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Fracking ist in der Bevölkerung unbeliebt - die FDP will es trotzdem.

© dpa / Holger Hollemann

Fracking-Streit in der Ampel: FDP wirft SPD und Grünen Ideologie bei Gasförderung vor

Billionen Kubikmeter Gas liegen unter Deutschland - genug, um das Land über Jahre zu versorgen. Doch Grüne und SPD halten am Fracking-Verbot fest.

Den Schatz, der unter Deutschlands Böden vergraben ist, hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe genau bemessen. 2,3 Billionen Kubikmeter Gas liegen unter Niedersachsen, dem Mittelrheingraben, Teilen Bayerns und Baden-Württembergs. Genug, um den Verbrauch von Deutschland für rund 25 Jahre zu decken. Genug Gas, um unabhängig von Russland oder LNG-Lieferungen aus den USA oder Katar zu sein. Und doch wird dieser Schatz bislang nicht angerührt.

Denn es gibt ein Problem. Dabei handelt es sich nicht um Erdgas, das konventionell in 3000 bis 4000 Metern aus Sandstein gefördert wird, sondern um Gas aus Schiefergestein in rund 1000 Metern Tiefe. Es bedarf einer „unkonventionellen Förderung“. So nennen Behörden das, was im Volksmund als Fracking bekannt und gefürchtet ist. Denn um das Schiefergas aus dem Gestein zu bekommen, wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gespült.

Infografik Fracking

© Grafik: Tagesspiegel/Infografik | Quelle: Umweltbundesamt/dpa

Durch die Risse, die dabei im Gestein erzeugt werden, kann das Gas entweichen – die Chemikalien bleiben jedoch im Boden. Die Gefahr vor Verschmutzung des Grundwassers besteht, ebenso von Erdbeben. Mehr als 2500 Kommunen lehnen Fracking ab, seit 2017 ist es in Deutschland verboten.

Das Fracking-Verbot in Deutschland ist daher unredlich, ideologisch motiviert und nützt dem Klima überhaupt nichts.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai

Die FDP will dieses Verbot aufheben. „Es wäre eher nicht verantwortbar, aus ideologischen Festlegungen auf Fracking zu verzichten“, hatte FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am vergangenen Wochenende gesagt. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai legt am Donnerstag nach und nennt es „Heuchelei, wenn wir Deutschen nun massenweise gefracktes Gas aus den USA oder Kanada importieren wollen, uns aber gleichzeitig vehement weigern, die Technik im eigenen Land anzuwenden“.

Der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler unterstützt die FDP

„Die Klimabilanz des heimischen Gases sieht erheblich besser aus, weil der Transport um die halbe Welt unterbleibt“, sagte Djir-Sarai dem Tagesspiegel. Und weiter: „Das Fracking-Verbot in Deutschland ist daher unredlich, ideologisch motiviert und nützt dem Klima überhaupt nichts.“ Eine Breitseite in Richtung Ampel-Koalitionspartner.

Auch der Klimaexperte und Fraktionsvize der FDP, Lukas Köhler, nennt Fracking eine „gute Option“, um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Aus Sicht des Klimaschutzes gebe es „keinerlei Bedenken“, da es nicht um zusätzlichen Gas-Verbrauch gehe, sondern um „Ersatz für die ausbleibenden Lieferungen aus Russland“.

Der FDP-Klimaexperte Lukas Köhler hat „keinerlei Bedenken“ beim Thema Fracking.

© Sven Darmer

Unterstützung bekam die FDP aus Expertenkreisen. Es sei „geradezu unverantwortlich, die heimischen Schiefergasvorkommen nicht zu nutzen“, sagte Andreas Hagedorn, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Geowissenschaftler am Donnerstag. Demnach könnten rund 20 Milliarden Kubikmeter heimisches Gas im Jahr gefördert werden. Aus Russland seien bis zu 50 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich nach Deutschland geflossen.

Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie, hält es für denkbar, dass Bohrungen für die Firmen lukrativ wären, selbst wenn Deutschland sein Ziel von der Klimaneutralität bis 2045 einhalten will. „Schiefergasproduktion zeichnet sich dadurch aus, dass die Produktionsrate in den ersten Jahren sehr hoch ist und danach stark abfällt“, sagte er dem Tagesspiegel. Er rechne aber damit, dass es je nach Dauer der Genehmigungsverfahren drei bis fünf Jahre dauern würde, bis die Infrastruktur dafür bereitstünde. „Tatsache ist aber auch, dass sich diese Prozesse verkürzen lassen, wenn Deutschland mit ähnlicher Entschlossenheit vorgeht wie bei den Genehmigungsverfahren für die LNG-Anlandung“, sagte Möhring.

Mit dem Vorstoß der Liberalen droht der Koalition neuer Ärger. „Fracking ist keine kurzfristige Lösung“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Matthias Miersch. Der Schutz des Trinkwassers sei nicht verhandelbar.

Auch die Grünen lehnen das Fracking weiter ab. „Wenn es der FDP wirklich um Energiesicherheit geht, dann sollte sie endlich mit uns ambitionierte Energieeffizienzpolitik machen“, sagte Julia Verlinden, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen. Es gebe zahlreiche Potentiale, innovative Techniken in Gebäuden, im Verkehr und in der Wirtschaft einzusetzen, um den Energieverbrauch deutlich zu reduzieren. Bei gefracktem Gas handle es sich „um einen fossilen Energieträger, dessen Verbrennung wir uns vor dem Hintergrund der fortschreitenden Klimakrise nicht mehr lange erlauben können“, sagte Verlinden, deren Wahlkreis in Niedersachsen liegt.

Hier werden nicht nur die größten Schiefergas-Vorkommen vermutet, sondern bislang auch rund 98 Prozent der heimischen konventionellen Gasvorkommen gefördert. Doch die Proteste der Bevölkerung sind groß, die frisch gewählte rot-grüne Landesregierung spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag dafür aus, die Förderung von Erdgas und Erdöl „schnellstmöglich“ zu beenden. Eine Förderung des Schiefergases lehnen die Koalitionäre entschieden ab. „Fracking zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten wird von uns abgelehnt und muss verboten bleiben.“ Gut möglich, dass der Schatz unter Deutschland für immer unangetastet bleibt.

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