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Meinung: Kampf dem Mangel

Bundesfreiwilligendienst und Bundeswehr – der Übergang ist nicht gesichert

Ungeheuerliches ereignet sich vor aller Augen – und die große Politik verschließt ihre. Wenn das Problem aber erst einmal so groß ist, dass es der breiten Öffentlichkeit klar geworden ist, dann wird es kaum noch schnell zu beheben sein. Die Rede ist, wieder einmal, von einem Reformvorhaben der Bundesregierung, genauer gesagt sind es zwei miteinander verbundene, und in beiden Fällen geht es um Tausende von Menschen: im Bundesfreiwilligendienst, in der Bundeswehr und darüber hinaus.

Nachdem jetzt der Grundwehrdienst und der Zivildienst nicht de jure, wohl aber de facto abgeschafft sind, müsste der Staat alles daransetzen, den Ersatz dafür zu stärken. Mit ausreichend Geld, mit Perspektiven, um wettbewerbsfähig zu sein. Die freie Wirtschaft bietet jungen Menschen bekanntermaßen mehr von beidem, und gefahrloser ist es im Fall der Streitkräfte außerdem. Die Wirklichkeit sieht allerdings so aus: Bundeswehr und Bundesfreiwilligendienst haben schwer zu kämpfen.

Ziehen wir aus aktuellem Anlass – dem offiziellen Ende des Zivildienstes – zunächst die Entwicklung im Bundesfreiwilligendienst, kurz Bufdi, heran. Das Familienministerium hat den Start offiziell als Erfolg bezeichnet. Und schon an dieser ersten Stellungnahme ließ sich das Problem ablesen: Von 17 300 Freiwilligen, die als der Erfolg galten, sind 14 300 Zivildienstleistende, die ihren Dienst verlängert haben. Es gibt damit nur circa 3000 neue Dienstleistende.

Der „Bild“-Zeitung gebührt das Verdienst, bei den einzelnen Organisationen nachgefragt zu haben. Das Ergebnis an einem Beispiel zur Illustration: Der Malteser Hilfsdienst hatte bisher rund 1000 Zivildienstleistende, dann zum Bufdi- Start am 1. Juli 2011 mit 900 Helfern geplant – und 98 Verträge wurden geschlossen. Es waren 13 der Freiwilligen, die am 1. Juli ihren Dienst angetreten haben. Ob beim Arbeiter-Samariter-Bund, den Johannitern oder der Caritas, das Bild ist überall das gleiche: ein Bild des Mangels.

Und nun hat zu allem Überfluss auf der anderen Seite der Bundeswehrverband, die Interessenvertretung der Soldaten, soeben eine neue Warnung ausgegeben. Nach seinen Erkenntnissen wirkt sich die Neuausrichtung nicht nur bei der Gewinnung von Freiwilligen aus, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte. Wegen der unklaren Lage und wegen des gegebenen Versprechens, dass die Armee als Arbeitgeber rasch attraktiver gemacht wird. Bisher ist es nicht gehalten. Eine Unruhe wie seit 20 Jahren nicht mehr hat der Verband ausgemacht, dazu große Skepsis und Furcht: nicht vor einem Gegner, sondern vor einer Reform. Und möglichen katastrophalen Auswirkungen.

Ob Bundeswehr oder Bundesfreiwilligendienst, die Verantwortlichen in der Regierung beschreiben die Lage natürlich anders. Beides komme schon ins Lot, ist die Losung. Wenn nur der fatale Eindruck in der Öffentlichkeit nicht wäre. Darum gilt: Die Regierung muss gewährleisten, dass der Übergang gelingt. Auf diese Sicherheit haben Tausende Anspruch.

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