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PORTRÄT VOLKMAR SCHÖNEBURG BRANDENBURGS JUSTIZMINISTER: „Die DDR hatte keine Politik der Liquidierung“

Es hätte nicht erst ein Bundespräsident in eine Kreditaffäre verwickelt werden müssen, um der Einsicht Geltung zu verschaffen, dass nicht alles, was juristisch in Ordnung war, auch richtig ist. Selbiges trifft ohne Abstriche etwa auch auf die untergegangene DDR zu.

Es hätte nicht erst ein Bundespräsident in eine Kreditaffäre verwickelt werden müssen, um der Einsicht Geltung zu verschaffen, dass nicht alles, was juristisch in Ordnung war, auch richtig ist. Selbiges trifft ohne Abstriche etwa auch auf die untergegangene DDR zu. Da gab es zwar Recht und Gesetz, doch von einem richtigen Rechtsstaat war man weit entfernt. Wie weit, darüber ist man bis heute uneins. Das Personal wechselt, die Diskussion hält an, und je nach allgemeiner Lust und Aufmerksamkeit kann sich jederzeit ein Politiker darin verfangen.

Einer, der da wenig Ängste zeigt, ist Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg. In vielerlei Aufsätzen und Reden vertritt er einen differenzierten Blick auf den versunkenen Staat mit seinen ältlichen Funktionären und den matten Wirtschaftsdaten an der Frontlinie des Kalten Krieges. Oft betonte er, dass die DDR kein „Unrechtsstaat“ gewesen sei, dass sie, anders als das NS-Regime, nicht auf Liquidierung ihrer Gegner aus gewesen sei, dass die juristische Bewältigung dann aber andererseits Züge von Siegerjustiz getragen habe. Ein Skandal ist das nicht, zumal der Jurist seine Standpunkte begründet und sie ohne Eifer und mit der Kühle eines Wissenschaftlers verteidigt. Doch weil sich seit der Causa Guttenberg Dissertationen dazu eignen, politische Haftungsfälle auszulösen, ist Schöneburgs Schrift, in der er das Thema Todesstrafe streift, in den Blick geraten.

Sollte sich allerdings nicht noch Aufregenderes als das jetzt Bekanntgewordene darin finden, bliebe die Promotion eine politische Fußnote. Aus zwei Zitatfetzen lässt sich kein Lob der DDR-Todesstrafe konstruieren. Und selbst wenn es so wäre, sollte man nicht vergessen, die Todesstrafe wurde dort erst 1987 abgeschafft. Sie war geltendes Recht. Schon in den Jahren davor wurde sie allerdings kaum noch verhängt. Ein Umstand, der indiziert, dass die DDR sich in ihrer Endphase in puncto Rechtsstaatlichkeit zum Besseren entwickelte, wie übrigens auch im Aufbau eines Verwaltungsrechts. Schöneburgs differenzierter Blick ist deshalb nicht falsch, wenn auch für einen Politiker nicht opportun.

Ein Fressen für die Opposition wird das Thema kaum bieten. Ein gestörtes Verhältnis zur Geschichte oder zur eigenen Vergangenheit kann man dem Minister, der derzeit nach Stasi-Leuten unter seinen Richtern forscht, nicht vorwerfen. Auch deshalb nicht, weil die CDU selbiges versäumt hat, obwohl sie alle Gelegenheit dazu hatte. Jost Müller-Neuhof

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