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Politik: Am Kap der kleinen Hoffnung

Der gesellschaftliche Umbruch hat in Südafrika gerade erst begonnen

Von Wolfgang Drechsler,

Kapstadt

Vor zehn Jahren waren in Südafrika Cornedbeef und Kerzen restlos ausverkauft. Wegen der ersten freien Wahl erwartete Weiß-Südafrika den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung. Jetzt stehen wieder Wahlen an, doch niemand hortet deswegen mehr Kerzen und Cornedbeef. Was einst Panik auslöste, ist heute Selbstverständlichkeit. Auch Kanzler Gerhard Schröder wird sich von der Normalisierung im einstigen Rassenstaat überzeugen, wenn er auf seiner Afrikareise an diesem Donnerstag Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki treffen wird.

Allerdings war das erste Jahrzehnt der Demokratie bei allen Fortschritten bei Hausbau, Wasserversorgung und Finanzdisziplin kein leichtes. Besonders bedrückend ist neben der hohen Kriminalität, dass monatlich mehr Südafrikaner an Aids sterben, als der politischen Gewalt in den letzten 20 Jahren Apartheid zum Opfer gefallen sind. Schröder wird diesem Umstand mit dem Besuch eines Aids-Zentrums im Township Mamelodi bei Pretoria Rechnung tragen. Präsident Mbeki selbst vertritt in puncto Aids eine sehr eigene Auffassung: Zwar will sein Afrikanischer Nationalkongress (ANC) nun doch Aids-Medikamente gratis durch den staatlichen Gesundheitsdienst verteilen. Doch der Präsident selbst hält daran fest, dass der HIV-Virus in Afrika nur eine von vielen Ursachen für die Aids-Epidemie ist. Auch die Situation im benachbarten Simbabwe überschattet Mbekis Präsidentschaft, wo die Opposition seit vier Jahren brutal drangsaliert wird. Mit Unbehagen registriert das Ausland, dass der ANC zu Terror und Anarchie schweigt. Jetzt ist Südafrikas Politik der „stillen Diplomatie“ sogar in offene Unterstützung Mbekis für Diktator Robert Mugabe umgeschlagen.

Die Einkommensunterschiede in Südafrika zwischen Schwarz und Weiß, mehr noch zwischen reichen und armen Schwarzen, gehören zu den größten der Welt. Nach Angaben des Statistischen Amtes hat nur die eher kleine schwarze Mittelklasse von der Politik des ANC profitiert. Den ärmsten 50 Prozent der Bevölkerung ging es im Jahr 2000 indes schlechter als 1994 – dem Jahr, in dem der ANC die Macht übernahm. Vielen Südafrikanern, allen voran der Regierung, scheint erst jetzt klar zu werden, dass die Abschaffung der Apartheid der leichtere Teil des gesellschaftlichen Umbruchs war. Als weit schwieriger hat es sich erwiesen, ein tragfähiges wirtschaftliches Fundament zu legen, das den politischen Wandel stützt. Und hier können Schröder und seine Entourage von Wirtschaftskapitänen möglicherweise Hilfestellung leisten.

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