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Vertreter*innen der Ampel-Koalition, darunter Olaf Scholz, Robert Habeck und Lisa Paus.

© imago/photothek/IMAGO/Florian Gaertner

Update

Erleichterte Änderung des Geschlechtseintrags : Kabinett bringt Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg

Die Bundesregierung hat das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Dass es erst im November 2024 Inkrafttreten soll, hält Queerbeauftragter Sven Lehmann für zu spät.

| Update:

Die Verabschiedung des Entwurfs sei „ein großer Moment“ für trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland, teilte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch im Anschluss mit. Für den Queerbeauftragte der Bundesregierung ist der Beschluss des Selbstbestimmungsgesetzes durch das Bundeskabinett gar historisch.

„Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Achtung der geschlechtlichen Identität. Trotzdem wurden die Betroffenen mehr als 40 Jahre lang durch das Transsexuellengesetz diskriminiert. Damit ist jetzt endlich Schluss“, so Paus.

Das Bundeskabinett hat den Weg für eine vereinfachte Änderung des Geschlechtereintrags bei den Behörden freigemacht. Der Entwurf zum neuen Selbstbestimmungsgesetz soll das seit 1981 geltende Transsexuellengesetz ablösen. Demnach sollen Menschen nur noch eine einfache Selbstauskunft beim Standesamt abgeben müssen, wenn sie den Vornamen oder den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ändern wollen. Bisher müssen Betroffene für eine Änderung der Einträge zwei psychologische Gutachten einreichen. Dann entscheidet das zuständige Amtsgericht. Betroffene kritisieren das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdigend.

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Sven Lehmann, Queerbeauftragte der Bundesregierung, hält den heutigen Tag mit Beschluss des Selbstbestimmungsgesetzes durch das Bundeskabinett für historisch. „Jeder Mensch hat das Recht auf Anerkennung seiner Persönlichkeit. Dieses Recht wird aber trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen bislang vorenthalten“ sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Die nun geplante Abschaffung psychiatrischer Zwangsbegutachtung und langwieriger, teurer Gerichtsverfahren ist für diese Menschen ein riesiger Fortschritt.“

Lehmann sieht es im Rahmen des Möglichen, dass der Bundestag das Selbstbestimmungsgesetz noch in diesem Jahr verabschiedet: „Selbst wenn Zeit für die erforderlichen Anpassungen des Personenstandswesens eingeplant werden muss, ist ein Inkrafttreten im November 2024 aus meiner Sicht zu spät“, sagte er. Es müsse geprüft werden, ob ein Inkrafttreten beschleunigt werden können. Betroffenen hätten lange genug gewartet.

Das geltende Recht schikaniert transgeschlechtliche Menschen. Wir wollen diesen unwürdigen Zustand beenden.

Marco Buschmann, Bundesjustizminister

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, das Selbstbestimmungsgesetz sei Ausdruck einer Politik, für die die Grundrechte an erster Stelle stehen. „Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass der Staat ihre geschlechtliche Identität achtet. Und um dieses Menschenrecht geht es uns.“ Das geltende Recht schikaniere transgeschlechtliche Menschen, diesen unwürdigen Zustand wolle man beenden.

Künftig soll jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Das Gesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.

Nach dem Gesetzentwurf muss die Änderung nun drei Monate vor der Erklärung beim Standesamt angemeldet werden. Nach der Änderung gilt eine einjährige Sperrfrist für eine erneute Änderung. Bei Kindern unter 14 sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen.

Durch die Reform soll auch verhindert werden, dass gegen den Willen eines Menschen dessen frühere Geschlechtszuordnung oder der frühere Vornamen offengelegt wird. Hier droht ein Bußgeld. Dabei gibt es aber auch Ausnahmen: Laut Bundesregierung ist sichergestellt, „dass niemand sich durch Änderung des Geschlechtseintrags und seines Vornamens der Strafverfolgung entziehen kann“.

Intensive Debatten gab es im Vorfeld der Verabschiedung durch das Kabinett in der Frage von Hausrecht und dem Zugang zu geschützten Räumlichkeiten - etwa Saunen, Umkleidekabinen oder Frauenhäusern. Manche Frauenrechtlerinnen hatten Bedenken geäußert, solche Schutzorte generell auch für Trans-Personen öffnen zu müssen. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht nun unberührt. Kritik am Selbstbestimmungsgesetz kam immer wieder von der Union und der AfD. (dpa, AFP)

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