so Caspary.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false