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Kommentar zu Fritsch: Keine Zierde

Seltsam genug, dass Gunter Fritsch einem Buch ein Vorwort schenkt, das großen Teilen der Landesregierung Gesinnungsschnüffelei vorwirft. Ein Landtagspräsident von Format müsste sein Parlament davor bewahren, in den eigenen Räumen von DDR-Nostalgikern beschimpft zu werden, meint Peter Tiede

Er hätte baden gehen können, oder ein Eis essen, oder wieder etwas trinken – aber nein, Brandenburgs Landtagspräsident Gunter Fritsch blieb am Montag im Landtag und wohnte einer Buchvorstellung bei. Und das offenbarte ein Problem. Ihn. Als Präsident, so will es die Definition, vertritt er den gesamten Landtag nach außen. Was er gestern bei der Buchvorstellung abgeliefert hat, war ein Missbrauch dieses Amtes. Keine Spur von Unabhängigkeit oder Überparteilichkeit war in dem, was er über die  Enquetekommission zu sagen hatte, die im Landtag den Umgang mit dem DDR-Erbe nach der Wende untersucht, und an der sich der Autor des Buches abarbeitet. Dass der Sozialdemokrat Fritsch für ein krudes Buch, in dem großen Teilen des Landtages direkt Gesinnungsschnüffelei und politische Hetzjagd in Sachen DDR-Aufarbeitung vorgeworfen wird, ein Vorwort schreibt – seltsam genug. Doch dass Fritsch als Landtagspräsident – ungefragt – vor Publikum vielen seiner Kollegen Abgeordneten als Motiv für ihre Nachfragen allein Frustbewältigung unterstellt, ist jenseits der Grenze. Dabei hatten diese Abgeordneten Fragen aufgeworfen zum Umgang mit DDR-Opfern nach der Wende oder mit der DDR in den Schulen oder zu nicht einmal den brandenburgischen Regeln entsprechenden Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst und im Landtag.

Nebenbei: Die Enquetekommission ist eine des ganzen Landtages; beschlossen von allen Fraktionen – auch mit Fritschs Stimme –, geleitet von einer SPD-Abgeordneten. Die Kommission tagt noch, hat also noch keinen Abschlussbericht vorgelegt. Und im Plenum wird eines Tages über diesen Bericht zu diskutieren sein – womöglich unter Leitung von Präsident Fritsch, der in der Sache aber schon vor allen anderen das letzte Wort gesprochen hat.

Noch schlimmer: Fritsch hätte sehr viel zu widersprechen gehabt bei der Buchvorstellung, die immerhin im Landtag, seinem Hause, stattfand. Schweigend ließ er den Autoren sagen: Sein Parlament betreibe Gesinnungsschnüffelei, „nach 1990“ habe in Brandenburg die „Zerstörung des ostdeutschen Unternehmenssektors“ stattgefunden, die Kommission sei vergleichbar nur mit der „heiligen Inquisition der katholischen Kirche“. Unwidersprochen die Suggestion, in Brandenburg sei es etwa beim Thema Stasi darum gegangen, in Polizei und Verwaltung „diejenigen aufspüren zu wollen“, die „aus irgendeinem Grund politisch nicht in den Kram passen – und das mit dem Ziel, sie durch Leute aus dem eigenen politischen Dunstkreis zu ersetzen“. Fritsch schenkt einem Autor ein Vorwort, der behauptet, es sei nach der Wende darum gegangen, „Westdeutschen in Brandenburg die Jobs freizuschießen“.

Ein Landtagspräsident von Format wäre in der Lage, sein Parlament und dessen Mitarbeiter davor zu bewahren, dass sie in den eigenen Räumen von DDR-Nostalgikern derart beschimpft werden. Fritsch tat genau das Gegenteil – er hat selbst die Würde des hohen Hauses verletzt. Normalerweise wird man dafür von den weiteren Beratungen ausgeschlossen.  

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