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Robert Habeck (Grüne) betonte: „Regierung und Opposition müssen gerade jetzt Sicherheit geben, Vertrauen aufbauen und es sich immer wieder neu erwerben.“ 

© Imago/Action Press/Bernd Elmenthaler

Update

Habeck gibt Union Mitschuld an AfD-Hoch: „Wir brauchen eine funktionierende konservative Partei“

Der Vizekanzler hat Schuldige für die Umfrageergebnisse der AfD ausgemacht – und warnt vor einem „Andienen an Rechtspopulismus“. Klöckner wirft der Ampel Heuchelei vor.

Seit Wochen streiten die anderen Parteien, wer für die guten Umfragewerte der AfD verantwortlich ist. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) machte nun deutlich, dass er den Kurs der Union für entscheidend zur Eindämmung der Populisten hält. „Um es deutlich zu sagen: Wir brauchen eine funktionierende konservative Partei in Deutschland“, sagte der Bundeswirtschaftsminister der „Augsburger Allgemeinen“.

Unionspolitiker sehen die Umfragezahlen der Rechten vor allem als Folge des Regierungsprogramms der Grünen. Besonders CDU-Chef Friedrich Merz hatte die Grünen als politischen „Hauptgegner“ ausgemacht. Später distanzierte er sich davon und sagte, selbstverständlich bleibe die AfD „Hauptfeind“.

Scharfe Kritik zog Merz zuletzt auf sich, als er einen pragmatischeren Umgang in der Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene andeutete. Erst nach massivem Widerspruch aus der Union stellte er klar: Selbstverständlich bleibe der Unvereinbarkeitsbeschluss zur AfD bestehen.

Regierung und Opposition müssen gerade jetzt Sicherheit geben.

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister (Grüne)

Habeck sagte nun: „Wir sehen in anderen Ländern: Da, wo konservative Parteien nicht funktioniert haben und sich dem Rechtspopulismus angedient haben, sind die als relevante Kräfte verschwunden.“

Habeck betonte: „Regierung und Opposition müssen gerade jetzt Sicherheit geben, Vertrauen aufbauen und es sich immer wieder neu erwerben.“ Viele Menschen seien „zu Recht verunsichert. Es gibt Krisen, Kriege“ sagte er und fügte hinzu: „Wir leben in einer Phase der Veränderung.“

Zum Erscheinungsbild der Ampel-Koalition sagte Habeck selbstkritisch, die Regierung habe in der Krise zwar vieles gut hingekriegt, „durch zu viel öffentlichen Streit aber auch Vertrauen verspielt“. Der Grünen-Politiker betonte: „Da müssen wir besser werden.“

Aber auch die demokratische Opposition habe die Aufgabe, „am Vertrauen in unsere liberale Demokratie zu arbeiten und ihren Teil für den Zusammenhalt beizutragen“, appellierte der Minister.

„Da scheint mir gerade die Union orientierungslos zu sein, und Orientierungslosigkeit bedeutet dann eben auch einen Vertrauensverlust“, sagte Habeck. Er hoffe sehr, „dass die Union diese Debatte sehr reflektiert führt“.

Klöckner wirft Ampel im Streit um AfD Heuchelei vor

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Julia Klöckner, hat den Ampel-Parteien im Streit über die Abgrenzung der CDU gegenüber der AfD „ein gewisses Quantum an Heuchelei“ vorgeworfen.

Sie hätten zum Erstarken der AfD beigetragen, stimmten jetzt aber in den Chor der Kritiker des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ein. Sie würden sich damit aus der Verantwortung stehlen, schreibt Klöckner in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Zum Erstarken der AfD hätten alle etablierten Parteien beigetragen, schreibt Klöckner. Die Entzauberung der AfD sei nicht allein Aufgabe von CDU und CSU. Wichtig sei, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht zum Nachteil des politischen Gegners instrumentalisiert werde. Dass die CDU keine „wie auch immer geartete“ Zusammenarbeit mit der AfD wolle, wisse „im Grunde auch die deutsche Linke“.

Der Abgrenzungsbeschluss der CDU sei richtig. „Ihn allerdings bloß zu zementieren und bei jeder Konfliktsituation abstrakt zu wiederholen, reicht nicht aus.“ Eine Antwort auf die Frage der kommunalen Handlungsnotwendigkeiten sei das nicht, schreibt Klöckner, die auch Mitglied des CDU-Präsidiums ist.

Meinungsforscher Jung erwartet weitere AfD-Erfolge

Der Meinungsforscher Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim sieht aktuell noch keine Anzeichen für ein Ende des Umfrage-Hochs der AfD. Ob sich der Zuspruch für die AfD verfestige oder aber wieder nachlasse, „hängt davon ab, wie die anderen Parteien reagieren“, sagte Jung in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.

Wichtig sei nun, „ob sich etwa die Bundesregierung wieder zu einer größeren Geschlossenheit aufraffen kann, damit der Streit nicht mehr das Dominierende ist – und ob die CDU/CSU mehr an glaubwürdigen Alternativen bietet“.

Die AfD profitiere derzeit von einer weit verbreiteten Proteststimmung – und von einem für sie günstigen Wahlkalender mit drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im kommenden Jahr.

„Man muss kein großer Prophet sein, um davon auszugehen, dass die AfD sehr gute Ergebnisse in diesen Ländern einfahren wird – und dass sie stärkste Partei in einem Land wird, liegt im Bereich des Möglichen“, sagte Jung.

Außerdem profitiere die AfD von Zuspruch aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, sagte der Meinungsforscher. „Zu den Wählern mit einer eher rechtsgerichteten Orientierung kommen Protestwähler hinzu. Die wollen nicht unbedingt, dass die AfD regiert.“

Zuspruch erhalte die AfD aktuell auch aus der „bürgerlichen Mitte“ – von Menschen, die sich selbst nicht als radikal empfinden, für die das radikale Image der AfD aber durchaus attraktiv sei.

„Die Menschen, die die Protestfunktion der AfD nutzen, sind sich schon bewusst, dass da rechtsradikale Elemente eine wesentliche Rolle spielen“, sagte Jung. „Wenn die AfD eine ganz harmlose Partei wäre, dann würde sie sich viel weniger als Protestplattform eignen.“ (lem)

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