zum Hauptinhalt
Nichts mehr drin: So ist die Lebensrealität zu vieler Menschen.

© Foto: perfectlab/stock.adobe.com/Uncredited

Streit ums Bürgergeld: Bitte keine Stimmungsmache zulasten der Ärmsten

Die Union hat ernstzunehmende Einwände gegen die großzügigen Pläne der Ampel-Koalition beim Bürgergeld. Und doch kommt es in dieser Debatte sehr auf den Tonfall an.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Nein, Fundamentalopposition ist es nicht, was die Union beim Thema Bürgergeld betreibt. Sie bringt ernstzunehmende Einwände vor.

Schonvermögen rauf, Sanktionen runter: Das ist erklärungsbedürftig, das ist streitbar, und für die Suche nach dem besten Kompromiss darf angesichts der Tragweite der Pläne auch eine Extrarunde im Vermittlungsausschuss gedreht werden.

Allerdings sind die Pläne der Ampel-Koalition im Grundsatz richtig. Und bei wichtigen Teilen davon sind sich Regierung und Opposition ja auch so gut wie einig. Es ist zum Beispiel dringend an der Zeit, die Regelsätze zu erhöhen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Im reichen Deutschland leben sehr viele Menschen in bedrückender Armut, das ist und bleibt falsch. Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hat vergangene Woche im Bundesrat noch einmal kritisiert, dass bei der Berechnung des Regelsatzes so manches formal als unnötig gilt, was eben doch für alle zum normalen Leben dazugehören sollte. Zum Beispiel im Sommer unterwegs mal eine Kugel Eis, die sich Hartz-IV-Empfänger:innen dann lieber verkneifen.

Sozialverbände kritisieren das seit Jahren – zu Recht. Teilhabe ist ein Menschenrecht und erschöpft sich nicht darin, dass am Monatsende noch Nudeln und Knäckebrot im Schrank sind. Insofern sind die geplanten 50 Euro Erhöhung noch nicht einmal genug.

Doch ebenso gilt die alte Weisheit, dass irgendjemand das alles bezahlen muss. Deshalb geht es bei der Frage der Sanktionen nicht nur darum, ob sich mit deren Wegfall Verwaltungsaufwand einsparen lässt, und es geht nicht nur um den Respekt gegenüber Menschen, die Transferleistungen beziehen.

Sondern es geht auch um das grundsätzliche Signal, dass das Bürgergeld nicht frei Haus kommt, sondern dass eine Gegenleistung erwartet wird, nämlich die prinzipielle Bereitschaft, auf eigenen Beinen zu stehen.

Die Menschen, die im Transfersystem stecken, wertschätzender und ermutigender anzusprechen und würdig zu behandeln, das lässt sich auch machen, ohne die Möglichkeit der Sanktionen aus der Hand zu geben.

Von manchem Slogan ist es nicht weit zu Ressentiments

Ähnlich ist es beim Schonvermögen: Altersunabhängig 150.000 Euro für eine vierköpfige Familie, zusätzlich zu Autos, Wohneigentum und Altersvorsorge: Das ist ein bisschen sehr üppig. Da nützt auch der Hinweis nichts, einen solchen Fall werde es in der Realität kaum geben.

Und doch geht die Kampagne der Union ins Populistische. „Arbeit muss sich lohnen“, tönt es in die Mikrofone. Falsch ist das nicht. Aber das Bürgergeld wird an diesem Prinzip erstens überhaupt nichts ändern, weil es für Geringverdiener:innen ergänzende Sozialleistungen gibt.

Und zweitens ist es von diesem Slogan nicht weit zu Ressentiments gegenüber Hartz-IV-Empfänger:innen, die mutmaßlich freiwillig zu Hause die Couch wärmen, statt arbeiten zu gehen.

Der größere Skandal im Land sind nicht die Menschen, die Sozialmissbrauch betreiben, so verwerflich das in jedem einzelnen Fall auch ist. Gesellschaftlich schmerzlicher sind die Lebenssituationen der Zwölfjährigen, die nicht mit ihren Freundinnen ins Kino kann, oder des Rentners, der sich die Zugfahrt zu den Enkeln nicht leisten kann.

Eine positivere Grundhaltung ist der richtige Schritt

Selbst von den grundsätzlich erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger:innen müssen und können viele gar nicht in Jobs vermittelt werden, etwa weil sie kleine Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder eine Fortbildung absolvieren.

Dazu kommt: Millionen Menschen hätten ein Anrecht auf Geld, nehmen dieses aber gar nicht erst in Anspruch, oft genug aus Scham oder weil sie von den bürokratischen Hürden abgeschreckt werden. Es ist der richtige Schritt, diesen Menschen mit einer neuen, positiveren Grundhaltung entgegentreten zu wollen.

Streit über die genaue Ausgestaltung des Bürgergelds: ja, bitte. Es geht um viel Geld, und zu verschenken hat der Staat nichts. Aber es wäre gut, der Streit würde nicht mit Stimmungsmache zulasten der Ärmsten ausgetragen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false