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Im Bundestag bei der Arbeit: Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz.

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Eilgesetzgebung von Ampel und Opposition: Das Hopplahopp bringt das Regieren in die Krise

Die Bürger dürfen auch in bewegten Zeiten wie diesen erwarten, dass sauber regiert wird. Das Tempo der Gesetzgebung und merkwürdige Verfahren aber trüben das Bild.

Ein Kommentar von Albert Funk

Regieren ist eine Kunst. Man muss sie erlernen. Was nur möglich ist, wenn man regiert. Regieren in der Krise ist eine noch höhere Kunst. Kanzler Olaf Scholz ist einer der erfahrensten Politiker in Deutschland, in vielen Ämtern erprobt. Auch das Kabinett ist nicht durchgehend eine Riege von Exekutiv-Neulingen.

Aber die Bundesregierung besteht eben aus drei Parteien, von denen zwei viele Jahre der Opposition hinter sich haben. Die Grünen waren im Bund seit 2005 nicht mehr mit am Ruder, die FDP seit 2013 (und in der damaligen schwarz-gelben Koalition tat sie sich sehr schwer mit dem Regieren – faktisch ist sie seit 1998 ungeübt). Die SPD wiederum wurde 2021 in einem Zustand Kanzlerpartei, den man nicht als glänzend bezeichnen konnte.

Die Ampel hat im Bundesrat keine eigene Mehrheit, ist also auf Kooperation mit der Union angewiesen. Die bequemt sich gerade im Bundestag in die Oppositionsrolle ein. Das ist insgesamt eine Konstellation, die man als Herausforderung in der Kunst des Regierens bezeichnen kann.

Krisenmanagement muss Vorrang haben

Die Ampel hat sich nicht ausgesucht, was sie nun zu leisten hat. Erst Russlands Krieg, dann die Energiepreiskrise – angesichts der Dimension dieser fortlaufenden Ereignisse war klar, dass akutes Krisenmanagement das Gebot der Stunde sein muss, Abarbeiten des Koalitionsvertrags dagegen die nachrangige Aufgabe. Und dass man den Schulterschluss mit der Opposition suchen sollte.

Dass mittlerweile in der Bevölkerung der Eindruck herrscht, in Berlin gehe es mitunter etwas chaotisch zu, liegt daran, dass diese Erkenntnisse das Handeln noch nicht bestimmen. Bisweilen laufen Krisenmanagement und Koalitionsvertragserfüllung parallel, es wird Normalität in einer Notlage suggeriert.

Nicht zuletzt passiert das in der Haushaltspolitik. Da wird dann sehr trickreich eine riesige Neuverschuldung zur Krisenbewältigung ins Jahr 2022 geschoben (alle Krisenausgaben werden kreditfinanziert), damit die vereinbarte Wiedereinhaltung der Schuldenbremse 2023 vereinbarungsgemäß umgesetzt werden kann. Das ist keine saubere Politik.

Eilgesetzgebung war noch nie gut

Dann wiederum vermischen sich die Dinge. Bürgergeld und Wohngeldreform, zwar geplant, aber nicht dringlich, wurden als zusätzliche Entlastungsschritte in die Krisenpolitik eingewoben. Es musste plötzlich ganz schnell gehen, die Krise sollte zur Gunst der Stunde werden. Dabei sehen sich die Kommunen gar nicht in der Lage, die Maßnahmen in dem Tempo umzusetzen, wie die Ampel es möchte.

Eilgesetzgebung war noch nie eine gute Idee. In der aktuellen politischen Konstellation ist sie noch schlechter. Doch der Hopplahopp-Modus hat zuletzt die Gesetzgebung zum Bürgergeld bestimmt. Recht zügig auf den Weg gebracht, mit einem Einstiegsdatum zum 1. Januar versehen (also auch mit Zeitdruck), geriet es in die Mühle der Parteipolitik zwischen Bundestag und Bundesrat. Wie zu erwarten war, erzwang die Union ein Vermittlungsverfahren.

Das aber geriet vorige Woche zur Farce. Noch bevor der Vermittlungsausschuss überhaupt zusammentrat, einigten sich vor allem SPD und Union in einer informellen Runde auf das Ergebnis. Verfassungspolitisch in Ordnung war das nicht.

In der Politik kann es nicht immer puristisch zugehen, das ist schon wahr. Die Bürger dürfen aber auch in Zeiten wie diesen erwarten, dass sauber regiert wird (auch die Opposition ist Teil des Regierens, wenn sie über den Bundesrat an einen Hebel gelangt). Und da kann eines nicht sein: dass das Regieren in der Krise zu einer Krise des Regierens führt.

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