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Redete sich in Rage: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Bundestag.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Die Ampel-Koalition zerfleischt sich: Die fünf emotionalsten Momente der Taurus-Debatte

Seit Wochen diskutiert die Koalition über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. In einer hitzigen Debatte im Bundestag kommt es zum Showdown. SPD und Grüne gehen sich frontal an.

Es war eine Debatte, die die Ampel noch lange intern beschäftigen dürfte. Zum wiederholten Mal hat die Union am Donnerstag einen Antrag für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ins Parlament eingebracht. Zwar hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst am Vortag sein Nein erklärt, doch die Union will bei dem Thema nicht locker lassen – auch weil es innerhalb der Ampel-Koalition große Zweifel gibt.

Abgeordnete von Grünen und FDP haben in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass sie eine Lieferung des Taurus unterstützen wurden. Aus dem Riss ist spätestens am Donnerstag im Bundestag ein Graben geworden. Auf offener Bühne zogen SPD, Grüne und FDP übereinander her. Am Ende stimmte eine Ampel-Mehrheit zwar gegen den Antrag, doch das Geschehene dürfte Spuren hinterlassen.

Grünen-Fraktionsvize knöpft sich Scholz vor

Die Debatte beginnt mit Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. Zwei Minuten spricht sie einleitend über das Leid in der Ukraine, dann beginnt sie mit ihrer Abrechnung mit dem Kanzler. Natürlich würden die Grünen bei Waffenlieferungen alle Risiken sorgfältig abwägen. Man sei sich der Tragweite bewusst. „Das lassen wir uns nicht absprechen – auch nicht vom Bundeskanzler.“

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Die Ukraine brauche Munition und weitreichende Waffen, sagt Brugger und nennt ausdrücklich die Taurus. Frankreich und Großbritannien hätten ähnliche Systeme geliefert, ohne dass sich der Konflikt ausgebreitet habe. „Auch Zögern und Zaudern kann am Ende zur Eskalation beitragen“, sagt Brugger deutlich in Richtung Scholz, der nicht in den Bundestag gekommen ist. Sie kritisiert, dass Scholz der Ukraine nicht vertraue. Bei allen Waffenlieferungen habe sich die Ukraine bisher an die Abmachungen gehalten.

Die Zeiten von Gerhard Schröder sind zum Glück schon lange vorbei.

Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger kritisiert das Auftreten des Kanzlers.

Auch den Stil des Bundeskanzlers kritisiert die Grünen-Politikerin unverhohlen. Das Leid in der Ukraine sei zu groß, die Gefahr für die Sicherheit zu hoch, „als dass eine Debatte darüber einfach für beendet erklärt werden kann“, sagt Brugger und legt nach: „Die Zeiten von Gerhard Schröder sind zum Glück schon lange vorbei“, sagt sie über dessen bekanntes „Kanzler-Basta“.

CDU-Politiker erhält Applaus von Außenministerin Baerbock

Nach Brugger tritt der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul ans Redepult und dankt seiner grünen Vorrednerin. Auch er knöpft sich Olaf Scholz vor. Er habe bei der Regierungsbefragung am Vortag durch sein Auftreten „Gemeinsamkeiten zerstört“.

Ihre vermeintliche Besonnenheit hat Herrn Putin immer wieder nur befeuert in seiner Aggression gegen die Ukraine.

CDU-Politiker Johann Wadephul kritisiert die Russland-Politik des Kanzlers.

Dann wird er grundsätzlich. Deutschland habe lange versucht, sich mit Russland zu arrangieren. Selbstkritisch erwähnt Wadephul den Umgang mit den Nordstream-Pipelines zu Zeiten von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch in der Debatte über schwere Waffen habe sich Deutschland lange zurückgenommen. „Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass Herr Putin nicht ein einziges Mal positiv reagiert hat“, sagt Wadephul. „Ihre vermeintliche Besonnenheit hat Herrn Putin immer wieder nur befeuert in seiner Aggression gegen die Ukraine.“

Immer wieder schwenkt die Kamera während der Rede zu Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die auf der Regierungsbank Platz genommen hat. Sie nickt bei den Ausführungen von Wadephul, deutet mehrfach Applaus an.

SPD-Fraktionschef Mützenich spricht vom „Einfrieren“ des Krieges

Ganz anders bei Rolf Mützenich, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden, der zu einer großen Verteidigungsrede des Kanzlers ansetzt und hart mit den Koalitionspartnern und der Union ins Gericht geht. Kein anderes Land führe eine Debatte über ein einzelnes Waffensystem, kritisiert er gleich zu Beginn. „Auf diese Debatte brauchen wir uns nichts einzubilden, auch weil eigennützige und niedere politische Beweggründe den Streit leider anheizen“, sagt der SPD-Politiker.

Er betont die große Hilfe Deutschlands für die Ukraine. Die Taurus-Abstimmung kritisiert er als „kleinteilig“. Stattdessen solle sich der Bundestag mit anderen Fragen beschäftigen. So sei es ein „Schandfleck“, wenn man diese Frage stelle: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie wir einen Krieg führen, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“ Später erwähnt er die Gefahr russischer Atomwaffen.

Auf der Regierungsbank sitzt Außenministerin Baerbock mit versteinerter Miene. Erst vor drei Wochen hat die Ampel einen Antrag verabschiedet, in dem unter anderem die ukrainische Rückeroberung der Krim gefordert wird. Mützenichs Einfrier-Frage steht dem konträr gegenüber.

Versteinerte Miene. Außenministerin Annalena Baerbock im Parlament.
Versteinerte Miene. Außenministerin Annalena Baerbock im Parlament.

© dpa/Britta Pedersen

An diesem Tag kommen Differenzen in der Ampel offen zur Sprache. Manches Maß in der Koalition sei verloren gegangen, kritisiert Mützenich. „Dass dem kein Einhalt geboten worden ist, ist ein Armutszeugnis.“ Es sei „unredlich“ und „bösartig“, dass der Kanzler als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet worden sei. So hatte sich zuvor der Grünen-Politiker Anton Hofreiter über Scholz geäußert.

Wagenknecht: Ukraine kann nicht gewinnen

Auch Sahra Wagenknecht (BSW) lässt sich die Gelegenheit einer Rede nicht nehmen. Darin erwähnt sie Russlands Verantwortung für den Krieg mit keiner Silbe. Stattdessen kritisiert sie immer neue Waffenlieferungen an Kiew. „Haben Sie alle den Verstand verlore? Die ganze Welt außerhalb der deutschen Politikblase weiß, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann“, kritisiert Wagenknecht.

In der Ukraine werde nicht mehr gesiegt, sondern nur noch gestorben. Eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, sagt sie, würde daran nichts ändern. Nur Deutschland werde dadurch Kriegspartei, warnte Wagenknecht. „Kommen Sie endlich zur Besinnung, bevor es zu spät ist.“

Stegner kritisiert „rhetorische Militanz“ bei Grünen und FDP

Die letzte Rede an diesem Tag hält Ralf Stegner. Nachdem vor ihm alle Redner von Grünen und FDP für eine Lieferung von Taurus geworben haben, kritisiert auch er die Koalitionspartner. „Ich weiß nicht, wo diese rhetorische Militanz hinführen soll“, sagt Stegner.

Dann knöpft er sich die Union und deren „Obsession“ für einen Marschflugkörper vor. Man merke, dass die Konservativen vor 58 Jahren den letzten Außenminister gestellt hätten. „Die Kompetenzen sind vollständig abhanden gekommen an dieser Stelle“, sagt Stegner und kritisiert auch Stimmen von CDU und CSU, die Mützenich Appeasement vorgeworfen hatten. „Das ist eine Unverschämtheit“, sagt Stegner. An dieser Stelle klatschen, wie so häufig an diesem Tag, aber nur die Abgeordneten der SPD. Grüne und FDP regen sich nicht.

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