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Demonstrative Einigkeit zeigten die Spitzen der Regierung auf der Klausur in Meseberg, aber die Nervenenden sind aufgeraut.

© AFP

Political Animal: Die Regierung mit doppelter Legislatur

Die Probleme der Ampel-Koalition wiegen so schwer - sie braucht dringend eine Prioritätenliste. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wo wir doch in Berlin sind: Völker der Welt, schaut auf diese Stadt! Und das tun sie. Denn selten war eine Bundesregierung so wichtig wie diese, im Zeichen der Mammutkrisen. Da kann so viel richtig gemacht werden – aber eben auch falsch. Es kommt drauf an, und zwar in des Wortes zweifacher Bedeutung.

Manchmal wirkt es, als ob diese Legislaturperiode von der Last und vom Einfluss auf die Zukunft doppelt wöge. Tut sie natürlich nicht. Aber erstens ist diese Koalition, die es so noch nie gab, inzwischen auf dem Boden der harten Tatsachen aufgeprallt; zweitens wird ihre Vorstellung von Teamarbeit, zu Anfang sehr herausgestellt, nahezu täglich einer Belastungsprobe unterzogen.

Die Nervenenden sind aufgeraut

Das merkt man ihr inzwischen an, die Nervenenden sind bei manchen aufgeraut. Hinzu kommt der Druck auf die Spitzen, Regierung, Partei, Fraktion: ständig unter Beobachtung, ständig in der Beurteilung. Gut, wer sich in die Politik begibt, muss wissen, was er, was sie tut. Dennoch, es sind ja Menschen, und fehlbar sind wir alle. Das geht nur immer mal wieder unter in dieser Flut der Ereignisse.

Nicht immer Spitze, Verteidigungsministerin Lambrecht und Innenministerin Faeser, hier mit Außenministerin Baerbock (Mitte).

© IMAGO/Chris Emil Janßen

Apropos Beurteilung: Olaf Scholz, Robert Habeck, Annalena Baerbock – das ist die eine Kategorie, die auch schon nicht immer spitze ist. Was ist dann mit Klara Geywitz (Bauen), Christine Lambrecht (Verteidigung), Svenja Schulze (Entwicklung), Bettina Stark-Watzinger (Bildung) oder Nancy Faeser (Inneres)? Von denen hört man wenig bis nichts. Ist das jetzt gut so oder nicht?

Was treibt diese Regierung eigentlich an?

Nehmen wir nur mal das Innere. Da schillerten früher Namen wie Otto Schily, Wolfgang Schäuble, Horst Seehofer. Sie waren als Minister immer für Debatten gut, und seien es in manchen Fällen unselige gewesen. Und heute? Schwierig zu sagen, wer kennt überhaupt den Namen Faeser? Es wäre aufgefallen, wenn sie beispielsweise dauerhaft und öffentlichkeitswirksam die Organisation und Koordination der neuen Flüchtlingsfrage – der Ukrainer – an sich gezogen hätte. Jetzt, da Herbst und Winter und noch mehr von ihnen kommen.

Klar, alle Ressorts haben es schwer angesichts der Großwetterlage. Umso wichtiger wird es, zweierlei zu beantworten: Was treibt diese Regierung an? Welche Prioritätenliste hat sie?

Zuweilen mutet es angstgetrieben an, was sie tut, wegen Protesten von rechts und links und mutmaßlichen „Volksaufständen“ in unserer – immer noch – Wohlfahrtsgesellschaft. Und dann: Was steht für sie auf Platz 1, 2, 8? Wie staffelt sich was in welcher Zeit? Der systematische Angang der Herausforderungen muss auch dringend ins Land hinein vermittelt werden, damit die Menschen nicht den Eindruck haben, es gehe weniger um substanziierte Lösungen als darum, die Wähler (zum Beispiel in Niedersachsen) happy zu machen. Dafür wäre ein „Konsistenzcheck“ dringend geraten – es kommt doch auf diese Regierung an.

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