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Lesermeinung: Plädoyer wider falsche Bescheidenheit in Potsdam

Zur laufenden Diskussion und PNN-Berichterstattung um das geplante „Spaßbad“ auf dem Potsdamer BrauhausbergDie Diskussionen um das „Spaßbad“ zeigten einige bizarre Argumentationslinien, zum Teil auch Unkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Zunächst einmal: Wenn das Wirtschaftsministerium des Landes in überzogene Projekte (zum Beispiel „Lausitz-Ring“) Fördermittel pumpt oder mit fatalen Folgen in das EU-Förderrecht „gestaltend“ eingreift (man frage mal in Cottbus nach, wo eine „Idee“ des Ex-Wirtschaftsministers Fürniß zu Rückzahlungsforderungen von 7,2 Millionen Euro der EU an die Stadt führte), sollte man doch daraus nicht schließen, dass ausgerechnet Potsdam keine EU-Förderprogramme mehr in Anspruch nehmen darf.

Zur laufenden Diskussion und PNN-Berichterstattung um das geplante „Spaßbad“ auf dem Potsdamer Brauhausberg

Die Diskussionen um das „Spaßbad“ zeigten einige bizarre Argumentationslinien, zum Teil auch Unkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Zunächst einmal: Wenn das Wirtschaftsministerium des Landes in überzogene Projekte (zum Beispiel „Lausitz-Ring“) Fördermittel pumpt oder mit fatalen Folgen in das EU-Förderrecht „gestaltend“ eingreift (man frage mal in Cottbus nach, wo eine „Idee“ des Ex-Wirtschaftsministers Fürniß zu Rückzahlungsforderungen von 7,2 Millionen Euro der EU an die Stadt führte), sollte man doch daraus nicht schließen, dass ausgerechnet Potsdam keine EU-Förderprogramme mehr in Anspruch nehmen darf.

„Wir haben kein Geld, die Kassen sind leer, wir müssen sparen, sparen, sparen.“ Diesem reflexartig hervorgestoßenen Mantra liegt offensichtlich die Vorstellung zugrunde, dass es einen „Geldkuchen“ gibt, der jeden Morgen vom Himmel regnet, und es ginge nur darum, ihn zu verteilen. Es ist empfehlenswert darüber nachzudenken, dass dieser „Kuchen“ jeden Morgen neu gebacken werden muss und dazu Butter, Mehl und so weiter benötigt werden. Potsdams „Butter“ sind die Touristen. Und diese Touristen sind undankbare Geschöpfe! Sie kommen nicht einfach und geben ihr Geld aus, weil wir es gerne so hätten. Oder weil wir beschließen, dass 33 Millionen Euro für ein Spaßbad genug sein müssen. Unser rührender Wunsch, dass ein lokaler Architekt genügend Anziehungskraft aufbringe, um den Wettbewerb gegen Städte wie Wolfsburg (Phaeno Science Center, 79 Millionen Euro), Herford (MARTa Kunstmuseum, 28,8 Millionen Euro, 3 Millionen jährlicher Zuschuss) oder Aachen (Bauhaus Europa, etwa 31 Millionen Euro, 2,2 Millionen Euro jährlicher Zuschuss) zu bestehen, lässt die Touristen völlig kalt. Übrigens: Alle genannten Beispiele werden zu über 90 Prozent durch die „Öffentliche Hand“ finanziert. Die Einen wollen nicht, dass Potsdam gefördert wird – es sollten besser Bürgersteige in Dörfern gefördert werden. Ein Anderer sagt: Potsdam würde sich die Förderung mit einem Kultur-Scheinargument erschleichen. Der Versuch, vor dem Hintergrund der europäischen Kulturgeschichte einem Niemeyer-Bad den Kulturbezug abzusprechen, sollte nicht weiter kommentiert werden. Die Dritten meinen: Es gäbe eine gottgegebene Zahl von Badenden, die nun planwirtschaftlich auf vorhandene Bäder verteilt werden. Ein Bad mehr bedeute: Die „Kuchenstücke“ würden kleiner. Dieses Argument kommt oft von Bürgermeistern, die schon bewiesen haben, dass sie moderne Freizeitbedürfnisse nicht verstehen. Hat es sich jemals bewährt, Wettbewerb per Dekret auf Dauer auszuschließen? Wäre es nicht besser, ein Clustermanagement zu entwickeln, bei dem der Wettbewerb zu Höchstleistungen führt, die Einwohner und Touristen anziehen? Im „Thermenland“ Steiermark haben viele Thermen und deren geschickte internationale Vermarktung zu weit überdurchschnittlichen Zuwachsraten geführt. Wenn es einen geeigneten Standort für ein Spaßbad in unserem Land gibt, dann hilft ein Blick auf die Landkarte und die Statistik bezüglich Einwohner- und Tourismusentwicklung, um ihn zu finden.

Was bleibt zu wünschen? Erstens, dass der Wirtschaftsminister nicht seinem Vorgänger nacheifert und „gestaltend“ eingreift oder durch immer neue Prüfungsrunden das Risiko Potsdams täglich erhöht. Jede Entscheidung, ob und mit welchem Fördersatz das „Spaßbad“ gefördert wird, ist besser als keine. Potsdam sollte eine Frist setzen, von der ab das Risiko zu hoch wird. Ich denke, das Ministerium hatte genug Zeit. Zweitens: Dass unser Oberbürgermeister weiter seine Pflicht erfüllt und unser Recht in Anspruch nimmt, dass wir uns mit herausragenden und nicht mittelmäßigen Projekten um EU- und Landesgelder bewerben. Drittens aber auch, dass das bisher weniger glückliche Potsdamer Projektmanagement dem Anspruch an Spitzenprojekte entspricht und professionell, modern, kooperativ, transparent und innovativ aufgestellt wird. Dazu ist es höchste Zeit.

Norbert Altenhöner, Potsdam-Babelsberg

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