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Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz beim ZDF-Sommerinterview.

© dpa/ZDF/Dominik Asbach

Friedrich Merz und die AfD: Was für eine Unkenntnis, was für ein Ungeschick, was für eine Flatterhaftigkeit

CDU-Chef Friedrich Merz räumt einige Steine der Brandmauer gegen die AfD ab – bis sein Generalsekretär korrigiert. Merz’ Fehltritte wecken Zweifel an seiner Eignung als Kanzler.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Was für eine Flatterhaftigkeit. Quasi nebenbei, im ZDF-Sommerinterview, räumt Friedrich Merz das Kooperationsverbot seiner Partei mit der AfD auf der lokalen Ebene ab.

„Kommunalpolitik ist etwas anderes als Landes- und Bundespolitik“, sagt Merz und begründet seine plötzliche Neuorientierung mit einer, nun ja, kreativen Analyse: „Auf der kommunalen Ebene ist die Parteipolitisierung ohnehin ein bisschen zu weit vorangeschritten.“

Das klingt banal für einen solch weitreichenden Weg, den Merz am Sonntagabend einschlug. Fünf Stunden später, um Mitternacht, sah sich Generalsekretär Carsten Linnemann genötigt, festzustellen: „Für die CDU ist klar: keine Zusammenarbeit mit der AfD, egal auf welcher Ebene.“ Was denn nun?

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Man weiß nicht, was schlimmer ist

Was für eine Unkenntnis. Die CDU hat sich selbst, einmal 2018, bekräftigt 2020, einige klare Leitlinien gegeben im Umgang mit der AfD. Diese bezogen, nein, sie beziehen sich auch auf Gemeinden, Städte, Landkreise. Entweder kannte Friedrich Merz die Beschlusslage seiner Partei nicht – oder er setzte sich nebenbei darüber hinweg. Man weiß nicht, was schlimmer ist.

Was für eine Fehleranfälligkeit. Lange vertrat Merz die Auffassung, die CDU müsse sich mit den harten politischen Themen dieser Zeit – etwa Inflation, Energie, Wirtschaftslage – befassen.

Anfang Juni, während die AfD in den Umfragen nach oben schoss und die CDU bestenfalls stagnierte, riss Merz das Steuer ruckartig herum. Das gipfelte in zwei Sätzen: „Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen“. Und: „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD.“ Das klang wie eine Wahlwerbung für die AfD. Fortan sprach Merz also über das Gendern statt die Geldentwertung.

Warum formuliert Merz bloß so?

Was für ein Ungeschick. Am vergangenen Donnerstag bezeichnete Merz die CDU als „Alternative für Deutschland – mit Substanz“. Das klang, als leite sich die stolze christliche, konservative Volkspartei CDU von der AfD ab. Natürlich, das war nicht so gemeint.

Aber warum verwendet Merz dann derlei Formulierungen? Ist nicht etwas Sensibilität angebracht, wo sich die CDU schon Wochen vorher Empörung und Spott ausgesetzt sah, nachdem sie eine „Agenda für Deutschland“ vorgestellt hatte, was sich boshaft mit „AfD“ abkürzen ließ?

Was für ein Irrlichtern. Neulich verkündete Merz, die Grünen seien „Hauptgegner“ der CDU. Warum braucht die CDU eigentlich einen „Hauptgegner“? Besitzt sie etwa nicht genug inhaltliche und personelle Substanz, um punkten zu können?

Gewährt die Ampel-Koalition nicht genug Chancen zur Profilierung? Wieder einmal schüttelten sie innerhalb und außerhalb der CDU den Kopf über den wundersamen Vorsitzenden. Hinzu kommt, so ganz nebenbei: Jeder zweite Deutsche wird von CDU und Grünen regiert. Und in Hessen, wo im Oktober gewählt wird, würde die CDU liebend gern mit den Grünen weiter koalieren.

Ein eingeschnappter Merz

Was für eine Dünnhäutigkeit. Als NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst im Juni erkennen ließ, dass auch er sich die Kanzlerkandidatur zutraut, reagierte Merz geradezu eingeschnappt. Vor laufender Kamera, ebenfalls im ZDF, polterte er, ohne danach gefragt worden zu sein: „Wenn wir heute in NRW Landtagswahlen hätten, wäre die AfD fast so stark wie im Bund.“

Merz wetterte, die Unzufriedenheit mit der NRW-Landesregierung sei „fast genauso groß wie mit der Bundesregierung“. Damit attackierte er also Wüst, den wichtigsten Ministerpräsidenten der eigenen Partei. Anschließend führten Merz und Wüst jenes schmierige Wir-verstehen-uns-bestens-Theater auf, das die Bürger spätestens seit der „Freundschaft“ von Schröder und Lafontaine derlei Alphamännern nicht abkaufen.

Merz’ politische Fehler nehmen zu, in Takt und Schwere. Merz neigt dazu, sich strotzend selbstbewusst zu inszenieren, zuweilen kombiniert mit der Attitüde eines beleidigten Besserwissers. Seine sich häufenden Kurswechsel aber deuten darauf hin, dass die CDU es mit einem am Ende zutiefst unsicheren Vorsitzenden zu tun hat. Sicher und überzeugend wirkt Merz allein bei einem Thema, seinem Lebensthema: nämlich der Abgrenzung von Angela Merkel. Das ist politisch-substantiell freilich etwas mager.

Mangel an Führungserfahrung

Was in der CDU, die sich als natürliche Regierungspartei versteht und die jeden sozialdemokratischen Kanzler als Betriebsunfall der Geschichte begreift, unterschätzt wird: Friedrich Merz, 67, hat zeit seines Lebens nicht einen Monat lang regiert, weder im Bund noch im Land. Er hat null Exekutiv-Erfahrung.

Rühren seine schweren Pannen auch aus diesem Mangel an Führungserfahrung? Und wollen die Deutschen einen Kanzler, der noch nicht einmal Staatssekretär oder Landesminister war, geschweige denn Bundesminister oder Ministerpräsident?

Anders als bei den diversen Merz-Fehltritten der jüngsten Zeit haben die Äußerungen zur Kooperation mit der AfD einen Aufschrei in der Partei ausgelöst. Selbst „Unverdächtige“ wie Kai Wegner weisen Merz zurecht. Die Autorität von Friedrich Merz zerbröselt zusehends.

Das Amt des Bundeskanzlers erfordert politische und strategische Fähigkeiten, außerdem charakterliche Eignung. Die letzten Wochen lassen daran zweifeln, ob Merz diese Anforderungen erfüllen kann.

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