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Lesermeinung: Unversöhnliche Geschichte eines zukünftigen Versöhnungszentrums

Zur laufenden Diskussion um die Wiedererrichtung der Garnisonkirche Abgesehen davon, dass sowohl die Finanzierung wie die geplante Grundsteinlegung im April 2005 ebenso wenig realistisch erscheinen wie ein rasches Einvernehmen mit dem ansässigen Fahrradladen und dem Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, muss man sich fragen, aus welchen Gründen die vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. einst erbaute Kirche überhaupt erneut errichtet werden soll.

Zur laufenden Diskussion um die Wiedererrichtung der Garnisonkirche Abgesehen davon, dass sowohl die Finanzierung wie die geplante Grundsteinlegung im April 2005 ebenso wenig realistisch erscheinen wie ein rasches Einvernehmen mit dem ansässigen Fahrradladen und dem Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, muss man sich fragen, aus welchen Gründen die vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. einst erbaute Kirche überhaupt erneut errichtet werden soll. Dient sie etwa der Belebung des Tourismus und führt sie der Stadt Ströme von neuen Besuchern zu? Die Antwort darauf gibt die Tourismus- Branche selbst: Von den drei privaten Potsdamer Stadtrundfahrt-Anbietern war lediglich eine Firma bereit, Geld für den Wiederaufbau zu geben und dieser eine Betrieb sponsorte die Sache mit lediglich 100 Euro: Als wirtschaftliche Investition gedacht ist diese Summe natürlich ein Witz. Die wahren Gründe für den Wiederaufbau der Garnisonkirche liegen demnach ganz woanders und sie werden deutlich, wenn man sich die Geschichte der Neuerrichtungsbemühungen näher anschaut. Da gründete sich Anfang der 80er Jahre ein „Traditionsverein Potsdamer Glockenspiel“, dessen Mitglieder es bis heute Zeitpunkt nicht unterließen, die Weitergabe von Spendengeldern zu blockieren, um nicht etwa die Kirche der „Schande“ auszusetzen, dass in ihr Homosexuelle von einer weiblichen Geistlichen getraut würden. Die Bedeutung der Garnisonkirche für Faschismus, Konservativismus im altruistischen Sinne und Nationalismus wird gern verharmlost. Der unselige „Tag von Potsdam“ war zwar tatsächlich nur ein Tag in der mehr als 200- jährigen Geschichte des Bauwerks, aber wieso hatte sich Hitler gerade diese Kirche zur zentralen Symbolik seiner Machtübernahme erwählt? Weil in ihr die beiden entscheidenden Kräfte, die den Faschismus in Deutschland entscheidend ermöglicht haben, symbolisch- symbiotisch zusammenliefen: Protestantismus und nationalkonservatives Junkertum. Diesen Eindruck zu verwischen, ist ein wesentliches Motiv der konservativen Eliten, sich für den Wiederaufbau der Garnisonkirche einzusetzen. Die ideelle Zielstellung geht jedoch noch in eine weitere Richtung: Durch den Wiederaufbau der von der „Diktatur des Proletariats“ gesprengten Gebäude der preußischen Monarchie soll die Erinnerung an die jüngste Geschichte verwischt werden – im Idealfall erinnert in fünfzig Jahren nichts mehr daran, dass hier einst die Kommunisten die Weihestätte der alten Eliten schändeten. Nun wäre es, angesichts des ideologisch motivierten Ringens der politischen Rechten um die Neuerrichtung der Garnisonkirche, Aufgabe der Sozialdemokratie, deren Bemühungen um die hemmungslose Idealisierung des Alten zu entlarven. Doch die maßgeblichen Teile der SPD Potsdam und ihr Oberbürgermeister lassen sich lieber als Instrument bürgerlich- konservativer Geschichtsanschauung benutzen, in der irrigen Meinung, dass es toll sei, vieles so zu machen, wie es ganz früher einmal war. Die wahre inhaltliche Leere der Wiederherrichtung der Garnisonkirche wird anschaulich, wenn man sich die zukünftigen Nutzung ansieht: Ein Versöhnungszentrum soll irgendwen mit irgendwem aussöhnen. Sollen dort alte Kämpfer aus Coventry, die es in zehn Jahren nicht mehr gibt, Schülern, die die Garnisonkirche niemals in echt gesehen haben anhand des Gebäudes erzählen, dass Krieg schrecklich ist? Bedarf es dazu die Bindung von erheblichen Mitteln für den Bau der Garnisonkirche, die die Gesellschaft in karitativen Bereichen unendlich viel besser gebrauchen könnte? Alexander Seyferth, Mitglied im SPD- Ortsverein Babelsberg

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