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Meinung: Tränen statt Vorwürfe

Wie Jakobs Entführer sich verteidigen wird / Von Gerhard Mauz

RECHTSWEGE

Warum führen negative Erfahrungen so selten dazu, dass Lehren aus ihnen gezogen werden? Gerade die Vernehmung Tatverdächtiger oder von Menschen aus ihrem Umfeld misslingen immer wieder.

Es besteht hartnäckig die Gefahr, dass Antworten – natürlich die erwünschten – suggeriert und vorgegeben werden. Die Versuchung ist groß. Man muss doch zu einem Ergebnis kommen. Und häufig hängt viel von der Antwort ab, zum Beispiel in einem Entführungsfall. Lebt ein Mensch noch, wo ist er zu finden? Kann ihm, wenn es um Tod oder Leben geht, noch geholfen werden?

Auf den Wegen zum Recht oder dem, was für uns als rechtens gilt, lernt es sich besonders schwer. Jeder Fall ist in seiner Art ein besonderer Fall; einer, der sich in einer Nuance, in einer Variante von anderen, ähnlichen unterscheidet.

Da erhält man von einem Tatverdächtigen keine Antwort. Aber wie steht es mit seinen Angehörigen, seiner Umgebung? Vielleicht verplappert sich da einer, wenn man es nur geschickt genug anstellt?

Gisela Friedrichsen macht im „Spiegel“ nun auf einen Fall aufmerksam, der in der Prozessgeschichte der Bundesrepublik, soweit bekannt, einmalig ist. Im Strafprozess gegen den Mann, der mutmaßlich – so muss es vorerst noch heißen, seine Verhandlung beginnt am 9. April in Frankfurt am Main – Jakob von Metzler getötet haben soll, steht das Gericht möglicherweise vor einem Verfahrenshindernis.

Nicht ein überforderter Beamter hat unzulässig aus eigenem Antrieb eine verbotene Vernehmungsmethode produziert: Nein, er tat das auf Anordnung des Polizeivizepräsidenten. Man droht einem Menschen an, man werde ihm Schmerzen zufügen, wie er sie noch nicht erlebt habe. Es werde keine Spuren geben. Ein Kampfsportlehrer von der Polizeihochschule werde gerade mit einem Hubschrauber eingeflogen, der sehe wie ein braver Familienvater aus. Und so erzielte man eine Aussage.

Das Glück im Unglück fügt es, dass der mutmaßliche Täter einen nicht nur fachlich, sondern auch menschlich hoch angesehenen Anwalt hat. Und der, Hans Ulrich Endres, sagt: „Für mich gab und gibt es nur eine Möglichkeit, diesen Mandanten zu vertreten. Hier ist keine Konfliktverteidigung am Platz. Das verbietet sich von selbst, schon aus Respekt vor dem Opfer und seiner Familie. Es ist meinem Mandanten zudem mehr gedient, wenn er sich unter Tränen mit seiner Schuld auseinandersetzt. Nur so wird er damit leben können. Es ist nichts zu beschönigen." Eine Erklärung, die man nicht nur aus fachlichen, sondern aus menschlichen Gründen voll Hochachtung zitiert.

Es ist also nicht zu fürchten, dass aus diesem – schweren – Fehler ein Verfahrenshindernis wird. Gisela Friedrichsen schreibt dazu: „Die Besonderheit im anstehenden Fall ist, dass die nach der deutschen Strafprozessordnung und nach internationalem Recht eindeutig verbotenen Methoden nicht einem untergeordneten Mitarbeiter am Rand seiner Selbstbeherrschung unterliefen, sondern vom Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner nach reiflicher Überlegung angeordnet und von hohen Polizeibeamten gebilligt wurden. Das gab es in der bundesdeutschen Justizgeschichte noch nie."

Man kann natürlich sagen, dass es halt leider eine allzu menschliche Schwäche ist, aus Erfahrungen, vor allem aus negativen, selten zu lernen. Man macht sich da gern was vor. So schlimm ist der Fehler auch nicht gewesen, heißt es beschwichtigend. Aber hier gefährdet diese Schwäche nicht nur den, der sie hat, sondern seine berufliche Haltung, seinen Umgang mit anderen.

Gerhard Mauz ist Autor des „Spiegel". Foto: Dirk Reinartz

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