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Der Jaguar F-Pace braucht schon eine angemessene Kulisse - in diesem Fall das Palmenhaus im Wörlitzer Park in Sachsen-Anhalt.

© TSP/Andreas Conrad

My Car is my Castle: Mit dem Edel-SUV Jaguar F-Pace über Brandenburgs Landstraßen

Nur 14-fach verstellbare Sportsitze oder lieber 18-fach? Nur 300 PS oder doch eher 575 PS? Solche Fragen muss sich stellen, wer mit dem Erwerb dieser Luxuskarosse liebäugelt.

Schade, die Toranlage mit den beiden Backsteinportalen und den einst das Oranienburger Tor in Berlin zierenden Sandsteintrophäen ist verschlossen. Wäre sicher ein erhebendes Gefühl, standesgemäß motorisiert auf den Hof des ehemaligen Landguts der Industriellenfamilie Borsig zu rollen, des heutigen Hotels Landgut Stober im brandenburgischen Groß Behnitz. Eine ideale Kulisse für den in edlem „Carparthian Grey“ daherkommenden Jaguar F-Pace.

An möglichen Fotomotiven hätte es auf dem großzügigen Areal keinen Mangel, beispielsweise vor der auf historischem Pflaster geparkten Dampflok, Reminiszenz an die Produkte, mit denen das Unternehmen Borsig einst groß und berühmt wurde - ein Luxusgefährt des 21. vor dem ultimativen Transportmittel des 19. Jahrhunderts.

Aber egal, die rotbraunen Triumphbögen mit den geschlossenen Torflügeln, Meisterwerken alter Schmiedekunst, tun es als fotogener Rahmen für den wuchtige Kraft ausstrahlenden und doch überaus elegant daherkommenden Wagen ja auch.

Sitze mit Kühl- und Massagefunktion

Ebenso passend als Kulisse für ein kleines Fotoshooting im Brandenburgischen wäre sicher eine Ritterburg, sagen wir Burg Rabenstein im Fläming oder die Plattenburg in der Prignitz. Solch eine Aufnahme würde doch am besten das solide Sicherheit ausstrahlende Raumgefühl in diesem britischen Edel-SUV widerspiegeln: „My car is my castle.“ Aber selbstverständlich keines mit dem bescheidenen Komfort mittelalterlicher Herrensitze: Schon die unterste Ausstattungslinie des F-Pace wartet - dies nur als Beispiel - mit 14-fach, davon 12-fach elektrisch verstellbaren Sportsitzen samt Memory-Funktion für den Fahrer auf, bezogen mit einem Mix aus Leder und umweltfreundlich produziertem Kunstleder.

Das geht dann schrittweise hoch bis zur Top-Ausstattung mit 18-facher Verstellbarkeit, Kühlfunktion sowie Memory- und Massagefunktion für Fahrer und Beifahrer. Bezogen sind diese, man muss schon sagen, Premium-Sitze mit perforiertem Windsor-Leder, laut dem Hersteller Jaguar Land Rover (JLR) „die hochwertigste verfügbare Lederausstattung“.

Auch vor dem ehemaligen Anwesen der durch Lokomotiven reich und berühmt gewordenen Industriellenfamilie Borsig im brandenburgischen Groß Behnitz macht sich der Jaguar F-Pace gut.

© TSP/Andreas Conrad

Hat man sich in dieser luxuriösen, ihr Pendant im Fond findenden, trotz aller Bequemlichkeit eher sportlichen als kuscheligen Sitzgarnitur niedergelassen, breitet sich vor einem die bei aller Fülle doch übersichtliche Armaturenlandschaft aus - ein gelungener Mix aus digitalen Touchscreen- und klassisch auf Drücken oder Drehen reagierenden Bedienelementen. Bis man zu allen Finessen des zentralen 11,4-Zoll-HD-Bildschirms vorgedrungen ist, dürfte es freilich eine Weile dauern, weist er doch insgesamt 20 Icons auf, von „Navigation“ bis „Vehicle Health“.

Im „Home“-Zustand aber ist der nicht wie ein Fremdkörper wirkende, sondern ins Armaturenensemble gut eingepasste Bildschirm nur in die Segmente „Navigation, „Telefon“ und „Medien“ geteilt, wobei ersteres permanent und ungefragt darüber informiert, in welchem Ort, welcher Straße man sich gerade befindet. Na ja, nicht immer mit der allerfeinsten Präzision: Es wird schon mal die Gemeinde ganz in der Nähe oder eine Straße gleich um die Ecke genannt.

Sprachassistentin Alexa hört auf „Jaguar“

Und man sollte sich auch nicht wundern, wenn bei arglosen Plaudereien über die Marke Jaguar oder die namensstiftende südamerikanische Raubkatze sich plötzlich Sprachassistentin Alexa zu Wort meldet, ihre Hilfe bei der vermeintlichen Frage anbietet oder den ratlosen Satz „Es konnte kein Sprachsignal erkannt werden“ auf den Bildschirm schreibt.

Mit solch einem verzeihlichen Lapsus ist eben auch in einem Premium-Gefährt wie dem F-Pace, ausgestattet mit allen aktuell verfügbaren Finessen der Vernetzung, schon mal zu rechnen.

Neue Technik, alte Technik: Der Jaguar F-Pace vor dem ehemaligen Kraftwerk Vockerode in Sachsen-Anhalt.

© TSP/Andreas Conrad

Das Interieur, vom Hersteller nicht zu Unrecht als „vernetzte Wohlfühloase“ gepriesen, hat noch einiges mehr an überraschenden wie hilfreichen Details zu bieten, die ihre Wirkung aufs Fahrgefühl selbst dann entfalten, wenn dies den Insassen nicht unbedingt bewusst wird.

So soll eine mit modernster Nanoe-Technik arbeitende Luftionisierung Allergene und unangenehme Gerüche neutralisieren, ergänzt um ein Filtersystem, das selbst ultrafeine Partikel einfange und so zusätzlich für saubere Kabinenluft sorge, wie versprochen wird. Zudem überwachen Sensoren sogar die CO2-Konzentration im Wageninneren. Dicke Luft ist da offenbar ausgeschlossen.

Zielfähnchen mit Drehzahlmesser

Auch fürs Auge hält der Jaguar F-Pace effektvolle Überraschungen bereit. Selbst bei mittlerer Motorisierung - im vorliegenden Fall ein 300 PS starker Sechszylinder-Turbodiesel mit Mild-Hybrid-Unterstützung, maximal stände ein 575-PS-V8-Benziner mit Kompressor-Aufladung bereit - wirkt der Wagen immer wie auf dem Sprung.

Man muss dazu nicht mal den Fahrhebel von D auf S wie Sport umlegen oder gar als Fahrmodus „Dynamic“ wählen. Aber wenn man sich für die dynamische Fahrweise entscheidet, sind Tacho und Drehzahlmesser plötzlich rot umrandet und im Headup-Display taucht fürs Racing-Feeling neben einem stilisierten Zielfähnchen zusätzlich ein kleiner Drehzahlmesser auf.

Die Armaturenlandschaft des F-Pace ist übersichtlich gestaltet, mit einem harmonisch sich einfügenden Touchscreen.

© TSP/Andreas Conrad

„Dynamic“ oder gar S kamen allerdings beim Rollen über die Landstraßen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt nur mal ganz kurz testweise zum Einsatz. Der „Komfort“-Modus erwies sich als vollauf genügend, um die vorwärtsdrängende Kraft des Wagens beim Überholspurt auszukosten.

Selbst „Eco“ zeigt in solchen Situationen noch reichlich Kraftreserven, der Modus „Regen/Eis/Schnee“ kam witterungsbedingt nicht zum Einsatz. Der insgesamt moderate, nur selten auf der Autobahn und noch seltener im Stadtverkehr praktizierte Fahrstil zahlte sich denn auch auf den Verbrauch aus: Bei einer Gesamtstrecke von 771 Kilometern 57,5 Liter Kraftstoff, also etwa 7,45 Liter auf 100 Kilometer - das klingt nicht nach übergroßem Durst und liegt sogar noch knapp unter den Angaben des Herstellers.

Selbstverständlich ist das Fahrgefühl so, wie man es in einem Wagen dieser Klasse erwarten kann, schließlich ist jeder F-Pace mit einem intelligenten Allradsystem ausgestattet. Da die Straße stets trocken und fest war, dürfte das gesamte Drehmoment stets auf die Hinterräder gelangt sein. Doch drohten diese einmal, etwa auf nassem, irgendwie ungünstigem Untergrund oder warum auch immer, durchzudrehen, würde sofort je nach Bedarf Drehmoment auf die Vorderräder umgeleitet und der Wagen so stabilisiert. Dies dabei wirkende technische Helferlein trägt den schönen Namen „Intelligent Driveline Dynamics“.

Auch stand ein adaptives Fahrwerk zur Verfügung, um die Reaktionen des Wagens auf Fahrstil und Straßenverhältnisse anzupassen. Diese müssen den Fahrer, und seien sie selbst hundsmiserabel, nicht schrecken, weist der F-Pace doch eine Bodenfreiheit von 213 Millimetern auf und gerät selbst bei einer Wassertiefe von 525 Millimetern nicht ins Schwimmen. Aber wer will sich schon mit so einem schicken Wagen durch schweres Gelände quälen oder gar einen Fluss durchqueren.

Demnächst dann nur noch elektrisch

Ein Jaguar F-Pace ist schließlich eine Luxuskarosse, bei der jede Schramme ärgerlich wäre, im Übrigen eine, die nach Straßen von gewisser Breite verlangt. In Wohnquartieren mit schmalen, durch parkende Anwohnerautos noch verengten Fahrbahnen ist er nur sehr behutsam zu manövrieren. Aber das teilt er mit allen dicken SUVs.

Drei Diesel- und vier Benzin-Motoren stehen für den Jaguar F-Pace bereit.

© JLR Deutschland Promo

Gleichwohl ist der F-Pace ein rundum gelungenes Auto - und dennoch in den aktuellen Motorisierungen, besonders der getesteten Diesel-Variante, Teil einer allmählich aussterbenden Spezies. Denn der Hersteller JLR will die Marke Jaguar ab 2025 komplett elektrifizieren. Bislang gibt es nur den I-Pace als E-Mobil, dazu Plug-in- und Mild-Hybrid-Fahrzeuge. Doch noch in diesem Jahr soll ein vollelektrischer GT vorgestellt werden, der erste E-Jaguar von drei neugestalteten Modellen. Danach wird das Verbrenner-Grollen der Raubkatze allmählich verstummen. Noch aber grollt es - und in der Wahlhebel-Position S besonders wild.

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