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Eine Maske liegt im Unterricht auf Unterlagen, während im Hintergrund Schüler:innen mit Mund- und Nasenschutz zu sehen sind.

© dpa/Matthias Balk

Nach umstrittenem Masken-Urteil: Hausdurchsuchung bei Weimarer Familienrichter

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen einen Weimarer Richter eingeleitet. Büro und Auto des Juristen wurden durchsucht, das Handy sichergestellt.

Von Thomas Sabin

Im Zusammenhang mit einer Entscheidung zur Maskenpflicht in Thüringer Schulen hat die Staatsanwaltschaft gegen den Richter Christian Dettmar am Amtsgericht Weimar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es bestehe ein Anfangsverdacht, dass sich der Richter einer Beugung des Rechts schuldig gemacht hat, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt am Montag mitteilte.

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Der Familienrichter hatte am 8. April 2021 unter Verweis auf eine angebliche Kindeswohlgefährdung eine Aussetzung der Maskenpflicht und anderer Schutzmaßnahmen an zwei Schulen angeordnet. Das Urteil wurde im Netz von Kritikern der Pandemie-Maßnahmen bejubelt. Die Entscheidung selbst und die von dem Juristen für sich reklamierte Zuständigkeit stießen jedoch in Justizkreisen auf Unverständnis.

Hintergrund des umstrittenen Urteils war die Entscheidung des Bildungsministeriums, wonach die Maskenpflicht im Unterricht an allen Thüringer Schulen und für alle Klassenstufen – also auch an Grundschulen – wegen der hohen Corona-Inzidenzwerte ausgeweitet wurde.

In der Folge gingen knapp ein Dutzend Strafanzeigen wegen des Verdachts der Rechtsbeugung bei der Staatsanwaltschaft, die mitteilte, sie sehe „Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtlich Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist“.

Damit bestehe ein Anfangsverdacht, dass er sich bei dieser Entscheidung einer Rechtsbeugung schuldig gemacht habe, „indem er sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt hat, seine Entscheidung also von den gesetzlichen Vorschriften nicht mehr getragen wird, so dass sie willkürlich erscheint“.

Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn es aufgrund konkreter Tatsachen nach der kriminalistischen Erfahrung als möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.

Hausdurchsuchung beim Thüringer Richter

Wie „Focus“ berichtet, ordnete die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung an. „Ja, es gab eine Durchsuchung. Dabei wurden Beweismittel sichergestellt, die der Beschuldigte freiwillig herausgegeben hat“, bestätigte Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen am Dienstag. Demnach wurden das Auto und das Haus samt Büro durchsucht und das Handy des Richters sichergestellt.

Weiter heißt es, dass der Thüringer Richter von einem der prominentesten Strafverteidiger Deutschlands – Rechtsanwalt Gerhard Strate (71) aus Hamburg – vertreten wird. Strate bezeichnete das Verfahren als „unzulässig und unbegründet“. Es sei völlig abwegig, eine Rechtsbeugung zu behaupten. Gegenteilige Auffassungen seien offensichtlich dem Irrsinn zuzuschreiben, der sich in der Corona-Zeit breitzumachen beginne, sagte der Anwalt.

Das Kernproblem sieht Strate demnach in Absatz 4, Paragraf 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auf den sich die Staatsanwaltschaft beziehe. Darin steht, dass ein Familiengericht zur Abwendung von Gefahren für Kinder „auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten“ treffen könne. Der Richter sei davon ausgegangen, dass mit „Dritten“ nicht nur Personen gemeint sind, sondern auch öffentliche Institutionen wie Schulen, argumentiert der Hamburger Anwalt. „Das ist eine absolut vertretbare Position“, sagte Strate.

Familienrichter Christian Dettmar äußert sich öffentlich

Das Verwaltungsgericht Weimar hatte unterdessen die Maskenpflicht im Unterricht an Thüringer Schulen vergangene Woche für rechtmäßig erklärt. Die Richter wiesen in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass sie das umstrittene Urteil des Weimarer Richters als „offensichtlich rechtswidrig“ ansehen. Familiengerichte seien nicht befugt, Anordnungen gegenüber Behörden zu treffen. Dafür fehle es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.

Zur „Bild“-Zeitung sagte der Thüringer Richter Christian Dettmar: „Ich habe selbst keine Schulkinder, aber erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Masken. Wer sie freiwillig in der Schule tragen möchte, darf das weiter tun. Aber wir müssen Eltern nicht bevormunden.“

[Mehr zum Thema: Warum FFP2-Masken vor einer Corona-Infektion bewahren können (T+)]

Derweilen machen sich weitere Vorwürfe über den Familienrichter breit. Es bestehe der Verdacht, dass Klagen, die auf die Maskenpflicht zielen, wissentlich so eingereicht wurden, dass sie auf Dettmars Tisch landen. Wie die „Thüringer Allgemeine“ kürzlich berichtete, soll eine Rechtsanwältin in einer Telegram-Gruppe gezielt Klägerinnen und Kläger gesucht haben, deren Kinder Nachnamen mit den Anfangsbuchstaben haben, für die der Richter laut Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts zuständig sei.

Auch das Amtsgericht im niedersächsischen Hannover haben nach eigenen Angaben bereits mehr als hundert entsprechende Anträge unter Berufung auf das Weimarer Masken-Urteil erreicht. Diese seien „nahezu gleichlautend“ formuliert, teilte das Gericht am Donnerstag vergangener Woche mit. Es seien aber keine Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung eingeleitet worden.

Nach gemeinsamer Auffassung der niedersächsischen Familienrichter gebe es keine Anhaltspunkte für konkrete Kindeswohlgefährdung durch Maßnahmen zur Pandemieeindämmung an Schulen, hieß es in einer Mitteilung des Amtsgerichts. (mit AFP)

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