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Habeck, Scholz und Lindner.

© imago/Christian Spicker / IMAGO/Christian Spicker

Update

„Das ist hier ein Doppel-Wumms“: Ampel einigt sich auf Energiepreisbremse

Nach langem Ringen hat sich die Ampel-Koalition auf eine Gaspreisbremse verständigt, um die Bürger zu entlasten. Dafür nimmt sie 200 Milliarden Euro in die Hand.

Die Ampel-Koalition hat sich auf eine Energiepreisbremse im Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro geeinigt. Das teilten am Donnerstagmittag Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit. „Die Preise müssen runter“, sagte Scholz, der zu der Pressekonferenz wegen seiner Corona-Infektion virtuell zugeschaltet wurde.

Demnach soll die bis zuletzt offene Finanzierung über den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) aus der Corona-Zeit finanziert werden. Dieser wird mit 200 Milliarden Euro befähigt. „Diese 200 Milliarden Euro werden wir mit einer Kreditaufnahme finanzieren“, sagte Scholz. Kein Bürger soll sich Sorgen machen mit Blick auf den Winter und anstehende Gasrechnungen.

„Das ist hier ein Doppel-Wumms“

Er habe ja bei anderer Gelegenheit von einem Wumms gesprochen, sagte Scholz mit Blick auf die von ihm als Finanzminister angekündigten Milliardenhilfen in der Corona-Pandemie. „Das ist hier ein Doppel-Wumms“, sagte Scholz weiter. Es sei die Überzeugung der Ampel, die Bürgerinnen und Bürger in der Krise zu entlasten. „Dafür wird die Bundesregierung alles tun“, sagte Scholz.

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Wir befinden uns in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit.

Christian Lindner

Zugleich soll die Schuldenbremse ab 2023, wie von Lindner geplant, eingehalten werden. „Wir befinden uns in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit“, sagte Lindner. Man gehe weiter sorgsam mit dem Steuergeld der Bürgerinnen und Bürger um, versicherte der Finanzminister. „Solide Finanzpolitik ist auch eine Form der Freiheitspolitik.“

Die Gas-Umlage ist Geschichte

Die umstrittene Gas-Umlage fällt, stattdessen sollen zum Beispiel Gasimporteure und lokale Versorger massive finanzielle Unterstützung bekommen und im Gegenzug die höheren Einkaufspreise für Gas nicht an die Endkunden weitergeben. „Die Gasumlage wird jetzt in die Annalen der Geschichte eingehen“, sagte Habeck. Sie sei ein Instrument gewesen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu garantieren, so Habeck. Nun gebe es ein passenderes Instrument. Wenn schon Geld gezahlt wurde über die Gasumlage, werde dies zurückgezahlt, so Habeck.

Das Zählwerk in einem Gaszähler dreht sich und zeigt den Verbrauch von Gas in einem Privathaushalt an (Symbolbild).

© dpa/Jens Büttner

Das seien 200 Milliarden für einen Abwehrschirm, „der Putins Angriff auf unser Volkswirtschaft abwehren soll“, sagte Habeck. Weiter mahnte der Wirtschaftsminister, es müsse weiter Gas eingespart werden: „Es muss darauf geachtet werden, dass die Spitzenverbräuche nicht subventioniert werden.“

Der WSF war in der Corona-Pandemie begründet worden, um mit Kreditermächtigungen Unternehmen zu helfen, damit sie wegen der Produktionseinbrüche nicht in die Insolvenz rutschen. Damals sei er mit bis zu 600 Milliarden Euro ausgestattet gewesen, erinnerte Lindner. In der Ampel-Koalition wurde besonders das Gemeinschaftliche Erarbeiten des Abwehrschirms betont, nach zuletzt schwierigen Wochen ist die Ampel spürbar um einen Befreiungsschlag bemüht.

Experte warnt: Ohne Einsparanreize wirkt Bremse nicht

Der Energieexperte Malte Küper vom Institut der Deutschen Wirtschaft, betont, dass es entscheidend sei, dass nur ein bestimmter Energiebedarf subventioniert werden dürfe, damit es auch noch genug Sparanreize gibt. Als ein Modell wird eine Deckelung von 70 bis 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs diskutiert, der darüber liegende Verbrauch würde mit den sehr hohen Preisen belastet.“ Sinkt der Sparanreiz der Haushalte aufgrund des Instruments, dürfte sich das Preis- und Mengenproblem noch verschärfen“, warnt Küper. „Entscheidend bleibt daher, dass weniger Gas verbraucht und das Angebot möglichst ausgeweitet wird. Dazu gehört auch, mehr Stromkapazitäten ans Netz zu bekommen, etwa über den Streckbetrieb von AKWs oder weitere Kohlekraftwerke. Gerade bei der Rückkehr von Kohlekraftwerken aus der Reserve wurde sich in den letzten Wochen zu viel Zeit gelassen.“

Zuletzt war der Druck auf die Ampel-Koalition stark gewachsen, mit weiteren Kurskorrekturen die tiefe Energiekrise zu bekämpfen, die durch die Drosselung russischer Erdgaslieferungen und die stark gestiegenen Bezugspreise für Gas entstanden war. Nach den mutmaßlichen Sabotageakten gegen die Nord Stream-Pipelines in der Ostsee ist offenkundig, dass hierüber kein Gas mehr fließen wird.

Lindner, Scholz und Habeck wollen am Mittag die Ergebnisse vorstellen.

© Foto: Imago/Political-Moments

Zuvor hatte die Regierung bereits drei Entlastungspakete im Volumen von rund 100 Milliarden Euro geschnürt. Zudem war als Reaktion auf den russischen Überfall in der Ukraine und die Drohungen gegen den Westen ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufgelegt worden. Noch nie musste eine neue Bundesregierung in so kurzer Zeit so große Krisenprogrammen auflegen und grundlegende Kurskorrekturen einleiten. Mit dem neuen Paket über den WSF würde de facto ein weiterer Schattenhaushalt dazukommen.

Die Maßnahmen müssen wirksam, spürbar, einfach, verständlich und schnell umsetzbar sein.

MPK-Beschluss

Zudem plant die Koalition eine zusätzliche Strompreisbremse, da durch die derzeit extrem teure Gasverstromung auch hier die Preise für Bürger und Unternehmen stark steigen.

Die Länder-Regierungschefs hatten nach einer Ministerpräsidentenkonferenz an den Bund am Mittwoch appelliert, einen Energiepreisdeckel für Strom, Gas und Wärme einzuführen, um die Kosten-Explosionen für Privathaushalte und Unternehmen zu begrenzen. Im einstimmig geschlossenen Beschluss der Länder heißt es: „Die Maßnahmen müssen wirksam, spürbar, einfach, verständlich und schnell umsetzbar sein.“

Die Länderchefs hatten auf einen Energiepreisdeckel gedrängt.

© Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Am 4. Oktober soll darüber mit Kanzler Olaf Scholz beraten werden. Der eigentlich im Anschluss an die MPK geplante Termin war wegen der Corona-Infektion von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verschoben worden.

Lindner pocht auf Einhaltung der Schuldenbremse

So gewann die Ampel-Koalition Zeit, ihrerseits die nun erzielte Einigung auf eine Gaspreisbremse vorzubereiten; ein Hauptstreitpunkt war die Finanzierung, da Finanzminister Lindner auf das Einhalten der Schuldenbremse ab 2023 pocht. Bisher ist unklar, ob die Union das mittragen wird, zugleich pochen eben auch Unions-regierte Länder auf einen großen Befreiungsschlag. Scholz hatte seinerzeit als Finanzminister die über den WSF finanzierten Maßnahmen als „Bazooka“ bezeichnet, mit der größere Verwerfungen vermieden werden sollten.

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Zahlreiche Unternehmen, vor allem in der Industrie haben bereits ihre Produktion gedrosselt oder könnten sie in Länder mit günstigeren Energiepreisen verlagern. Anders als in der Pandemie, die vorübergehend und zeitlich absehbar, für starke Einschränkungen sorgte, ist nun aber damit zu rechnen, dass die Energiepreise noch längere Zeit enorm hoch bleiben werden; bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs bezog Deutschland 55 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland.

Die Zahlen dieser Woche sind damit sehr ernüchternd.

Klaus Müller zu den privaten Gasverbrauchen

Jahrelang wurde die gute wirtschaftliche Entwicklung auch dank der billigen Energie aus Russland unterstützt, nun erweist sich die starke Abhängigkeit als fatal. Mit dem Temperatursturz der vergangenen Tage schnellt trotz der kritischen Lage der private Gasverbrauch in die Höhe – anders als von der Bundesregierung trotz aller Sparappelle gehofft. Um 14,5 Prozent über den Werten der Vorjahre habe der Gasverbrauch in der vergangenen Woche gelegen, teilte die Bundesnetzagentur am Donnerstag mit. „Die Zahlen dieser Woche sind damit sehr ernüchternd“, sagte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.

Appell: Gassparen bleibt wichtig

In der ersten Septemberhälfte lag der Verbrauch dagegen noch deutlich unter dem der Jahre 2018 bis 2021. „Einsparungen müssen auch bei weiter sinkenden Temperaturen stattfinden“, so Müller. Die privaten Haushalte machen rund 40 Prozent des deutschen Gasverbrauchs aus, die Bundesregierung rechnet damit, dass rund 20 Prozent Einsparung notwendig sind. „Ohne erhebliche Einsparungen auch im privaten Bereich wird es schwer, eine Gasmangellage im Winter zu vermeiden“, sagte Müller.

Ob mit einer Gaspreisbremse, der Abschaffung einer Gasumlage und der Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Gas aber noch genug Anreize zum Sparen gegeben sind, muss sich die Bundesregierung wohl noch einmal fragen. „Die Notwendigkeit, Energie zu sparen, bleibt bestehen“, sagte Robert Habeck.

Deutschland steuert nach Einschätzung führender Wirtschaftsforschungsinstitute direkt in eine Rezession - mit herben Wohlstandsverlusten über längere Zeit. „Die Hauptbelastung findet derzeit bei den privaten Haushalten statt, die einen massiven Kaufkraftverlust hinnehmen müssen. Und der wird sich im Laufe des nächsten Jahres noch verstärken“, sagte Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung bei der Vorlage des Herbstgutachtens führender Wirtschaftsforscher.

Lesen Sie hier die Beschlüsse im Wortlaut

Deutschland droht eine Rezession

Auch für das kommende Jahr zeichnen die Experten ein düsteres Bild: „Der Wohlstandsverlust durch den Abfluss von Einkommen durch die höheren Energiepreise wird auch längerfristig Bestand haben. Das ist kein vorübergehendes Phänomen, das wird uns länger beschäftigen“, sagte Schmidt. Die Industrie dagegen zeige sich noch relativ robust, weil Auftragsbücher gut gefüllt seien.

Insgesamt sagen die Wirtschaftsforscher in ihrem Herbstgutachten eine Rezession für Deutschland voraus: Drei Quartale hintereinander werde die Wirtschaft schrumpfen, im zu Ende gehenden Sommerquartal, im Herbst und Anfang 2023. Für das Gesamtjahr 2022 rechnen die Experten wegen des besseren ersten Halbjahrs noch mit einem kleinen Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, für 2023 sagen sie einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent voraus.

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