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Politik: Die Tiger sind müde

Was vor kurzem unvorstellbar erschien, scheint nun Wirklichkeit zu werden: Der Friedensprozess in Sri Lanka beschleunigt sich. Nach 19 Jahren Bürgerkrieg mit mehr als 65 000 Toten rückt eine Friedenskonferenz zwischen der Regierung in Colombo und den aufständischen Tamilentigern (LTTE) in greifbare Nähe.

Was vor kurzem unvorstellbar erschien, scheint nun Wirklichkeit zu werden: Der Friedensprozess in Sri Lanka beschleunigt sich. Nach 19 Jahren Bürgerkrieg mit mehr als 65 000 Toten rückt eine Friedenskonferenz zwischen der Regierung in Colombo und den aufständischen Tamilentigern (LTTE) in greifbare Nähe. Zu Wochenbeginn ist Anton Balasingham, der Chefunterhändler der Tamilen und Hauptberater des Tamilenführers Velupillai Prabhakaran aus seinem Londoner Exil in den von der LTTE beherrschten Norden Sri Lankas zurückgekehrt. In den tamilischen Norden aufgebrochen ist auch der norwegische Friedensvermittler Erik Solheim. Es heißt, Tiger-Chef Prabhakaran, ein Mann, der seit zwei Jahrzehnten im Untergrund lebt, werde möglicherweise selbst an der Friedenskonferenz teilnehmen. Die soll Anfang Mai stattfinden, möglicherweise auf den Malediven oder in Thailand.

Ebenfalls diese Woche begannen die Tiger, die wichtige Straße von Kandy im Süden in den tamilischen Norden und Osten zu entminen. Die andere Süd-Nordverbindung über den Elephantenpass ist erst vor wenigen Tagen geöffnet worden. Zum ersten Mal seit sieben Jahren konnten damit Versorgungstransporte für die notleidende tamilische Bevölkerung in den Norden fahren. Auf der zerbombten und seit langem vom übrigen Land völlig abgeschnittenen Jaffna-Halbinsel warten nun die geplagten Menschen in einer Mischung von verhaltenem Optimismus und leidgeprüftem Zynismus auf weitere Erleichterungen.

Sri Lankas Regierung hat an die UN appelliert, ihr beim Wiederaufbau zu helfen. Im Norden und Osten existiert nach zwei Jahrzehnten erbitterter Kämpfe keine Infrastruktur mehr. Der Internationale Währungsfonds hilft dem bankrotten Süden mit Krediten über die Runden. Der Krieg hat Colombo rund eine Milliarde Euro im Jahr gekostet, einen großen Teil des Bruttosozialprodukts, das bei 16 Milliarden Euro liegt. Das Wirtschaftswachstum ist praktisch zum Stillstand gekommen, Investitionen bleiben aus, die Hotels sind halbleer seit dem verheerenden Angriff der Tamilentiger auf den Flughafen im vergangenen Juni.

Seit beide Seiten am 23. Februar unter norwegischer Vermittlung ein permanentes Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet haben, herrscht in Sri Lanka Waffenruhe. Auch die Tamilentiger, die seit 1983 für ein eigenes Heimatland namens Eelam im Norden und Osten der Insel kämpfen, scheinen kriegsmüde zu sein. Denn sie haben mehr als eine Generation Tamilen, auch ganz junge Jungen und Mädchen, bei den Kämpfen verheizt. Amnesty International wirft ihnen weiter vor, immer noch Kindersoldaten zu rekrutieren, von denen manche erst zwölf Jahre alt sind.

Wie immer sind die nationalistischen singhalesischen Gruppierungen und die einflussreiche orthodoxe buddhistische Geistlichkeit gegen Friedensverhandlungen mit den Tamilentigern. Aber auch besonnene Beobachter sind skeptisch, ob die Erklärung der USA stimmt, nach denen die Friedensaussichten nie besser waren als jetzt. Denn es hat schon mehrere Waffenstillstände in den letzten 20 Jahren gegeben. Der letzte, 1995, wurde nach 100 Tagen von der LTTE gebrochen, nachdem sie die Zeit genutzt hatte, sich neu zu organisieren.

Gabriele Venzky

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