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Chinas Außenminister Wang Yi

© AFP/Christof Stache

Die Morgenlage aus der Hauptstadt: China wundert sich über die Sinnkrise des Westens

+++Pompeo ruft China zum größten Gegner aus+++Macron ist genervt von Deutschland+++AKK hat nur noch wenig zu sagen+++

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Wir waren das ganze Wochenende bei der 56. Sicherheitskonferenz in München unterwegs und interessant ist da ja vor allem, was auf den Gängen und in den Expertenrunden am Rande so besprochen wird. Hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse.

Sinnkrise des Westens: Chinas Außenminister Wang Yi ist fast amüsiert, wie der Westen in München auf der Couch liegt. Er schenkt reinen Wein ein. Das westliche Modell interessiere nicht, werde daher auch nicht kopiert. Was die Lage gut beschreibt, siehe die Unterdrückung der Uiguren, die immer perfektere Digital-Diktatur, das Verhalten im Südchinesischen Meer. Aus seiner Sicht gibt es keinen Westen, Osten, Norden oder Süden, sondern eine Welt, wo man miteinander versucht, auszukommen. Da arbeite man nach Regeln des Völkerrechts und bestimmter Normen – mit dem Grundsatz der Nichteinmischung. US-Außenminister Mike Pompeo ruft derweil China zum größten Gegner aus – und geißelt die Schwarzseher: „Der Westen gewinnt“, verspricht er. Aber die Europäer trauen der Regierung Trump nicht, die Partnerschaft wird nie wieder so sein, wie sie war.

Wer wird zum Vorbild? Der Weg von Kanadas Premier Justin Trudeau. Er wirbt für eine gezielte Diversifizierung der Beziehungen. Kanada sei das erste G7-Land, das Freihandelsverträge mit allen anderen G7-Ländern habe. Es ist ein sehr eloquent ausgedrücktes „Ätsch“ an die Adresse der USA. Die EU macht es Kanada nach und sucht neue Handelspartner. Und Außenminister Heiko Maas (SPD) baut mit der „Allianz der Multilateralisten“ gezielt die Freundschaft zu Ländern wie Japan oder Australien aus. Und WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus mahnt, das Corona-Virus zeige doch gerade, wie wichtig die verlässliche, regelbasierte internationale Zusammenarbeit sei. „Die Gesundheit ist eine Brücke zwischen den Ländern.“

Das trojanische Pferd Huawei? In der Frage, ob der Netzwerkausrüster beim Aufbau der 5G-Netze in Deutschland zum Zuge kommen soll, gibt es einen großen Dissens mit den USA. Es ist das Thema am Rande – die US-Geheimdienste drohen ja, keine Informationen mehr zu teilen, da sie in Huawei ein trojanisches Pferd des chinesischen Geheimdienstes sehen. Die USA wollen sich nach Teilnehmerangaben notfalls beim europäischen Huawei-Konkurrenten Ericsson einkaufen, damit der in die Lage versetzt wird, auf einem ähnlichen Niveau die Technik für die Datennetze der Zukunft anzubieten. Scharfe Kritik gab es laut Teilnehmern der vertraulichen Runden an der Deutschen Telekom, die habe sich aus Kostengründen schon viel zu stark auf chinesische Huawei-Technik eingelassen (hier ein Interview mit dem US-Sonderbeauftragten für Telekommunikationspolitik).

„Lame duck“ Merkel? Emmanuel Macron ist genervt, auch wegen des Bremsens der Kanzlerin beim EU-Finanzbudget bis 2027. Sorgen werden geäußert, über ein fortgesetztes Koalitions-Siechtum wegen der CDU-Krise und fehlende Dynamik für die wichtige deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab Juli. Macron traf sich in München bereits für ein dreistündiges Abendessen mit den Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock. Und der mögliche neue CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet wirkte auf dem Podium so, als laufe er sich schon warm. „In der Zeit von Helmut Kohl kamen die großen europäischen Initiativen aus Deutschland“, sagte er. Abschaffung der Grenzen, Euro, Binnenmarkt. „Heute macht der französische Präsident Vorschläge und wir brauchen relativ lange, um darauf zu antworten.“ Das ist mehr als eine Stichelei gegen die Noch-Kanzlerin. Laschet macht deutlich: hier braucht es endlich mehr Dynamik.

Wer soll gehen? Angela Merkel – so kommentiert es der renommierte „Economist“ in der neuen Ausgabe: „Angela Merkel should quit soon.“ Sie wollte immer selbstbestimmt aus dem Amt scheiden, 2018 wäre das möglich gewesen, als sie den CDU-Vorsitz abgegeben hat. Doch sie wollte nicht weichen und ging ein Experiment ein, das einige Kollertalschäden hervorgerufen hat. Nun ist Annegret Kramp-Karrenbauer Opfer der Trennung von Kanzleramt und Vorsitz geworden, ihr fehlte die Autorität. Merkel mag in der Causa Thüringen das Heft des Handelns übernommen haben, aber auch nach einer Lösung der CDU-Machtfrage dürfte der Dualismus mit Merkel im Kanzleramt weitere Probleme nach sich ziehen.

Wessen Plan könnte scheitern? Der von Kramp-Karrenbauer. Sie wollte die Suche ihres Nachfolgers „von vorne“ führen. Doch wie die „Welt“ detailliert berichtet, laufen die Besprechungen schon längst hinter ihrem Rücken. Zwei Mal schon sollen sich Friedrich Merz und Armin Laschet getroffen haben, dazu Laschet mit Merkel in der NRW-Landesvertretung in Berlin. Auch mit Spahn wurde gesprochen. „Kramp-Karrenbauer wird hingegen nur noch auf dem Laufenden gehalten.“ Da sich Merz bisher keiner Paketlösung beugen will, könnte es schwierig werden, zu einer gütlichen Einigung zu kommen. „AKK“ führt diese Woche mit allen drei Kandidaten Einzelgespräche. Aber sie wirkt so geschwächt, dass sich die Frage stellt, ob sie als Verteidigungsministerin, gerade auch im Ringen um weitere Milliardenaufstockungen für die Bundeswehr, noch genug Autorität besitzt, um ihren ganzen Ankündigungen von Verbesserungen für die Truppe Taten folgen zu lassen.

Lesetipp: Daniel Ziblatt, Professor für Regierungslehre in Harvard und Autor des Bestsellers „Wie Demokratien sterben“, hat sich Gedanken über den Tabubruch von Thüringen gemacht. Anders als in den USA, wo Donald Trump unwidersprochen von seiner Partei Normen brechen kann, habe sich die deutsche Demokratie nach der Wahl Thomas Kemmerichs mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten als stabil erwiesen. „Am bedeutsamsten war der politische Preis, den alle betroffenen Politiker bezahlen mussten. (…) In Deutschland wurden kostspielige gesellschaftliche Sanktionen verhängt gegen diejenigen, die die Norm missachtet hatten, nicht mit Rechtsextremen zu kooperieren.“

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