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Viele Bauern wie hier in Cottbus glauben nicht an Dialogbereitschaft.

© dpa/Jens Kalaene

Woher soll das Geld kommen?: Kompromisslösung für die Bauern lässt auf sich warten

Am Montag haben die Fraktionsspitzen angesichts der Bauernproteste zum Krisengespräch geladen. Viel Spielraum aber gibt es nicht.

Die Bauern bleiben wütend. Kanzler Olaf Scholz (SPD) steht in einer Halle in Cottbus, er redet über den Strukturwandel in der Lausitz, da dröhnen von draußen Motorengeräusche und Hupen in die Halle.

Zur Eröffnungsfeier eines hochmodernen ICE-Bahnwerks in Cottbus sind nicht nur geladene Gäste gekommen, sondern auch die protestierenden Bauern. Über 50 Traktoren und einige Schlepper stehen vor der Werkhalle.

Scholz ist auch da, um zu reden. Nicht mit den wütenden Bauern, obwohl sie ihn eingeladen hatten, aber immerhin mit dem Landesbauernpräsidenten Henrik Wendorff. Das hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Vortag angekündigt.

Fast eine Stunde dauert das Gespräch zwischen ihm, Wendorff und dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD). Es sei „sachlich“ und „lösungsorientiert“ gewesen, sagt Wendorff später. „Es ist erkannt worden, dass jetzt – leider viel zu spät – in einen Dialog eingetreten wird, den wir schon lange, lange erwartet haben“, sagt er.

Regierung sieht ihre Spielräume begrenzt

Den Dialog suchte auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Am Mittwochabend sprach er in der Stadthalle Ellwangen, mehrere Medien übertrugen die Rede. Der Landfrauenchor sang „Die Gedanken sind frei“, das gefiel Özdemir, es passe in die Zeit, sagte er. „Die Voraussetzung fürs Gespräch ist“, sagte er, „dass der andere Recht haben könnte.“ Diesen gegenseitigen Respekt würde er sich von beiden Seiten wünschen.

Dass die Ampelkoalition mit den Bäuerinnen und Bauern sprechen möchte, daran besteht kein Zweifel. Für Montag haben die Fraktionsvorsitzenden von SPD, FDP und Grünen die Bauernverbände zu einem Krisengespräch eingeladen.

Wir ziehen nichts durch, sondern wir diskutieren.

Rolf Mützenich, SPD-Fraktionschef

Doch die Spielräume der Bundesregierung sind begrenzt. Aus ihrer Sicht ist sie schon weit auf die Bauern zugegangen. Von ihrem ursprünglichen Vorhaben, die Kfz-Steuerprivilegien abzuschaffen, ist sie wieder abgerückt. Die Dieselsubvention für die Landwirtschaft soll abgeschafft werden, aber langsamer als ursprünglich angedacht. „Das ist nicht nix“, sagte Özdemir in Ellwangen. Der Beschluss, die schrittweise Abschaffung der Subventionen des Agrardiesels vorzunehmen, „der steht“, sagte Regierungssprecher Hebestreit.

Im Brief der Fraktionsvorsitzenden an die Verbände, der dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es, die aktuellen Demonstrationen würden zeigen, dass es nicht „nur um finanzielle Belastungen geht, sondern auch um fehlende Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven für die landwirtschaftlichen Betriebe“. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, dass er die Diskussion ergebnisoffen führen wolle.

Er schloss Änderungen beim Abbau der Steuererleichterungen für Agrar-Diesel nicht grundsätzlich aus. „Wir ziehen nichts durch, sondern wir diskutieren“, sagte er.

Woher soll das fehlende Geld kommen?

An der Dialogbereitschaft der Bundesregierung aber zweifeln viele Bauern. Vor den Kürzungsentscheidungen waren sie nicht einbezogen worden, genauso wenig wie der zuständige Minister Özdemir, so jedenfalls stellt er es dar. In Ellwangen sprach er sich ebenfalls für „mehr Planungssicherheit, mehr Investitionssicherheit“ für die bäuerlichen Betriebe aus.

43.500
Euro betrug 2021/22 das Bruttoeinkommen je Arbeitskraft in der Landwirtschaft.

Doch woher soll das Geld kommen, würde die Regierung sich weiter auf die Landwirte zubewegen? Eine Möglichkeit, das Geld dafür anderswo zu beschaffen, wäre wohl eine sogenannte Tierwohlabgabe zu erheben.

Eine maßvolle Abgabe für Verbraucher „um wenige Cent pro Kilo“ bei Fleischprodukten würde helfen, die nötige Finanzierung für den Stallumbau aufzubringen, schlug Minister Özdemir vor. Der Bundestag hat sich bereits damit befasst. „Eine Tierwohlabgabe ist in meinen Augen ein geeignetes Instrument, um den Umbau der Tierhaltung mitzufinanzieren“, sagte die frühere Agrarministerin Renate Künast (Grüne) dem Tagesspiegel.

Bislang sperrt sich das Bundesfinanzministerium dagegen. Künast forderte eine Vorlage aus dem Finanzministerium. Es müsse „endlich vorangehen“.

Kritisch sieht die FDP das Vorhaben. „Bedenklich ist, dass sich das Preisgefüge zu Ungunsten deutscher Produzenten entwickeln würde“, sagte der ernährungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker, dem Tagesspiegel. Derzeit wirkt es daher nicht so, als habe die Ampel eine Kompromisslösung für die Bauern im Angebot.

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